Es war ein Moment für Europas Geschichtsbücher. Seit Stunden waren zwei Mikrofone vor dem Amtssitz des Luxemburger Ministerpräsidenten aufgebaut. Drinnen saßen Xavier Bettel und Boris Johnson eine Stunde lang beisammen. Anschließend wollten sie Statements abgeben, so war es angekündigt. Deshalb die Mikros. Vor dem Zaun warteten ein paar Dutzend Demonstranten auf Johnson. Dann öffnete sich die Tür - und Boris Johnson stahl sich davon.
Eine groteske Situation
Bettel begleitete seinen Besucher noch zu dessen Limousine und ging dann allein ans Mikrofon. Eine groteske Situation. Und Bettel war sich dessen bewusst. Erst quittierte Bettel die Flucht seines Besuchers noch mit Lachen, kurz drauf aber platzte ihm der Kragen: Der Brexit sei nicht seine Idee gewesen, und er bedaure ihn zutiefst. Und dann verwahrte er sich aber dagegen, dass der EU nun der Schwarze Peter zugesteckt werde, nur weil "die" nicht mehr wissen, wie sie aus dieser verfahrenen Situation rauskommen sollen.
Und beinahe wäre Bettel ein Wort mit "S" rausgerutscht, das für Ministerpräsidenten als unschicklich gilt. Schon drei Stunden zuvor war Boris Johnson in Luxemburg von den Demonstranten empfangen worden. Da kam der britische Premierminister gerade vom Mittagessen mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Zu diesem Zeitpunkt noch fröhlich winkend. Die Ergebnisse seines Gespräches mit Juncker können eigentlich kaum zu seiner guten Stimmung beigetragen haben. Gemeinsam mit ihren Brexit-Chefunterhändlern Michel Barnier und Stephen Barclay hatten sich Juncker und Johnson in einem Luxemburger Restaurant getroffen.
Johnson soll Lösung im Streit um Backstop liefern
Die anschließende Mitteilung der EU-Kommission machte deutlich, dass das Treffen inhaltlich nichts Neues erbracht hatte. Juncker habe Johnson daran erinnert, dass es die Verantwortung des Vereinigten Königreichs sei, eine rechtlich umsetzbare Lösung im Streit um den sogenannten Backstop zu präsentieren, so heißt es in einer mageren, 14-zeiligen Mitteilung, die nach dem Treffen von der Kommission verteilt wurde.
Und dann folgt der Satz, der klar macht, wie weit beide Seiten nach wie vor von einem Deal entfernt sind: So ein Vorschlag, heißt es da, sei bislang nicht unterbreitet worden. Am späten Nachmittag, nachdem er den Demonstranten entkommen war, meldete sich auch Boris Johnson noch zu Wort. Ein Deal sei noch nicht im Sack, sagte er englischen Journalisten, aber er sehe dessen Umrisse bereits. Allerdings sei noch harte Arbeit nötig. Und die EU müsse sich bewegen.