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Bosbach: Union muss sich "zusammenreißen"

Der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU im Bundestag, Wolfgang Bosbach, hat vor einem Abwandern von CDU-Wählern zur FDP gewarnt. Diese Gefahr bestehe, wenn in der Diskussion um den Glos-Rücktritt der Eindruck entstehe, die Wirtschaftskompetenz sei bei der Union nicht mehr in besten Händen.

Wolfgang Bosbach im Gespräch mit Bettina Klein |
    Bettina Klein: Das hat es in der deutschen Politik auch lange nicht gegeben. Ein Minister, der aufhören will, aber nicht zurücktritt; ein Parteichef, der ihn nicht gehen lassen möchte, obwohl seine Unzufriedenheit Legende ist, und der Überlegungen bezüglich der Nachfolge bereits an die Öffentlichkeit dringen ließ; eine Kanzlerin, die informiert wurde; ein politisches Berlin, in dem noch keiner sagen kann, wie es weitergehen wird. Das war der Stand gestern Abend. Es geht übrigens um das Amt des Bundeswirtschaftsministers, ein Posten, der an Bedeutung gewinnen sollte in Zeiten von Finanz- und Wirtschaftskrisen. Das Gegenteil war möglicherweise in den vergangenen Monaten der Fall, und dass an diesem Wochenende mit dem Amt wirklich würdevoll umgegangen worden sei, auf diese Idee ist auch noch niemand gekommen. Es sah das Wochenende über nach einer handlungsunfähigen CSU und nach einer Krise für die Union aus. Der Wirtschaftsminister will gehen, aber er darf nicht, und keiner konnte sagen, wie es weitergeht. Gestern Abend nun: Zumindest seitdem ist der weitere Ablauf klar. Die CSU hat gewissermaßen die Kurve bekommen. Michael Glos darf gehen, heute wird der Nachfolger benannt. – Über diese Ereignisse der vergangenen Stunden möchte ich nun sprechen mit Unions-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach, den ich am Telefon begrüße. Guten Morgen, Herr Bosbach.

    Wolfgang Bosbach: Guten Morgen, Frau Klein.

    Klein: So richtig spaßig war das nicht. Wie oft haben Sie an diesem Wochenende den Kopf geschüttelt?

    Bosbach: Nicht selten, denn das alles hätte man noch wesentlich eleganter machen können. Man kann doch einen Minister nicht gegen seinen Willen im Amt festhalten, und in dem Moment, als Michael Glos seinen Rücktritt angeboten hat, war doch klar, dass er nicht bis zum Ende der Wahlperiode weiterhin im Amt bleiben können möchte.

    Klein: Das heißt, Herr Seehofer hat einen Fehler gemacht, indem er nicht sofort den Rücktritt angenommen hat?

    Bosbach: Horst Seehofer hätte wahrscheinlich zunächst einmal mit Michael Glos abklären sollen, ob es eine Laune des Moments war, so nach dem Motto, wenn er noch einmal darüber schläft, sieht es morgen vielleicht anders aus, oder ob seine Amtsmüdigkeit sehr, sehr ernsthaft und von dauerhafter Natur war. Warum dies nicht geschehen ist, weiß ich nicht, aber es ist der unglückliche Eindruck entstanden, als gäbe es den festen Willen, Michael Glos gegen seinen Willen im Amt zu halten.

    Klein: Auf der anderen Seite muss man natürlich auch fragen, wieso muss ein Wirtschaftsminister jetzt gehen, in einer Wirtschaftskrise und wenige Monate vor einer Bundestagswahl?

    Bosbach: Auch das ist eine berechtigte Frage. Die müsste man allerdings mit Michael Glos erörtern. Da bin ich der falsche Gesprächspartner. Wenn es so war, dass er sich darüber geärgert hat, dass hinter seinem Rücken über einen potenziellen Nachfolger gesprochen wurde, dann könnte ich das sogar verstehen. Es gibt ja auch einige Kollegen die sagen, das sei eine Retourkutsche wegen einer Meldung in einer bayerischen Lokalzeitung. Dort wurde ja auch bereits der Name eines möglichen Nachfolgers genannt, Thomas Bauer. Das war auch vielleicht der Grund, warum Horst Seehofer gesagt hat, möglicherweise ist es eine momentane Verärgerung.

