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Bornheim
Stadt informiert Flüchtlinge über Karneval

Einen Crashkurs in Sachen Karneval hat die Stadt Bornheim für Flüchtlinge angeboten. Es wurden die ungeschriebenen Regeln der obskuren Tage erklärt und vor einem falschen Verständnis von Bützen, Schunkeln und Tanzen gewarnt.

Von Manfred Götzke |
    Ein als "Donald Duck" verkleideter Mann beim Fastnachtsstart in Mainz
    "Der obskure Karneval muss erklärt werden", sagte Markus Schnapka, der Sozialdezernent Bornheims. (picture alliance / dpa)
    "Karneval beginnt fast überall am Altweiber-Donnerstag um 11.11 Uhr ab dann werden ausgelassene Feste gefeiert, die Leute tanzen auf der Straße."
    Sozialarbeiter Aler Sander schiebt sich seine Brille auf der Nase zurecht, schaut wieder kurz auf sein Handout - und erklärt. Immer nur zwei, drei Sätze, dann übersetzt Dolmetscherin Amina Wöhner ins Arabische.
    "Die Menschen gehen schon verkleidet zur Arbeit, also wundern sie sich nicht, wenn ihr Busfahrer ein rotes Herz auf der Wange trägt, oder wenn die Frau in der Bäckerei eine grüne Perücke auf hat."
    Die syrischen Flüchtlinge, die ins Rathaus von Bornheim gekommen sind, hören konzentriert zu, immer mal wieder lächeln sie ein bisschen ungläubig.
    Karneval-Crashkurs
    Sander und seine Kollegen erklären hier den Karneval. Ein Crashkurs, notiert auf sechs Din-A4-Seiten. Natürlich geht es hier nicht vordringlich um rote Clownsnasen, Kamelle und Kostüme, sondern eher um die ungeschriebenen Regeln in den sechs Tagen, in denen scheinbar doch so viele Regeln gar nicht gelten.
    "Es wird geflirtet, aber Vorsicht, ein tiefer Blick in die Augen oder eine heiße Tanzbewegung müssen nicht ernst gemeint sein, sondern sind nur Ausdruck von Freude." Wichtig ist, höflich zu sein und den anderen zu respektieren. Ein Nein bleibt ein Nein.
    Vor ein paar Tagen, bei der ersten Infoveranstaltung im großen Aufenthaltszelt haben sich über 100 Flüchtlinge über die bizarren Bräuche der Rheinländer aufklären lassen. Heute, zum Pressetermin, sind nur ein paar junge Männer aus Syrien ins Rathaus gekommen. Malik Mulahassan zum Beispiel. Der 23-Jährige ist seit vier Monaten in Deutschland. Von Karneval hört er zum ersten Mal.
    "Das ist schon seltsam - aber ich habe das alles verstanden, ich werde damit keine Probleme haben. An erster Stelle steht: Respekt egal wie die Leute feiern Respekt muss da sein."
    Respekt. Respekt vor den Frauen. Genau diese Botschaft soll ankommen, sagt Markus Schnapka, der Sozialdezernent der Stadt. Bloß keine zweite Kölner Silvesternacht. Bloß keine zweite Schwimmbadaffäre.
    "Der obskure Karneval muss erklärt werden, da sieht es manchmal so aus als gäbe es keinen Respekt mehr zwischen Mann und Frau und als sei nur die Annäherung das Ziel. Aber das ist ja nur bis zu einem bestimmten Grad so. Und das zu vermitteln dass Schein nicht sein ist, darauf kam es uns an - was wir auch im Zusammenhang mit dem Schwimmbad gesagt haben. Ein Nein ist ein Nein."
    Schwimbadverbot für ein paar Tage
    Vor drei Wochen hatte Schnapka allen erwachsenen, männlichen Flüchtlingen für ein paar Tage verboten, das Schwimmbad zu benutzen. Es waren dort mehrfach Frauen belästigt worden.
