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Bosbach: Salafisten dürfen keine Chance haben

Islamismus und Demokratie seien schlichtweg unvereinbar, sagt Wolfgang Bosbach, Vorsitzender des Bundestags-Innenauschusses, und begrüßt, dass sich der Zentralrat der Muslime klar von der Koran-Verteilaktion radikalislamischer Salafisten distanziert habe. Einmal mehr müsse man "fein differenzieren" zwischen Islamisten und der übergroßen Mehrheit der Muslime in Deutschland.

Wolfgang Bosbach im Gespräch mit Gerd Breker |
    Gerd Breker: Salafisten wollen in einer bundesweiten Aktion massenhaft gratis Korane an Nichtmuslime verteilen. Salafismus ist eine fundamentalistische Strömung, die sich am frühen Islam des 7. Jahrhunderts orientiert. Ihrer Auffassung nach ist es das Urmodell des Islam. Sie richten ihr Leben ganz nach dem Koran aus. Eine große Rolle spielen dabei Moral, soziale Gerechtigkeit und ein sehr traditionelles Bild von Mann und Frau. Dabei fassen sie den Koran wortwörtlich auf: es gibt keine symbolische Auslegung. Diese radikalen Gruppen beanspruchen für sich das Interpretationsmonopol für den Koran. Das Ziel ist erreicht: jeder spricht nun über Salafisten. Wir auch! Am Telefon sind wir nun verbunden mit dem CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach. Guten Tag, Herr Bosbach.

    Wolfgang Bosbach: Guten Tag, Herr Breker.

    Breker: Gehen wir den Salafisten auf den Leim, weil wir ihnen die Bühne der Aufmerksamkeit geben? Jeder spricht über sie.

    Bosbach: Wir ganz sicherlich nicht, aber es hat schon in der Vergangenheit einige gegeben und es steht zu befürchten, dass es auch in Zukunft einige weitere geben wird, die den Salafisten, rustikal formuliert, auf den Leim gehen, indem sie sich von ihnen zunächst radikalisieren und dann möglicherweise auch noch mobilisieren lassen, denn wir wissen ja aus dramatischen Ereignissen der Vergangenheit, dass es manche nicht bei radikalen Worten belassen, sondern dass sie auch zu Waffen greifen.

    Breker: Die kostenlose Verteilung des Koran, das ist sicherlich kein Problem. Aber das tun die ja, um zu missionieren. Ist das ein Problem, Herr Bosbach?

    Bosbach: Ja, das ist ein Problem, denn hier geht es ja nicht "nur" um das Werben für eine religiöse Überzeugung, sondern hier geht es ja gerade darum, dass sich radikale Islamisten aufmachen, einen Gottesstaat in ihrem Sinne auch bei uns etablieren zu wollen, und Islamismus und Demokratie sind schlichtweg unvereinbar, deswegen gibt es ja auch kein islamistisches Land auf dieser Erde, was eine Demokratie in unserem Sinne ist. Das kann man ja auch sehr gut deutlich machen am Beispiel Türkei, die Türkei hat eine Bevölkerung, die zu über 99 Prozent islamischen Glaubens ist, aber es ist eine Demokratie, die einen verzweifelten Kampf gegen den Islamismus kämpft, weil sie genau wissen in der Türkei, wie gefährlich diese radikale Strömung innerhalb der Gemeinschaft der Gläubigen, der Umma ist, und deswegen wendet sich ja auch der radikale Islamist, insbesondere der Salafist gegen Strömungen innerhalb Bereiche der großen Glaubensgemeinschaft des Islam, die nicht diesen Vorstellungen folgen.

    Breker: Wenn jetzt diese Aktion der Salafisten am Wochenende und ja auch über Wochen und Monate bei uns anlaufen wird, dagegen kann man überhaupt nichts machen?

    Bosbach: Das kommt darauf an. Hier ist es zunächst einmal sehr sorgfältig zu prüfen, ob man vor Ort die rechtlichen Möglichkeiten hat, diese Verteilaktionen zu untersagen. Hier handelt es sich nicht um Gemeingebrauch von öffentlichen Flächen, also Straßen oder Fußgängerzonen, sondern hier müssen Genehmigungen beantragt und erteilt werden. Es hat auch schon Versagungen gegeben, insbesondere dann, wenn über Sinn und Zweck der Aktion die zuständigen Behörden getäuscht worden sind. Aber es ist nicht einfach, derartige Genehmigungen nicht zu erteilen, da muss man also jeden Antrag sehr sorgfältig prüfen. Darüber hinaus müssen wir uns noch intensiver mit dem Thema Hassprediger beschäftigen. Wir haben vor Jahren schon die rechtliche Möglichkeit geschaffen, zumindest Drittstaatsangehörige ausweisen zu können, wenn sie sich in dieser Form in Predigten äußern, und es genügt nicht, wenn sie wie Wanderprediger weiterziehen von Moschee zu Moschee, weil sich dann immer vor Ort der Widerstand regt. Also das geltende Recht muss auch konsequent angewandt werden. Und wenn man sagt, da sprechen Rechtsgründe dagegen, wir können Hassprediger nicht ausweisen, dann würden mich diese Rechtsgründe einmal sehr interessieren. Wenn sie denn tatsächlich bestehen, dann müssten wir die Gesetze ergänzen.

