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Bologna und die Doktoren

"Eurodoc" - das ist ein 2005 gegründeter Zusammenschluss von 33 nationalen Doktoranden-Verbänden. Die rund 200 Mitglieder trafen sich jetzt zu einer Konferenz in Wien und erörterten die Folgen des Bologna-Prozesses für Promovierende.

Von Alexander Musik |
    Welche Folgen hat der Bologna-Prozess für die Forscher im so genannten dritten Zyklus, die Doktoranden? – so die zentrale Frage der Eurodoc-Konferenz. Eine Frage, die um so mehr zu stellen ist, als die Kritik am Bachelor- und Masterstudium, dem ersten und zweiten Zyklus, in der Öffentlichkeit viel stärker wahrgenommen werde, beklagt Nikola Macharovà, die slowakische Eurodoc-Präsidentin:

    "Im Bologna-Prozess werden wir nicht wirklich gehört. (..) Das liegt daran, dass man denkt, wir würden durch die Studenten repräsentiert. Die Implementierung des Bologna-Prozesses ist ja von Land zu Land unterschiedlich, und in vielen Fällen sind Doktoranden noch Studenten. Daher denken die Politiker, die über den Bologna-Prozess entscheiden, dass alles in Ordnung sei, denn die Studenten werden ja von der Europäischen Studentenvereinigung repräsentiert. (..) Doch die hat noch nicht so viel Erfahrung mit dem dritten Zyklus, sie ist mehr mit dem ersten und zweiten befasst."

    Ziel der Eurodoc-Konferenz war es, die Forschungsrealität im dritten Zyklus zu beschreiben und entsprechende Empfehlungen an die jeweiligen Bildungspolitiker und die EU-Kommission weiterzuleiten, mit der man eng kooperiere. Eine Realität, die zwangsläufig von Land zu Land unterschiedlich ist, denn am europäischen Forschungsraum nehmen mittlerweile 46 Länder mit 4.000 Universitäten und Hochschulen teil. Beispiel Forschungs-Output. Liliya Bonderova, die russische Eurodoc-Vertreterin, kritisiert die Stagnation in ihrem Land seit der Maueröffnung:

    "Es gibt kein Europa der zwei Geschwindigkeiten, sondern der vielen Geschwindigkeiten! Denn der Anteil wissenschaftlichen Outputs differiert von Land zu Land. Das hat verschiedene Ursachen, die wichtigste ist politisch. Das weitreichendste Ereignis in Europa ist der Fall der Berliner Mauer, seither wurde die Forschungs-Situation in Europa wenig untersucht. Russland etwa strauchelt und hat nach ’89 wenig Output zu verzeichnen. Andere ehemalige Sowjetrepubliken machen in dieser Hinsicht viel größere Fortschritte!"

    Auch die von Bildungspolitikern gern hoch gehaltene Forderung nach hoher Mobilität der jungen Forscher ist viele von ihnen Utopie. Beispiel Slowakei: Dort bekamen die Doktoranden nach Implementierung des Bologna-Prozesses einen Studenten-Status und Stipendien, sagt Nikola Macharovà, selbst Doktorandin der Kulturwissenschaften:

    "In der Slowakei decken diese Stipendien kaum die Lebenshaltungskosten. Wenn man aber forschen will, braucht man noch andere Finanzquellen, wenn man reisen will, Konferenzen besuchen und mobil sein. Die Stipendien decken das nicht ab. Das ist das eigentliche Problem bei Bologna für Studenten im dritten Zyklus!"

    Laut einer "Eurodoc"-Untersuchung werden 70 Prozent der Doktoranden gefördert; 20 Prozent leben und forschen von ihrem Ersparten. Zu viele, wenn es nach "Eurodoc" geht, zumal die Attraktivität und gesellschaftliche Akzeptanz eines Doktortitels nicht überall in Europa hoch ist. In vielen Ländern wird universitäre Forschung schlechter bezahlt als ein Job in der Industrie; auch die Unternehmen selbst sind skeptisch bei promovierten Bewerbern. Enric Rodriguez, Doktorand im Fachbereich Elektronik an der Universität Barcelona:

    "Besonders in Spanien schätzen Unternehmen den Doktortitel nicht sehr, glaube ich. Auch mehr Geld verdient man damit nicht! Manchmal erwähnen ihn die Leute nicht einmal in ihrem Lebenslauf, denn die Firmen mögen das nicht, das sind Leute, die zu viel denken, heißt es dann! Ich mag den Doktor aber trotzdem, weil er eine Herausforderung darstellt."

    Eine Sichtweise, die Zaza Nadja Lee Hansen, die dänische Eurodoc-Vertreterin, für ihr Land bestätigen kann. Dafür haben Doktoranden in Dänemark einen klaren Status, sie sind Angestellte und müssen keine Studiengebühren zahlen. Ein wichtiger Unterschied, denn so werden sie als Forscher und Lehrende wahrgenommen, nicht als Studenten, die Lehrstoff aufnehmen.

    "In Dänemark hat man noch nicht diskutiert, was denn mit all den Promovierten passieren soll. Denn die Universitäten scheinen sie nicht aufnehmen zu können. Und die Industrie schätzt Promovierte nicht hoch genug, was Gehalt und Positionen angeht – anders als in Deutschland, wo man seinen Doktor nennt und der Titel Prestige hat. In Dänemark kenne ich Promovierte, die nicht mal zugeben, dass sie promoviert haben, weil sie nicht wollen, dass die Leute denken, sie wären hochmütig oder sowas."

    Nicht nur in Deutschland, auch im Eurodoc-Gastgeberland Österreich gehören Doktortitel zur Gesellschaftskultur. Stephan Kurz, Germanistik-Doktorand an der Universität Wien.

    "Tendenziell dieses Klischee vom titelgeilen Österreicher ist natürlich richtig und hat seine Berechtigung. Jetzt gibt’s allerdings mit dem Bologna-Prozess immer wieder Missverständnisse und kleine Verwirrungen, weil alle vom PhD reden, obwohl die Curricula gar nicht festlegen, dass es PhD heißen muss. Die Curricula sagen, es wird nach wie vor ein Doktorat verliehen."

    Auch wenn Kurz Verständnis für die Studentenproteste hat. Sie als Doktoranden seien immerhin in der glücklichen Lage, dass Bologna erst seit fünf Jahren für sie gelte. Und einen einheitlichen europäischen Forschungsraum zu schaffen, das sei an sich eine gute Idee, hieß es übereinstimmend bei den internationalen Jungforschern.