Christoph Schmitz: Die Drehung der Erde um sich selbst hat ihren ökonomischen Schwung verloren. Die Kauflaune ist vergangen. Das Produktionskarussell lahmt, die Kassen sind verschlossen. Nur auf der Kunstmesse von Maastricht scheint die Welt noch in Ordnung zu sein. Erste Millionengeschäfte melden Galeristen nach dem Eröffnungswochenende. Auffallend seien starke Verkäufe besonders im oberen Preissegment, lässt die Messe verlauten. Zwar kamen bisher weniger Gäste, aber Kunsthändler sprachen von Kunst als neuer Währung in Krisenzeiten. Peter Paul Rubens' "Porträt einer jungen Frau" (Anmerkung der Online-Redaktion: Es handelt sich um das "Porträt eines jungen Mannes") ging für knapp fünf Millionen Euro an einen Privatsammler, ein Basquiat wechselte für 3,5 Millionen, ein Kandinsky für 1,2 Millionen Euro den Besitzer. Stefan Koldehoff, von der Krise keine Spur, was neue und alte Malerei angeht?
Stefan Koldehoff: Ja, das muss man, glaube ich, jedenfalls für die alte Malerei so sagen. Und es bestätigt eigentlich einen Trend, der sich vor einigen Wochen schon bei den großen Altmeister-Auktionen von Sotheby's und Christie's so abgezeichnet hat, dass nämlich die Sammler offenbar nach wie vor bereit sind, für sehr, sehr qualitätsstarke Gemälde der Altmeister, aber auch der klassischen Moderne – also Expressionismus, Impressionismus – nach wie vor sehr, sehr hohe Beiträge zu bezahlen, auf der anderen Seite aber gleichzeitig die zeitgenössische Kunst sehr stark zurückgeht. Ich habe in Maastricht mit einem Kunsthändler gesprochen aus New York, der mir erzählt hat, dass beispielsweise Galerien wie Jeffrey Deitch oder Gagosian oder Wildenstein Contemporary so gut wie nichts mehr verkaufen im Moment. Das heißt, die Zeiten, in denen beispielsweise für Arbeiten von Damien Hirst oder Jeff Koons enorme Summe gezahlt wurden, die sind offenbar vorbei. Man setzt auf Sicherheit.
Schmitz: Das heißt, das Vertrauen der Investoren und Kapitalanleger ist vom Dollar, vom Euro, vom Gold in die Kunst, in die alte Kunst, also in die etablierte Moderne, klassische Moderne rübergewechselt.
Koldehoff: Aber eben nur in solche Werke, von denen man sicher sein kann, dass, wenn man sie jetzt eine Zeitlang liegen lässt, wo auch immer, dass man die, wenn man sie in fünf bis zehn Jahren wieder rausholt, auch noch enorme Preise dafür erzielen kann, also im Gegensatz zum Dollar eine durchaus stabile Währung.
Schmitz: Ist die Wirtschaftskrise der Grund dafür?
Koldehoff: Eigentlich nicht direkt. Der Grund, den verschiedene Kunsthändler hinter vorgehaltener Hand nennen, ist eigentlich ein ganz erstaunlicher: Man erinnert sich ja daran, dass vor einigen Wochen schon Schweizer Banken von der US-Regierung dazu gezwungen worden sind, mit dem Bankenschutzgesetz jedenfalls teilweise aufzuhören, also das Bankgeheimnis zu lockern. Wenn man jetzt auf der anderen Seite weiß, dass vor allen Dingen amerikanische Anleger – durchaus auch europäische, aber vor allen Dingen amerikanische – enorme Summen an Schwarzgeld auf Schweizer Banken deponiert hatten – Österreich, Luxemburg, Liechtenstein haben ja inzwischen nachgezogen mit der Lockerung der Gesetze –, dann haben diese Anleger ein ganz massives Problem. Die müssen entweder demnächst ihren Steuerbehörden erklären, wie denn dieses Geld auf die Schweizer Banken kommt, oder aber, sie müssen dieses Geld relativ schnell verschwinden lassen. Und das ist beispielsweise möglich, indem man es jetzt einfach abhebt, damit nach Maastricht fährt und teure Kunstwerke dafür kauft.
Schmitz: Kann es denn sein, also dass diese Investoren so schnell reagieren?
Koldehoff: Ich halte das für sehr plausibel. Es gab vor drei Wochen schon enorme Fragezeichen, als plötzlich bei der Auktion der Sammlung von Yves Saint Laurent Preise erzielt wurden, die niemand für möglich gehalten hätte angesichts der Krise. Wenn Sie jetzt aber überlegen, dass Sie da beispielsweise für 20 Millionen einen fantastischen Henri Matisse kaufen konnten, den jetzt möglicherweise im Züricher Zollfreilager einfach für zehn Jahre ruhen lassen, bis dahin sind dann verschiedene Steuerdelikte vielleicht verjährt, und dann können Sie das Bild ganz normal in die USA einführen und dort wieder verkaufen, dann macht das Ganze einen Sinn. Da dient plötzlich die Kunst als Geldwäsche.
Schmitz: Im Yves-Saint-Laurent-Fall war noch nicht klar, dass die internationale Gemeinschaft so großen Druck ausüben würde, dass es jetzt zu Gesetzesveränderungen, zur Lockerung des Bankgeheimnisses führen würde. Oder schwebte das schon im Raum?
Koldehoff: Für die Schweiz zeichnete sich das schon ab, dort sind Banken so massiv unter Druck gesetzt worden, dass die US-Regierung gesagt hat, wenn ihr uns jetzt nicht folgt, dann machen wir eure Filialen dicht in den USA. Die anderen Ländern, wie gesagt, haben jetzt erst nachgezogen.
