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Bonifatius - Abt und Diplomat
"Er diente vier verschiedenen Päpsten"

Der Angelsachse Winfried, der sich später Bonifatius nannte, gehört zu den herausragenden Persönlichkeiten des frühen Mittelalters. Um 680 trat er als etwa 8-Jähriger ins Kloster ein. Der wissenschaftlich interessierte Mönch wurde bald zu einem angesehenen Gelehrten und Abt des Klosters Nursling. Außerdem bewies er diplomatisches Geschick als Vermittler bei politischen Streitigkeiten. Rüdiger Achenbach spircht mit Lutz von Padberg über Bonifatius, der Professor für Mittelalterliche Geschichte ist.

Lutz von Padberg im Gespräch mit Rüdiger Achenbach |
    Figur des Bonifatius am Hauptportal des Doms St. Salvator zu Fulda
    Figur des Bonifatius am Hauptportal des Doms St. Salvator zu Fulda (imago/imagebroker)
    Rüdiger Achenbach: Herr von Padberg, Winfried alias Bonifatius ist etwa um das Jahr 680 in England geboren. Was ist denn über seine Herkunft und Kindheit überhaupt bekannt?
    Lutz von Padberg: Ziemlich wenig. Bei den Menschen des Frühmittelalters kennen wir in der Regel das Todesdatum recht genau, aber selten das Geburtsdatum. Seine Familie gehörte wahrscheinlich zum niederen Adel und als Erbe eines ganz ansehnlichen Grundbesitzes sollte er eigentlich Landedelmann werden.
    Achenbach: Er sollte Landedelmann werden, aber sein Weg sah dann doch anders aus.
    Von Padberg: Der Weg sah ganz anders aus. Er hatte schon in frühester Kindheit – so berichtet es zumindest sein Biograf – die Absicht, Gott zu dienen und in ein Kloster einzutreten. Sein Vater hat dagegen erheblichen Widerstand geleistet. Aber durch ein Wunder – so wird es in der Legende erzählt – hat er sich dann einverstanden erklärt, hat Bonifatius, der damals noch Winfried hieß, im Alter von sieben Jahren in ein Kloster gegeben. Damit war die erste Karriere, die eines Klosterzöglings vorgezeichnet.
    Achenbach: Was damals im frühen Mittelalter ja nicht außergewöhnlich war, in diesem jungen Alter schon ins Kloster gebracht zu werden.
    Von Padberg: Das kam in der Regel ziemlich häufig vor. Oft war es so, wenn an einem Hof mehrere Söhne lebten, dass dann – um die Überzahl abzubauen sozusagen – Kinder dem Kloster zur Erziehung übergeben wurden.
    Achenbach: Und Winfried alias Bonifatius wird dann durch seine Ausbildung im Kloster zu einem angesehenen Gelehrten.
    Von Padberg: Das kann man wohl sagen. Der kleine Winfried muss ein ziemlich kluger Junge gewesen sein. Er hat sich sehr schnell die nötigen Kenntnisse in der Theologie angeeignet. Grundlage des Studiums im Kloster war vor allem die Bibel. Die wurde fast vollständig auswendig gelernt. Dazu hat man sich mit exegetischen Kommentaren beschäftigt. Und Zeit seines Lebens war er bestens bewandert in der Bibel. Das sieht man daran, dass er sie häufig in seinen Briefen zitiert und natürlich auch als Grundlage seiner Predigt benutzt hat. Aber darüber hinaus hat er auch eine Grammatik geschrieben, eine Metrik, hat sich selber als Dichter versucht und muss bald einen ziemlich guten Ruf als Gelehrter gehabt haben, sodass Mönche von auswärts kamen, um unter seinem Lehrstuhl zu sitzen.
    Achenbach: Und er war in die Kirchenpolitik seiner Zeit einbezogen, in England.