    "Also ich rede jetzt nicht von Augenzwinkern, hier ging es schon um deutliche Anmachen, manchmal auch von mehreren Personen gegenüber einer Frau, und dass es deutlich sexistisch war."
    Die Kritik an dem Verbot war enorm und kam von allen Seiten. Markus Schnapka lehnt sich in seinem Stuhl zurück, erläutert, wie so oft in den letzten Wochen.
    "Ich weiß natürlich, dass ich viele getroffen habe, die sich völlig gesetzestreu verhalten. Dass haben wir aber auch mit den Flüchtlingen diskutiert und die Bewohner haben mich dennoch bestätigt in meiner Anordnung und gesagt: Ja, das ist richtig. Ich vergleiche das durchaus mit dem Fußball, wenn es da Hinweise auf Gewalt gibt, werden ganze Fanklubs ausgeschlossen, obwohl die meisten völlig gesetzestreu sind."
    Schnapka wollte mit seiner Maßnahme den Flüchtlingen, für die er sich verantwortlich fühlt, wie er immer wieder betont, eine klare Botschaft vermitteln. Genau wie jetzt, an Karneval, nur mit anderen Mitteln.
    "Bei uns ist die Gleichberechtigung eine ausziselierte Waagschale, aber das steht nicht überall angeschrieben, das muss vermittelt werden. Denn in manchen Ländern gibt es nun mal ein anderes Verständnis von der Rolle der Frau, auch von Gleichberechtigung. Und es ist auch wichtig, dass ein Verständnis für unsere Normen und Werte und für das existiert, was unsere Gesellschaft auszeichnet."
    Dass auch so manche seiner deutschen Mitbürger die Sache mit der ausziselierten Waagschale gerade an Karneval nicht immer so genau nehmen, ist ihm schon klar. Nur: Für die Deutschen Männer ist Schnapka eben nicht verantwortlich:
    "Also Missverständnisse sind keine Dinge, die Flüchtlingen vorbehalten sind, das gilt für unsere Gesellschaft insgesamt. Hätte ich die Möglichkeit auch mit unseren deutschen Männern so einen Prozess zu vollziehen, würde ich das gerne machen. Bei den Flüchtlingen habe ich eine besondere Verantwortung und auch die Möglichkeit das auszutauschen."
    Die Deutschen seien zurückhaltender geworden
    Malik Mulassan und seine beiden syrischen Bekannten Amed und Mohamed brauchten eigentlich keine Nachhilfe in Sachen Emanzipation, meinen sie. Natürlich trinken hier Frauen Alkohol natürlich feiern sie, sagt Mohamed.
    "Die Frauen trinken, sie geben Küsschen, und weil das hier an Karneval normal ist, werde ich versuchen da mitzumachen und die Frauen respektieren. Die Frauen dürfen hier feiern wie sie wollen und natürlich respektieren wir das."
    Es ärgert die drei, dass sie mit den Gewalttätern von Köln in einen Topf geworfen werden – und auch mit den Flüchtlingen die sich in ihrer neuen Heimatstadt daneben benommen haben. Die Deutschen seien in den letzten Wochen zurückhaltender geworden, manchmal wechselten die Bornheimer die Straßenseite, wenn ein Flüchtling auf sie zukommt.
    "Wir sind vor dem Krieg geflohen, wir sind nicht hier, um zu randalieren. Es gibt immer gute Leute und ein paar, die keine Regeln respektieren - und die haben jetzt unseren Ruf ruiniert. Das macht uns schon Angst."
    Die drei jungen Syrer wissen noch nicht, ob sie sich in den nächsten Tagen in den Karneval wagen werden - oder doch lieber in der Schulturnhalle bleiben, ihrem provisorischen Zuhause. Wenn überhaupt, schauen sie sich den Umzug an - mit mehr als einer Armlänge Abstand.
    "Es muss ja nur einer wieder irgendwas machen – und dann sind wir alle es wieder gewesen."