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Bombenanschlag in London
"Wir schauen immer, wo der nächste Notausgang ist"

Viele Menschen wurden verletzt, doch es hätte weit schlimmer kommen können. Der Sprengsatz in der U-Bahn in London verpuffte am Freitagmorgen nur. Für die Londoner ist es bereits der vierte Terroranschlag in einem Jahr - sie bleiben ruhig, werden aber vorsichtiger

Von Friedbert Meurer |
    Ein Polizist und eine Polizistin gehen hinter einem rot-weißen Absperrband den Bürgersteig entlang. Die Polizistin hat den schwarzen Hund an der Leine, der den Bürgersteig beschnüffelt.
    Polizisten gehen am 15.09.2017 in London (Großbritannien) mit einem Hund eine Straße in der Nähe der U-Bahn-Station Parsons Green entlang, wo es eine Explosion gegeben hat. (Kirsty Wigglesworth / AP / dpa)
    Die Reporterin meldete sich bereits kurz nach dem Anschlag von der U-Bahn- Haltestelle Parsons Green im Londoner Westen. Um 8.20 Uhr Ortszeit war in einem Wagen ein lauter Knall zu hören. Augenzeugen berichteten von einer Wand aus Flammen, die über die Passagiere hinwegschoss.
    "Alle gerieten in Panik und versuchten, die U-Bahn zu verlassen. Im Gedränge und Geschiebe fielen Menschen zu Boden und im Getrampel verletzt. Ich habe Passgiere mit Brandwunden im Gesicht und an den Armen gesehen. Bei einem Mann sah es so aus, als würde seine ganze Jacke brennen."
    Über 20 Menschen wurden überwiegend leicht verletzt und in Krankenhäusern behandelt. Es hätte viel schlimmer kommen können: Experten zufolge verpuffte der selbstgebaute Sprengsatz nur. Wäre er wie geplant detoniert, hätte es zahlreiche Tote gegeben, ist sich die Polizei sicher. Die Bombe war in einem weißen Plastikeimer verborgen, in dem eine Lichterkette als Zünder diente und eine Uhr als Zeitschalter. Marc Rowley von Scotland Yard ist von einem terroristischen Hintergrund überzeugt.
    "Es handelte sich um einen selbst gebauten Sprengsatz. Unsere Anti-Terror-Abteilung leitet die Ermittlungen. Wir haben hunderte von Beamten im Einsatz, die die Überwachungskameras auswerten, Spuren sicherstellen und Zeugen befragen."
    Polizei sucht nach dem Täter
    Medienberichten zufolge hat die Polizei längst die Identität des Täters ermittelt, teilt es aber nicht mit, um seiner habhaft zu werden. Überraschend teilte US-Präsident Donald Trump aus Washington mit, der Täter sei Scotland Yard bekannt. Premierministerin Theresa May wies das als Spekulation zurück. Beim Bombenanschlag auf ein Popkonzert in Manchester hatten allerdings auch schon die US-geheimdienste den Namen des Täters weitergegeben, als die britische Polizei ihn aus ermittlungstaktischen Gründen noch zurück hielt.
    Die Detonation in der Londoner U-Bahn bildet den vierten Terroranschlag binnen eines Jahres in London. Sechs wurden im Vorfeld vereitelt. Die Briten reagieren weitgehend ruhig, verhalten sich aber jetzt zumindest teilweise vorsichtiger:
    "Ich setze mich nie in einen Wagen in der Mitte eines U-Bahn-Zugs, seitdem es die Anschlagsserie gibt. Oder gestern Abend gingen wir zu einer Comedy-Show: Wir schauen immer, wo ist der nächste Notausgang - oder wo können wir uns verstecken?"
    "Der Sprengsatz sollte großen Schaden anrichten", verurteilte Premierministerin Theresa May zuvor die Tat und versicherte, es werde jetzt mehr bewaffnete Polizei auf den Straßen geben. "Die Polizei tut, was notwendig ist, um die Öffentlichkeit zu schützen."