Schmitz: Eine kurze Frage und eine kurze Antwort bitte: Reagiert der Kunstmarkt immer so schnell auf politische Veränderungen?
Koldehoff: Wenn's ums Geld geht, auf jeden Fall, ansonsten ist er ein eher träges Tier.
Schmitz: Stefan Koldehoff, vielen Dank für das Gespräch über den Kunstmarkt in Zeiten des gelockerten Bankgeheimnisses.
Stefan Koldehoff: Ja, das muss man, glaube ich, jedenfalls für die alte Malerei so sagen. Und es bestätigt eigentlich einen Trend, der sich vor einigen Wochen schon bei den großen Altmeister-Auktionen von Sotheby's und Christie's so abgezeichnet hat, dass nämlich die Sammler offenbar nach wie vor bereit sind, für sehr, sehr qualitätsstarke Gemälde der Altmeister, aber auch der klassischen Moderne – also Expressionismus, Impressionismus – nach wie vor sehr, sehr hohe Beiträge zu bezahlen, auf der anderen Seite aber gleichzeitig die zeitgenössische Kunst sehr stark zurückgeht. Ich habe in Maastricht mit einem Kunsthändler gesprochen aus New York, der mir erzählt hat, dass beispielsweise Galerien wie Jeffrey Deitch oder Gagosian oder Wildenstein Contemporary so gut wie nichts mehr verkaufen im Moment. Das heißt, die Zeiten, in denen beispielsweise für Arbeiten von Damien Hirst oder Jeff Koons enorme Summe gezahlt wurden, die sind offenbar vorbei. Man setzt auf Sicherheit.
Schmitz: Das heißt, das Vertrauen der Investoren und Kapitalanleger ist vom Dollar, vom Euro, vom Gold in die Kunst, in die alte Kunst, also in die etablierte Moderne, klassische Moderne rübergewechselt.
Koldehoff: Aber eben nur in solche Werke, von denen man sicher sein kann, dass, wenn man sie jetzt eine Zeitlang liegen lässt, wo auch immer, dass man die, wenn man sie in fünf bis zehn Jahren wieder rausholt, auch noch enorme Preise dafür erzielen kann, also im Gegensatz zum Dollar eine durchaus stabile Währung.
Schmitz: Ist die Wirtschaftskrise der Grund dafür?
Koldehoff: Eigentlich nicht direkt. Der Grund, den verschiedene Kunsthändler hinter vorgehaltener Hand nennen, ist eigentlich ein ganz erstaunlicher: Man erinnert sich ja daran, dass vor einigen Wochen schon Schweizer Banken von der US-Regierung dazu gezwungen worden sind, mit dem Bankenschutzgesetz jedenfalls teilweise aufzuhören, also das Bankgeheimnis zu lockern. Wenn man jetzt auf der anderen Seite weiß, dass vor allen Dingen amerikanische Anleger – durchaus auch europäische, aber vor allen Dingen amerikanische – enorme Summen an Schwarzgeld auf Schweizer Banken deponiert hatten – Österreich, Luxemburg, Liechtenstein haben ja inzwischen nachgezogen mit der Lockerung der Gesetze –, dann haben diese Anleger ein ganz massives Problem. Die müssen entweder demnächst ihren Steuerbehörden erklären, wie denn dieses Geld auf die Schweizer Banken kommt, oder aber, sie müssen dieses Geld relativ schnell verschwinden lassen. Und das ist beispielsweise möglich, indem man es jetzt einfach abhebt, damit nach Maastricht fährt und teure Kunstwerke dafür kauft.
Schmitz: Kann es denn sein, also dass diese Investoren so schnell reagieren?
Koldehoff: Ich halte das für sehr plausibel. Es gab vor drei Wochen schon enorme Fragezeichen, als plötzlich bei der Auktion der Sammlung von Yves Saint Laurent Preise erzielt wurden, die niemand für möglich gehalten hätte angesichts der Krise. Wenn Sie jetzt aber überlegen, dass Sie da beispielsweise für 20 Millionen einen fantastischen Henri Matisse kaufen konnten, den jetzt möglicherweise im Züricher Zollfreilager einfach für zehn Jahre ruhen lassen, bis dahin sind dann verschiedene Steuerdelikte vielleicht verjährt, und dann können Sie das Bild ganz normal in die USA einführen und dort wieder verkaufen, dann macht das Ganze einen Sinn. Da dient plötzlich die Kunst als Geldwäsche.
Schmitz: Im Yves-Saint-Laurent-Fall war noch nicht klar, dass die internationale Gemeinschaft so großen Druck ausüben würde, dass es jetzt zu Gesetzesveränderungen, zur Lockerung des Bankgeheimnisses führen würde. Oder schwebte das schon im Raum?
Koldehoff: Für die Schweiz zeichnete sich das schon ab, dort sind Banken so massiv unter Druck gesetzt worden, dass die US-Regierung gesagt hat, wenn ihr uns jetzt nicht folgt, dann machen wir eure Filialen dicht in den USA. Die anderen Ländern, wie gesagt, haben jetzt erst nachgezogen.
Schmitz: Eine kurze Frage und eine kurze Antwort bitte: Reagiert der Kunstmarkt immer so schnell auf politische Veränderungen?
Koldehoff: Wenn's ums Geld geht, auf jeden Fall, ansonsten ist er ein eher träges Tier.
Schmitz: Stefan Koldehoff, vielen Dank für das Gespräch über den Kunstmarkt in Zeiten des gelockerten Bankgeheimnisses.