    Diplomatisches Händchen
    Von Padberg: In England gab es mancherlei Spannungen zwischen den Diözesen. Es war ja noch eine recht junge Kirche. Darüber hinaus gab es Spannungen zwischen Bischöfen und den Königen. In einem Streit um die Ausweitung eines Bistums hat man Bonifatius eingeschaltet und er hat sich offensichtlich mit diplomatischem Geschick dieser Aufgabe entledigt und dadurch war er auch eigentlich angesehen und vorgesehen für höhere Aufgaben.
    Achenbach: Er hatte also auch diplomatisches Geschick?
    Von Padberg: Das kann man so sagen.
    Achenbach: Im Gegensatz zur Landeskirche im Frankenreich hat die angelsächsische Kirche eine besondere Verbundenheit mit Rom, also dem Apostolischen Stuhl gehabt. Wie war es dazu gekommen?
    Von Padberg:: Das hat eine ganz einfache Vorgeschichte. Als die Römer Britannien Mitte des 5. Jahrhunderts verlassen haben und England dann wieder heidnisch geworden ist, hat im Jahr 597 Papst Gregor der Große eine Missionsinitiative gestartet. Er hat Mönche unter der Leitung eines Augustinus nach England geschickt. Die sind auf der Insel gelandet, es ist ihnen gelungen mit dem König von Kent Kontakt aufzunehmen und ihn zum Christentum zu bekehren. Von dort ausgehend sind dann die verschieden Klein-Königtümer in England zum Christentum bekehrt worden. Das zog sich über eine längere Phase hin, aber es waren in der Regel Kirchenleute, die in enger Verbindung mit Rom standen oder sogar aus Rom gekommen waren. Von daher ergab sich ganz natürlich, dass alle kirchlichen Belange mit Rom abgestimmt wurden. 664 gab es dann eine große Synode in Whitby. Dort ist endgültig beschlossen worden, dass es sich um eine angelsächsische Rom verbundene Landeskirche handeln sollte.
    Achenbach: In der angelsächsischen Kirche sah man es auch als eine wichtige Aufgabe an, die stammesverwandten Völker auf dem Kontinent – also die Sachsen und die Friesen, die immer noch Heiden waren – zu missionieren. Dieses Ziel verfolgt auch Winfried, als er 716 nach Friesland fährt. Aber seine Aktion scheitert. Was war der Grund dafür?
    Von Padberg: Zunächst einmal muss man sagen, dass das ein persönlich anrührender Aspekt ist, dass die Angelsachsen ganz offensichtlich danach strebten, Ihren Stammesverwandten – vornehmlich den sogenannten Alt-Sachsen – auch das Christentum zu bringen. Es gibt eine ganze Reihe von Zeugnissen darüber, dass zum Gebet aufgerufen wurde für die Alt-Sachsen und dass Missionsunternehmungen gestartet wurden. Bonifatius hatte ja, als er 716 nach Friesland ging, schon eine mehrere Jahrzehnte dauernde Karriere als Mönch, als Diplomat auf dem kirchlichen Parkett und schließlich auch als Abt inne. Aber offensichtlich reichte ihm das nicht. Er ist – ohne dass wir das in den Quellen direkt erheben können – davon getrieben gewesen, das Evangelium anderen Menschen zu bringen. Und deshalb ist er – übrigens ganz auf eigene Initiative hin – nach Friesland gezogen und ist dort auf einen sehr energischen Heidenherzog namens Radbod gestoßen. Ob der wirklich so viel gegen das Christentum hatte, das wissen wir gar nicht. Aber er wusste, wenn er sich zu der neuen Religion hinwenden würde, wäre das gleichbedeutend mit der Integration in das christlich-fränkische Reich. Da er aber seine politische Selbstständigkeit erhalten wollte, hat er sich dagegen gestellt. Dadurch hatte auch Bonifatius schlechte Karten und musste diesen Missionsversuch abbrechen und ist zurück nach England gefahren.