    Klein: Aber da scheint doch einiges zusammengekommen zu sein, Herr Bosbach, denn Herr Glos selber wird jetzt zitiert und wir konnten das auch im O-Ton hören, dass er sich irgendwie alleine gelassen fühlte. Es gab auch indirekte Vorwürfe gegen die Kanzlerin, er habe nicht so agieren können, wie er gewollt hätte. Hat die Union sich was vorzuwerfen, dass Herr Glos sich als Wirtschaftsminister nicht in der Weise profilieren konnte und nicht profiliert hat, wie er das vielleicht hätte tun sollen?

    Bosbach: Ich glaube nicht, dass sich die Union irgendetwas vorwerfen kann. Es ist richtig, dass wir seit Jahrzehnten wieder einmal als Union den Wirtschaftsminister stellen. Das ist ein wichtiges Ressort und in wirtschaftlich schwierigen Zeiten kommt es natürlich nicht nur auf den Finanzminister, sondern auch auf den Wirtschaftsminister an. Deswegen brauchen wir jetzt jemanden, der mit Kompetenz, mit Leidenschaft, ja sogar mit Lust dieses Amt versieht. Deshalb sollten wir uns jetzt weniger mit der Vergangenheit beschäftigen, sondern mehr mit der Zukunft. Wenn es bei dem Projekt 40 plus bleiben soll, muss sich die Union tüchtig anstrengen. Die letzte Woche war für die Union suboptimal.

    Klein: Wer wäre der geeignete Nachfolger, um beim Stichwort Zukunft kurz zu bleiben? Georg Fahrenschon ist im Gespräch und der bisherige, gerade auch erst ins Amt gekommene Generalsekretär Karl-Theodor zu Guttenberg.

    Bosbach: Ich kenne beide Kollegen aus der gemeinsamen Arbeit in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Das sind ausgesprochen engagierte und kompetente Kollegen und ich kann mir beide in diesem Amt sehr, sehr gut vorstellen. Sie gehören auch beide einer anderen, einer jüngeren Generation an und möglicherweise war das auch der Gedanke von Horst Seehofer, wenn Michael Glos ohnehin nicht mehr in der nächsten Wahlperiode für ein Ministeramt zur Verfügung steht, dann auch gleichzeitig einen Generationswechsel auch in diesem Amt zu vollziehen.

    Klein: Wenn es nach Ihrem Koalitionspartner, nach der SPD geht, Herr Bosbach, dann brauchen sie gar keinen Nachfolger. Das kann der Peer Steinbrück doch mitmachen, so wird Thomas Oppermann aus der SPD-Fraktion heute zitiert.

    Bosbach: Ja gut. Wir haben Karnevalszeit und der Kollege Oppermann will sich daran beteiligen. Ich glaube, er ist Niedersachse, also es ist ihm nicht besonders gut gelungen. Meine Sorge ist eine andere. Meine Sorge ist, dass es möglicherweise bei einer Bundestagswahl nicht reichen könnte für schwarz-gelb. Ich bin ja gerade der Auffassung, dass die Große Koalition die große Ausnahme bleiben sollte in einer Demokratie und favorisiere eindeutig eine Koalition von CDU/CSU und FDP. Dafür muss es aber auch reichen. Ich bin mir nicht sicher, ob der Wahlsieg der Union unaufhaltsam ist, angesichts des Umstandes, dass wir in allen Umfragen deutlich vor der SPD liegen. Das reicht überhaupt nicht und deswegen muss sich die Union in den nächsten Monaten zusammenreißen. Wir dürfen nie nur eine Variante der SPD sein, wir müssen die klare politische Alternative zu den Sozialdemokraten sein und an der viel zitierten Basis gibt es eine unheimlich große Sehnsucht nach weniger Koalition und mehr Union.

    Klein: Und was heißt "zusammenreißen" nach Ihrer Meinung?

