Archiv

Boost für Krebsbehandlungen
Bakteriophagen machen Immuntherapien effektiver

Die Bakteriengemeinschaft im menschlichen Darm ist lebenswichtig. Gerät sie aus dem Gleichgewicht, werden wir krank. Auch den Verlauf von Krebsleiden beeinflusst die Darmflora - und entscheidet bei Immuntherapien offenbar mit über deren Erfolg, wie Forscher jetzt zeigen konnten.

Von Christine Westerhaus |
Eine 3D-Illustration von Bakteriophagen-Viren, die Bakterien attackieren.
3D-Illustration von Bakteriophagen: Ein bestimmter Typ dieser Viren attackiert gezielt Enterococcus-Bakterien - und hilft dem Immunsystem bei der Bekämpfung von Tumorzellen (imago images / Westend61)
Immuntherapien können bei der Krebsbekämpfung eine echte Wunderwaffe sein. Bei einer solchen Behandlung wird das Immunsystem der Patienten auf bestimmte Marker gerichtet, die auf der Oberfläche von Krebszellen sitzen. Das Immunsystem erkennt diese Marker und greift die Tumorzellen an. Bei manchen Patienten schlägt diese Immuntherapie so gut an, dass der Krebs dauerhaft besiegt werden kann. Doch bei anderen zeigt die Behandlung keinen Effekt. Warum, war lange Zeit ein Rätsel.
Eine Untersuchung von Conrad Rauber von der Universität Heidelberg liefert jetzt Hinweise: "Zu dieser Studie gibt es einige Vorarbeiten, wo man festgestellt hat, dass Patienten, die Antibiotika genommen haben und danach eine Immuntherapie für einen Krebs erhalten haben, auf diese Immuntherapie schlechter angesprochen haben."
Die Darmflora beeinflusst den Erfolg von Immuntherapien
Diese Beobachtung brachte Conrad Rauber und seine Kollegen auf die Spur der Darmbakterien: "Man hat dann daraufhin den Darminhalt der Patienten untersucht und festgestellt, dass die Patienten, die schlechter ansprachen, eine geringere Vielfalt von Bakterienspezies im Darm aufwiesen. Man konnte dann verschiedene einzelne Bakterienspezies identifizieren, die verbunden waren mit einem guten Ansprechen auf eine Krebsimmuntherapie."
Einen dieser Bakterienstämme – Enterococcus hirae - haben die Forscher nun weiter untersucht. Diese Spezies wird häufig von so genannten Bakteriophagen infiziert. So werden Viren genannt, die ausschließlich Bakterien befallen. Wenn Bakterienzellen mit diesen Bakteriophagen infiziert sind, bilden sie auf ihrer Oberfläche bestimmte Strukturen aus. Diese auch Antigene genannten Strukturen kann das Immunsystem erkennen und die Zelle dann angreifen. Zufällig besitzen Krebszellen genau dieselben Strukturen auf ihrer Oberfläche, wie infizierte Enterokokkus-Bakterien. Wenn Patienten diese in ihrem Darm haben, könne ihr Immunsystem Krebszellen vermutlich besser als fremd erkennen und angreifen, sagt Cornad Rauber.
Krebszellen besitzen dieselben Oberflächenstrukturen wie infizierte Enterokokken
"Also wir glauben, dass dadurch das Immunsystem schon von dem Bakterium, das mit der Bakteriophage infiziert ist, trainiert wird. Und wenn sich dann nachher ein Tumor entwickelt, es schon eine spezifische Immunität des Wirtes gegen den Tumor gibt, die man weiter mit Immuntherapien verstärken kann."
In Versuchen mit Mäusen konnten die Forscher zeigen: Wenn die Tiere vor einer Immuntherapie mit Bakteriophagen behandelt wurden, wirkte die Tumorbehandlung deutlich besser. Und auch beim Menschen gibt es Hinweise, dass Bakteriophagen Immuntherapien gegen Krebs unterstützen. Untersuchungen haben gezeigt: Wenn diese Viren im Stuhl von Patienten mit Lungen- oder Nierenkrebs nachweisbar waren, wirkte die Immuntherapie deutlich besser.
Zwei Wege zum Training des Immunsystems
"Prinzipiell gibt es zwei Möglichkeiten, die Forschungsergebnisse umzusetzen, um Krebsimmuntherapien zu verbessern. Das eine wäre natürlich das Einbringen des Bakteriums, was schon mit einer Bakteriophage infiziert ist. Auf der anderen Seite wäre auch denkbar, dass man die Bakteriophage in den Patienten einbringt, diese dann im Darm die Bakterien infiziert und somit das passende Antigen zu dem Krebs in den Patienten einbringt."
Allerdings ist unklar, wann eine solche Bakteriophagenkur als Arzneimittel erhältlich sein wird. Deutlich näher an der klinischen Anwendung ist aber ein anderer Weg, körpereigene Bakterien in der Krebstherapie zu nutzen. Anstelle einzelner Bakterien übertragen Forscher einfach die komplette Mikrobengemeinschaft von einem Patienten auf den nächsten.
Näher an der klinischen Praxis: Stuhltransplantationen
"Und zwar gibt es zwei Studien - eine läuft in Kanada und eine Israel -, die Stuhltransplantationen untersuchen. Also Patienten erhalten zum Zeitpunkt des Beginns der Immuntherapie eine Stuhltransplantation von einem anderen Patienten, der gut angesprochen hat auf eine Krebsimmuntherapie. Und die Idee ist, dass man damit das Ansprechen auf die Patienten, die die Stuhltransplantation erhalten, transferieren kann."
Ob das funktioniert, wird sich zeigen, wenn die Studienergebnisse veröffentlicht werden. Klar ist aber schon jetzt: Stuhltransplantationen sind wirksam. Sie werden schon erfolgreich bei Patienten mit chronischem Durchfall eingesetzt und helfen womöglich auch bei entzündlichen Darmerkrankungen.