Als für die britischen Bürgerinnen im Corona-Lockdown strenge Beschränkungen galten, veranstaltete er Feiern in seinem Regierungssitz in der Downing Street: Während der „Partygate“-Skandal Boris Johnson weiter unter Druck setzt, will der britische Premierminister einem Bericht der „Sunday Times“ zufolge mit einer Reihe von "populistischen Ankündigungen" um die Wählergunst werben. Der Plan soll den Titel „Operation Red Meat“ tragen: „Operation Rotes Fleisch“. Unter anderem soll die BBC-Finanzierung reformiert werden – ein Vorhaben, das die Konservativen in Großbritannien schon lange debattieren.
Was genau plant Johnson aktuell mit der BBC?
Die britische Regierung hat den britischen Bürgerinnen und Bürgern in Aussicht gestellt, ihnen die Rundfunkbeiträge für die BBC zu erlassen: Kulturministerin Nadine Dorries kündigte am 16. Januar an, die Gebühren ab 2027 ganz streichen zu wollen. „Die Tage sind vorbei, an denen älteren Menschen mit Haftstrafen gedroht wird und Gerichtsvollzieher an Türen klopfen“, twitterte sie. Sie begründet den Schritt auch mit der verstärkten Bedeutung von Streamingdiensten wie Netflix.
Zudem sollen die Beiträge in den kommenden zwei Jahren trotz der hohen Inflationsrate in Großbritannien zunächst einmal nicht steigen, in den drei Jahren darauf nur etwas, doch danach „sei Schluss“. Künftig solle sich die BBC durch Abo-Modelle und eine Teilprivatisierung finanzieren.
Die Rundfunkabgabe wird schon seit Jahren in Großbritannien diskutiert und ist vor allem den Konservativen ein Dorn im Auge. Johnson hatte schon im Wahlkampf 2019 angekündigt, das Gebührensystem überarbeiten zu wollen. Zwischenzeitlig war die Altersgruppe der über 75-Jährigen von den Gebühren befreit.
Was würde das für die BBC bedeuten?
Aktuell müssen die Britinnen und Briten in der Regel pro Jahr 159 Pfund pro Haushalt (ca. 190 Euro) „licence fee“ für ihren öffentlich-rechtlichen Rundfunk zahlen. Wer rundfunkgebührenpflichtig ist und trotzdem nicht zahlt, begeht eine Straftat - die im schlimmsten Fall ins Gefängnis führen kann.
Insgesamt kommen dabei für die BBC jährlich 3,2 Milliarden Pfund (ca. 3,83 Milliarden Euro) zusammen – der Grundpfeiler ihrer Finanzierung. Eine Abschaffung der Beiträge hätte also massive Folgen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Großbritannien: tausende Jobs müssten gestrichen und mehrere Programme und Spartenkanäle eingestellt werden.
Wie sind die Reaktionen auf Johnsons Pläne?
Die britische Opposition reagierte empört auf Pläne der britischen Regierung. Johnson wolle mit dem Vorhaben nur von seinen Verfehlungen ablenken, kritisierte die Labour-Partei. Labour-Expertin Lucy Powell warf der Regierung im Sender Talk Radio „Kulturvandalismus“ vor. Im Zuge des „Partygate“ fordern die Labour-Partei aber auch mehrere konservative Abgeordnete Johnsons Rücktritt.
Viele Tory-Wähler, die rechte Parteibasis und zahlreiche Konkurrenzmedien teilen die Kritik an der BBC hingegen, berichtet Korrespondentin Christine Heuer.
Wie ist die Stimmung in Großbritannien, was die BBC angeht?
International ist das Image der BBC auch durch ihre Auslandsberichterstattung sehr gut – weltweit gilt sie als Vorbild für freien und qualitativen Journalismus. Doch in Großbritannien ist die BBC schon seit den 70er-Jahren immer wieder umstritten - vor allem der Aspekt ihrer Finanzierung.
Viele Bürgeinnen und Bürger klagen über die Höhe der Rundfunkgebühren, so Korrespondentin Heuer. Gerade junge Mediennutzer würden sich fragen, warum sie für einen Sender bezahlen sollten, den sie gar nicht einschalteten. Aber auch inhaltlich gebe es derzeit Kritik: Die regierenden Tories fänden, dass die BBC nicht unabhängig berichte, sondern die Konservativen gezielt angreife.
Im Rahmen der Operation "Rotes Fleisch" sei die angekündigte Abschaffung der Rundfunkggebühren daher auch "nicht der schwächste Posten" von Boris Johnson, schätzt Heuer.