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Boris Johnson in Schottland
Deutlicher Widerstand gegen den No-Deal-Brexit

Der Antrittsbesuch des neuen britischen Premierministers Boris Johnson in Schottland war von lautstarken Protesten begleitet. Denn gerade dort sind die Widerstände gegen seinen "Brexit ohne Wenn und Aber" massiv. Das machte ihm auch Regierungschefin Nicola Sturgeon noch einmal klar.

Von Korbinian Frenzel |
Die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon begrüßt den britischen Premierminister Boris Johnson in Edinburgh
Boris Johnson zu Besuch bei der schottischen Regierungschefin Nicola Sturgeon (dpa / PA Wire / Jane Barlow)
Es ist die erste offizielle Reise des neuen Premierministers, bewusst nicht ins Ausland, sondern ins Inland, doch Boris Johnsons Visite in Schottland dürfte sich wie ein Besuch auf fremdem Terrain anfühlt haben. Proteste bei Ankunft des Premierministers in Glasgow, hunderte Menschen rufen: Boris, raus. Einer der Initiatoren, Jonathan Shani, sagt, das heute sei erst der Anfang einer Reihe von Protesten:
"Sie werden deutlich machen, dass wir nicht bereits sind, von Boris Johnson fremdbestimmt zu werden – er hat kein demokratisches Mandat, er ist nur von Tory-Mitgliedern bestimmt worden."
Stimmen der Straße, die von offizieller Seite kaum anders klingen. Nicola Sturgeon, die schottische Premierministerin von der Scottish National Party, macht schon vor Johnsons Ankunft via Twitter klar: Das schottische Volk habe diese Tory Regierung nicht gewählt, sie hätten diesen Premierminister nicht gewählt, sie hätten den Brexit nicht gewählt – und ganz sicher hätten sich nicht für einen katastrophalen No-Deal-Brexit gestimmt, wie ihn Boris Johnson jetzt plane.
Die Schotten sind erbost
Die schottische Politik – quer durch alle Reihen – ist vor allem darüber erbost: die Ankündigung der neuen London Regierung, am 31. Oktober definitiv aus der EU auszutreten, koste es, was es wolle – so hatte es der neue Brexit-Minister Michael Gove am Wochenende noch einmal bekräftigt. Johnsons Regierung, so die Ankündigung heute morgen, lenke ab jetzt alle Energie auf die Vorbereitung des No-Deal-Brexit.
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Bei seinem Besuch in Schottland versuchte der Premierminister zu beruhigen:
"Ich will keinen No-Deal-Brexit, darauf zielen wir nicht ab. Aber wir müssen auch sehen, dass uns die letzten drei Jahre erzählt wurde, rien ne va plus, nichts geht mehr, der Deal ist geschlossen und kann nicht verändert werden… ich habe daran meine Zweifel."
Wir werden weiter mit den europäischen Partnern verhandeln – und zu den nötigen Schlüssen kommen, so Johnson in Glasgow. Mit dabei hatte der neue Premier ein Geldversprechen. 300 Millionen Pfund, um Brexit-Folgen für Schottland, Wales und Nordirland abzufedern.
Drohung mit Unabhängigkeitsabstimmung
100.000 Jobs könnten allein in Schottland verloren gehen, hielt dem die schottische Premierministerin entgegen. Sturgeon bekräftige heute noch einmal: Sollte es zum No-Deal-Brexit kommen, will sie ihre Landsleute erneut über die Unabhängigkeit Schottlands abstimmen lassen - mit dem Ziel, dann als unabhängiges Land in der EU bleiben zu können.
Widerstand gegen die No-Deal-Pläne der neuen Londoner Regierung kommen derzeit nicht nur aus dem Norden des Vereinigten Königreiches. Auch die Wirtschaft schlägt heute Alarm. Der Verband der Britischen Industrie (CBI) warnte, weder Großbritannien noch die EU seien hinreichend auf einen Austritt ohne Regelwerk vorbereitet. Und selbst wenn dies noch gelänge, würde viel Schaden entstehen. Nicole Sykes, beim Wirtschaftsverband für die Verhandlungen mit der EU zuständig, versuchte es mit einem Bild: "Es ist, als ob man sein Haus mit Sandsäcken auf eine Flut vorbereitete", so Sykes. "Ihre Küche wird dennoch unter Wasser gesetzt, aber vielleicht können wir die Schlafzimmer darüber retten."