    Bosbach: Ich glaube – ich habe das gerade gesagt -, dass die letzten Stunden nicht optimal waren für die Union. Wenn in diesem zentralen Politikfeld der Eindruck entsteht, die Wirtschaftskompetenz ist bei der Union nicht mehr in besten Händen - gerade nicht ausschließlich, aber gerade wegen ihrer Wirtschafts- und Finanzkompetenz ist doch die Union in den letzten Jahrzehnten gewählt worden -, dann besteht die konkrete Gefahr, dass weitere Wähler zur FDP abwandern, und genau das möchte ich verhindern. Es bringt uns nämlich überhaupt nichts, wenn die FDP sich auf Kosten der Union profiliert und aus unserem Wähler-Reservoir fischt. Wir müssen als Union in erster Linie stark sein und wenn es da eine Wählerwanderung gibt von der Union zur FDP, kann uns das nicht kalt lassen nach dem Motto "Hauptsache die Stimmen bleiben im bürgerlichen Lager".

    Klein: War das jetzt eine Kritik an Herrn Glos, dem ja ein glückloses Agieren nachgesagt wurde, oder eine Kritik an Herrn Seehofer, der in einer kritikwürdigen Weise nach Ihren Worten reagiert hat und ja auch nicht sofort Nachfolger offenbar zu präsentieren hatte?

    Bosbach: Weder noch. Das ist ein Appell an die eigene Partei. Ich kann mich noch sehr gut erinnern an die Kommentierung nach der Hessen-Wahl: "Jetzt geht es weiter aufwärts, 40 plus ist unser Ziel". Ich habe nicht das Gefühl, dass wir in den letzten Tagen in den Umfrageergebnissen deutlich zugelegt haben. Wir müssen uns – das habe ich bereits vor wenigen Minuten gesagt – mächtig anstrengen, wenn wir dieses Ziel erreichen wollen. Dazu gehört auch Klarheit, dazu gehört Führungsstärke, nicht nur jetzt in diesen personellen Fragen, sondern auch in Sachentscheidungen, und das, wofür die Union steht, muss klarer werden. Es war in den letzten Monaten nicht deutlich genug zu erkennen.

    Klein: Herr Bosbach, Sie haben ja gerade Kritik am Krisenmanagement von Horst Seehofer geübt. Muss die Kanzlerin dem CSU-Chef in Berlin klarere Grenzen ziehen?

    Bosbach: Hier wäre es formal eine Sache der Kanzlerin, aber wirklich nur formal, nach Maßgabe unserer Verfassung. Tatsächlich ist es in der politischen Wirklichkeit so, dass jede Partei für die eigenen Ressorts im Kabinett zuständig ist. Deswegen war es richtig, dass sich Michael Glos gleichzeitig an die Kanzlerin und an seinen Parteivorsitzenden gewandt hat. In Richtung CSU gilt folgendes: Ich habe sogar Verständnis dafür, dass die CSU nach ihrem nicht berauschenden Ergebnis bei der Landtagswahl sagt, wir müssen uns wieder stärker profilieren, wir müssen verlorenes Terrain zurückgewinnen, und es gibt nicht wenige, die die CDU wählen, weil es auch die CSU gibt. Aber ich empfehle, dass man sich profiliert gegenüber dem linken politischen Lager, gegenüber SPD, den Grünen und der Linkspartei. Wenn der Eindruck entsteht, die Union beschäftigt sich mehr mit sich selber als mit den Problemen der Menschen, dann werden wir nicht mehr an Vertrauen gewinnen.

    Klein: Soll die CDU das Ressort des Wirtschaftsministers vielleicht im Tausch gegen ein anderes dann wieder für sich zurückverlangen? Wäre das eine Konsequenz aus Ihren Worten?

    Bosbach: Nein. Ich glaube nicht, dass es klug wäre, jetzt wenige Monate vor Ende der Wahlperiode – ich glaube, wir haben nur noch neun oder zehn Sitzungswochen des Deutschen Bundestages; dann geht die Wahlperiode im Parlament schon wieder vorbei – ein Revirement vorzunehmen. So etwas macht man, wenn man überhaupt daran denkt, vielleicht zur Mitte der Wahlperiode, aber doch nicht mehr am Ende. Wir müssen uns aber alle Mühe geben, damit wir nach der nächsten Bundestagswahl dieses Ressort wieder besetzen können.

    Klein: Wolfgang Bosbach, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU im Deutschen Bundestag. Danke Ihnen für das Gespräch, Herr Bosbach.

    Bosbach: Ich danke Ihnen.