Die Journalistin, die von Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro auf Twitter attackiert wurde, hatte über ein für die Präsidentenfamilie unbequemes Thema berichtet: Die verdächtigen Finanzbewegungen des ehemaligen Chauffeurs von einem der Söhne des Staatschefs, Flávio Bolsonaro, der auch Senator ist. In dieser Angelegenheit ermittelt die brasilianische Justiz. Präsident Bolsonaro warf der Reporterin vor, sie strebe ein Amtsenthebungs-Verfahren gegen ihn an. Er postete auch ein schwer verständliches Audio, in dem die Journalistin auf Englisch ihre Berichterstattung erläutert.
Brasiliens Vereinigung für investigativen Journalismus, ABRAJI, verurteilte den Präsidenten-Tweet umgehend – in einer gemeinsamen Erklärung mit der nationalen Anwaltskammer.
"Bolsonaro schreibt, die Journalistin wolle das Leben seines Sohnes ruinieren und seine Amtsenthebung erreichen. Aber nichts davon hat sie gesagt. Außerdem ist das Audio offenbar bearbeitet worden. Wir halten es für schlimm, dass der Präsident eine Nachricht verbreitet, die auf falschen Informationen beruht", sagt die Geschäftsführerin von ABRAJI, Cristina Zahar. Die Zeitung O Estado de Sao Paulo stellte klar, ihre Reporterin habe keinesfalls die Absicht geäußert, die Regierung oder den Präsidenten zu ruinieren. Sie habe lediglich gesagt, der Fall der verdächtigen Finanzbewegungen könne Bolsonaro gefährlich werden.
Bolsonaro nutzt Machtposition um Medien einzuschüchtern
Das Audio der brasilianischen Journalistin, verbunden mit Kritik an ihrer Berichterstattung, war zuerst in einem Blog unter dem Dach der französischen Internet-Zeitung Mediapart veröffentlicht worden. Mediapart distanzierte sich von dem Post, nachdem Bolsonaro ihn für seine Medienschelte benutzt hatte. Dass der Präsident seine Machtposition nutze, um die Presse einzuschüchtern, sei besonders schwerwiegend, meint Cristina Zahar von Brasiliens Vereinigung für investigativen Journalismus:
"Wenn Politiker das tun, schaden sie nicht nur den Medien, sondern auch der Demokratie und der Gesellschaft, die ein Recht darauf hat, informiert zu werden."
"Wenn Politiker das tun, schaden sie nicht nur den Medien, sondern auch der Demokratie und der Gesellschaft, die ein Recht darauf hat, informiert zu werden."
Wegen seiner Verbalattacken gegen den Journalismus war Jair Bolsonaro bereits im Wahlkampf aufgefallen. Aber seit er in Amt und Würden ist, übt er sich keineswegs in Zurückhaltung: Im Durchschnitt kritisierte der Präsident bisher alle drei Tage die Presse. Einige seiner Regierungsmitglieder eifern ihm nach: Anfang März zeigte Bolsonaros Umweltminister Ricardo Salles auf Twitter seinen Ärger über eine kritische Kolumne der Deutschen Welle, indem er an die Verbrechen der Nazis erinnerte. Für die Lateinamerika-Korrespondentin der Zeitung Folha de Sao Paulo, Sylvia Colombo, ist es ein Krieg, den Bolsonaro gegen die Medien führt:
"Aber meine Zeitung hat von Anfang an gesagt: Wir sind nicht im Krieg mit Bolsonaro - das ist nicht unsere Rolle. Unsere Rolle ist der kritische Journalismus."
Medien üben keine Selbstzensur
Gegen Folha de Sao Paulo hat der Präsident geklagt, weil das Blatt während des Wahlkampfs berichtet hatte, Unternehmen hätten eine Kampagne Bolsonaros mit Falschnachrichten per WhatsApp finanziert. Journalistin Colombo sieht die Pressefreiheit in Gefahr, weil Bolsonaros Regierung den Journalismus demoralisieren wolle und den Zugang zu Informationen erschwere:
"Er hat mehrmals gesagt, dass er nicht mit der Presse sprechen will, sondern über die sozialen Netzwerke. Und die großen Zeitungen haben oft keinen Zugang zu Regierungs-Pressekonferenzen."
Trotz der Angriffe und Hindernisse - die Medien ließen sich bisher nicht einschüchtern und übten auch keine Selbstzensur, meint Sylvia Colombo von Folha de Sao Paulo:
"Im Gegenteil: Die Journalisten wollen darüber informieren, was passiert."