    Breker: Diese Aktion, wenn man die schon nicht verbieten kann, weil sie peinlich genau alle Vorschriften einhalten, was ist dann jetzt gefragt? Muss aufgeklärt werden, was ist Salafismus, was ist Islamismus?

    Bosbach: Diese Aufklärung ist notwendig, soweit sie denn noch nicht erfolgt ist. Es genügt ja auch ein Blick in die Berichte des Bundesamtes und der Landesämter für Verfassungsschutz. Wir nehmen die Gefahren des radikalen Islamismus ja schon seit vielen, vielen Jahren sehr, sehr ernst. Es geschieht leider immer wieder, dass auch diejenigen, die vor diesen Strömungen warnen, sofort in eine Ecke gestellt werden, sie hätten eine Islamphobie oder Ähnliches. Deswegen ist es ja wichtig, dass wir fein differenzieren zwischen der übergroßen Mehrheit der Muslime in Deutschland – die sind friedlich und rechtstreu und keine Gefahr für Staat und Gesellschaft – und den radikalen Islamisten, den radikalen Salafisten, die unsere demokratisch-freiheitliche Grundordnung bekämpfen und durch einen Gottesstaat nach ihrem Vorbild abändern wollen. Und deswegen ist es ja so wichtig, dass es hier einen Schulterschluss gibt zwischen den gemäßigten Kräften und der Aufnahmegesellschaft und denjenigen, die in dem islamischen Bereich sagen, wir wollen mit diesen radikalen Islamisten, mit den Salafisten nicht in einen Topf geworfen werden, wir wollen schon mal gar nicht mit ihnen verwechselt werden, sondern wir sagen ihnen den Kampf an so wie andere in Staat und Gesellschaft auch. Das ist ganz, ganz wichtig, dass sich der Zentralrat der Muslime hier bereits erfreulich klar geäußert hat.

    Breker: Muss er da noch mehr tun? Reicht das aus? Sie haben es angesprochen: die Salafisten sprechen wahrlich nicht stellvertretend für den Islam und die meisten Muslime bei uns hier in Deutschland sind moderat, sind keine Islamisten. Sind sie mehr gefordert, müssen sie mehr tun im Sinne dieser Aufklärung? Darf man es nicht nur dem Verfassungsschutz überlassen, diese Extremisten zu beobachten?

    Bosbach: Genau richtig! Das ist eine wichtige Aufgabe des Verfassungsschutzes, aber es ist auch eine wichtige Aufgabe von Staat und Gesellschaft insgesamt, und dazu gehört auch, dass wir uns nicht auseinanderdividieren lassen, also hier die Gesellschaft auf der einen Seite, dort die Muslime in unserer Gesellschaft auf der anderen Seite, sondern dass die gemäßigten, die moderaten, die demokratischen Kräfte zusammenstehen und jeder Form von Extremismus und Radikalität eine klare Abfuhr erteilen. Es ist völlig egal, ob sie von links außen anmarschieren, von rechts außen anmarschieren, oder mit fanatischer religiöser Motivation – wer diesen Staat in seinen Fundamenten angreift, und das tun die Salafisten, muss mit dem entschiedenen Widerstand der großen Mehrheit der Bevölkerung rechnen, und deswegen ist es auch gut, dass sich in diesen Tagen dieser Widerstand formiert und laut artikuliert. Das Zeichen muss sein, sie haben bei uns, die radikalen Islamisten, die Salafisten, keine Chance, keine Zukunft.

    Breker: Ist das vielleicht sogar eine "gute Gelegenheit", Herr Bosbach, nun wirklich ausführlich die Menschen hierzulande, die ja überwiegend Christen sind, über den Islam, den moderaten Islam zu informieren und diese Islamphobie, wie Sie es einmal genannt haben in diesem Gespräch, sozusagen abzubauen?

    Bosbach: Information ist wichtig, Differenzierung ist wichtig. Wichtig ist aber auch, dass nicht jede berechtigte Kritik sofort in die Ecke Islamphobie gestellt wird. Es gibt im Bereich des Islam einen kleinen Bereich Islamismus und in diesem kleinen Bereich Islamismus gibt es den Salafismus, und der Islamismus ist zu unterscheiden vom Islam, von der Glaubensgemeinschaft, von der Glaubenslehre im Kern dadurch, dass es sich ja nicht nur um eine religiöse Bewegung handelt, sondern auch um eine politische Bewegung. Auch die Scharia hat mit unserer freiheitlich-demokratischen Rechtsordnung überhaupt nichts zu tun. Das ist keine Variante, sondern das ist das Gegenteil. Die gläubigen, die friedlichen, die rechtstreuen Muslime, die sich bei uns integrieren wollen, sind uns herzlich willkommen. Aber wer diesen Staat bekämpfen will, den müssen wir bekämpfen.

    Breker: Im Deutschlandfunk war das der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach. Herr Bosbach, ich danke Ihnen sehr für dieses Gespräch.

    Bosbach: Ich danke Ihnen.


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