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Bootsflüchtlinge vor Malta
Kein Hafen in Sicht

Vor Malta warten 49 Bootsflüchtlinge darauf, dass Europa über ihr Schicksal entscheidet. Die Mitgliedsstaaten streiten weiter über die Aufnahme der Menschen. Die Situation für die Flüchtlinge an Bord der beiden Schiffe wird derweil immer dramatischer.

Von Holger Beckmann | 08.01.2019
    Migranten auf der MS Aquarius von SOS Mediterranee auf dem Meer vor Sizilien gebracht | picture alliance | Verwendung weltweit
    Die "Seawatch-3" und "Professor Albrecht Penck" sind nicht die ersten beiden Boote mit Flüchtlingen an Bord, um die es ein großes Gezerre und Geschiebe gibt (picture alliance)
    Eigentlich müsste die Europäische Union schon einiges an Übung haben, wenn es darum geht, im Mittelmeer aus Seenot gerettete Flüchtlinge auf einzelne Mitgliedsstaaten zu verteilen. Aber mit jedem neuen Schiff mit solchen Menschen an Bord, das einen rettenden Hafen sucht, geht das Gezerre wieder von vorne los. Wer nimmt sie auf, wer weigert sich, welche Bedingungen werden gestellt?
    Dieses Mal geht es um 49 Schicksale auf zwei Schiffen. Eines davon ist die "Seawatch-3" der gleichnamigen internationalen Hilfsorganisation, das andere heißt "Professor Albrecht Penck", es wird von einem deutschen Hilfsbündnis aus Regensburg betrieben. Beide liegen vor der maltesischen Küste, aber der Inselstaat verweigert bislang die Einfahrt in einen seiner Häfen.
    Die Fraktionschefin der Grünen im Europäischen Parlament, Ska Keller, ist gerade dort gewesen, um sich einen Eindruck von der Situation der Menschen an Bord zu machen. Es ist – kein guter. Viele seien psychisch und physisch an der Grenze ihrer Belastbarkeit oder krank – es fehlt an Toiletten, Betten, Wechsel-Wäsche. Seit über zwei Wochen gehe das schon so:
    Wir als Beobachter konnten zum Boot fahren und wieder abreisen, und das ist für die Geretteten eine sehr belastende Situation, psychisch und auch physisch, auch durch die Seekrankheit, die immer noch viele befällt.
    EU-Kommission bisher diplomatisch erfolglos
    Denn das Mittelmeer ist stürmisch um diese Jahreszeit mit massivem Seegang. Seawatch-Crewmitglied Robin Jenkins beschreibt das so:
    Die Menschen bei uns an Bord, sagt er, beginnen sich nun tatsächlich sehr, sehr schlecht zu fühlen und warten verzweifelt auf eine Lösung.
    Doch die ist nach wie vor nicht in Sicht. Malta will die Menschen nicht aufnehmen, jedenfalls nicht allein; widersprüchliche Signale kommen aus Italien – dort hatte die rechtspopulistische Regierung erklärt, möglicherweise dürften Frauen und Kinder italienisches Festland betreten, doch offiziell wurde bislang keine Aufnahmebereitschaft signalisiert. Aus den Niederlanden hieß es, man sei bereit, einige der Flüchtlinge aufzunehmen, aber keineswegs im Alleingang.
    Der Sprecher der EU-Kommission in Brüssel, Margaretis Shinas, sagte in Brüssel, dass es intensive diplomatische Bemühungen gebe – bislang aber noch ohne Erfolg. Und er verband das mit einem dringenden Appell an die Mitgliedsstaaten:
    Mehr Solidarität der Mitgliedsstaaten sei notwendig, so Shinaz. Und nach einer kurzen Pause fügt er hinzu: Er sei froh darüber, dass Papst Franziskus ebenfalls ausdrücklich eine schnelle Lösung für die Menschen angemahnt habe.
    Verantwortungs-Pingpong
    Man fühlt sich bei alledem wieder an das vergangene Jahr erinnert, als die EU auch immer wieder nach einem Platz für aus Seenot gerettete Bootsflüchtlinge suchte. Und deshalb schließt sich auch die Grüne Ska Keller dem Appell der Kommission an und sagt:
    "Von der Kommission brauchen wir jetzt Koodinierung, aber die Verantwortung liegt jetzt bei den Mitgliedsstaaten."
    Die wiederum spielen den Ball gerne nach Brüssel zurück. Regierungssprecher Steffen Seibert sprach sich gestern für eine dauerhafte und solidarische europäische Lösung aus – dafür allerdings müssten die Mitgliedsstaaten zu solcher Solidarität auch bereit sein. Zum Beispiel auch Deutschland, sagt Ska Keller:
    "Es hängt jetzt wirklich an Bundesinnenminister Horst Seehofer, denn es haben sich Kommunen und Bundesländer bereits zur Aufnahme der Menschen bereit erklärt. Diese Situation ist jedenfalls untragbar – und das vor den Toren der europäischen Union."
    Und so geht die Suche nach einem Platz für die 49 Bootsflüchtlinge weiter.