    Achenbach: Also es war ein ungünstiger Zeitpunkt für Winfried Bonifatius in dem Zusammenhang. Er kehrt nach England zurück – Sie haben es gerade gesagt. Er wurde zum Abt gewählt. Aber er hat seine Missionspläne dann ja gar nicht aufgegeben, sondern im folgenden Jahr schon bricht er wieder zu einer Reise auf den Kontinent auf. Überraschenderweise führt sein Weg jetzt zuerst nach Rom
    Von Padberg: Also, dass er zum Abt gewählt worden ist, war für ihn offensichtlich nicht einfach. Man musste ihn überreden. Er hat dann seine Missionspläne nach 716 nie aufgegeben. Und hat dann gleich die erstbeste Gelegenheit gesucht, an das Abbatiat einem Nachfolger zu übergeben, und ist dann – aber besser geplant – auf den Kontinent gewechselt. Er sollte übrigens nie wieder in seine Heimat zurückkehren. Er hat sich gesagt, jetzt versuche ich es nicht allein, sondern ich hole mir Rückendeckung beim Papst in Rom, lasse mich beauftragen mit der Mission, lasse mir Empfehlungsschreiben mitgeben, nehme dann Kontakt zu den Herrschern auf und versuche so, geordneter an die Sache heranzugehen.
    Achenbach: Was ihm ja auch gelungen ist, denn Gregor II. ernennt ihn offiziell zum Missionar bei den Germanen. Die erste Station für diesen Heidenmissionar Bonifatius war Thüringen. Welche Situation hat er dort angetroffen?
    Von Padberg: Man muss sich vorstellen, dass in der nordöstlichen Randzone der Frankenreiches, dessen Zentrum damals ja rechtsrheinisch lag, Völker existierten, die – integriert in das Frankenreich – noch eine Mischbevölkerung hatten, die waren zum Teil christlich, zum Teil waren sie noch rein heidnisch, zum Teil hatten sie einen gemischten Glauben. Offiziell folgten sie dem Christen-Gott, aber in ihren praktischen Lebensvollzügen haben sie noch sehr viele heidnische Bräuche verfolgt. Das war natürlich ein großes Problem. Er fehlte auch an einer durchorganisierten Kirche. Längst nicht in jedem Dorf war ein Priester. Deshalb gab es dort für Bonifatius viel zu tun.
    Achenbach: Viel zu tun für Bonifatius – Sie sagen es, der sich in dieser Zeit wohl auch schon so nennt und den Namen Winfried eigentlich abgelegt hat. Wie kam es zu diesem Namenswechsel?
    Von Padberg: Das ist ein bisschen später. Im Jahre 722, 723 ist er zum zweiten Mal nach Rom gezogen. In der Zwischenzeit, also zwischen Thüringen, was wir eben erwähnten, und diesem zweiten Rom-Zug ist er noch einmal in Friesland gewesen und hat dort mit einem älteren Kollegen Willibrord, auch ein Engländer, zusammengearbeitet. Aber offensichtlich waren die beiden ziemlich starke Persönlichkeiten und sind etwas aneinandergeraten über die richtige Methode. Die Quellen verschleiern das. Jedenfalls hat Bonifatius sich zurückgezogen, ist dann noch einmal nach Rom gezogen und ist jetzt zum Bischof geweiht worden, allerdings ohne einen festen Amtssitz, mit dem Ziel zu missionieren und auch in der fränkischen Kirche reformierend zu wirken. Er war damals üblich, dass bei einer solchen Bischofserhebung in Rom die betreffende Person einen neuen Namen bekam. Das war dann meist der Heilige des Vortages. Und so war es auch hier. Er bekam den Namen Bonifatius. Der eigentliche Bonifatius ist ein Märtyrer aus dem 3. Jahrhundert, von dem wir relativ wenig wissen. Interessant ist, dass Bonifatius von da an seinen Geburtsnamen Winfried fast nie mehr benutzt hat. Er verstand sich jetzt ganz stark als ein Mann des Papstes.
    Achenbach: Das heißt also der Namen drückte auch eine besondere Verbundenheit mit dem Papst in Rom aus.
    Von Padberg: Das kann man so sagen und das ist Zeit seines Lebens so geblieben. Immerhin hatte er unter vier verschiedenen Päpsten gedient.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.