
Die Lage in Bosnien und Herzegowina ist angespannt. Milorad Dodik, Präsident der überwiegend von Serben bewohnten Teilrepublik Srpska, Nationalist und Putin-Freund, strebt die Spaltung des Landes an. Er will Srpska von Bosnien und Herzegowina lösen. Das will Christian Schmidt, Hoher Repräsentant der UNO und Hüter des Friedens in der Region, unbedingt verhindern.
Welchen Einfluss haben die beiden Männer auf die Stabilität des EU-Beitrittskandidaten Bosnien und Herzegowina? Und warum droht der Konflikt zwischen Serben und Kroaten in dem multiethnischen Staat Bosnien und Herzegowina zu eskalieren?
Warum ist die Lage in Bosnien und Herzegowina momentan so angespannt?
Bosnien und Herzegowina ist ein Staatskonstrukt, in dem unterschiedliche Ethnien zuhause sind. In der Republika Srpska leben vor allem bosnische Serben. In der Föderation Bosnien und Herzegowina leben überwiegend muslimische Kroaten. Beide Landesteile sind flächenmäßig in etwa gleich groß, wobei nur etwa ein Drittel der Gesamtbevölkerung in Srpska lebt. Beide Landesteile – auch Entitäten genannt – haben eigene Regierungen. Hinzu kommt eine Zentralregierung, die jedoch als eher schwach gilt.
Der heutige Staat Bosnien und Herzegowina ist nicht organisch zusammengewachsen. 1992 erklärte Bosnien und Herzegowina nach dem Zerfall Jugoslawiens seine Unabhängigkeit, dann folgte ein verheerender Bürgerkrieg. 1995 wurde unter größten diplomatischen Bemühungen der Friedensvertrag von Dayton beschlossen, um den Bosnienkrieg zu beenden. Das vorrangige Ziel war, einen Waffenstillstand zwischen den verfeindeten Bevölkerungsgruppen herzustellen.
Eine Aussöhnung der Bevölkerungsgruppen, die sich im Krieg gegenüberstanden und heute gemeinsam in einem Land leben, habe in den vergangenen 30 Jahren nur teilweise stattgefunden, sagt der Hohe Repräsentant der UNO, Christian Schmidt. Stattdessen versucht Milorad Dodik, amtierender Präsident der Republika Srpska, seit Jahren, auch mit Unterstützung autokratischer Herrscher wie Russlands Präsident Putin, die Republika Srpska von Bosnien und Herzegowina zu trennen.
Eine Abspaltung des Landesteils würde die Region jedoch noch weiter destabilisieren und den fragilen Frieden von 1995 gefährden. Schon jetzt ist Bosnien und Herzegowina ein dysfunktionaler Staat und weit entfernt von einem EU-Beitritt.
Welche Rolle spielt Milorad Dodik in dem Konflikt?
Milorad Dodik ist der Präsident der Teilrepublik Srpska und seit mehr als 25 Jahren in unterschiedlichen Ämtern Teil der Regierung. Er ist ein serbischer Nationalist, gilt als autoritär und korrupt. Seine politischen Freunde sind die Autokraten dieser Welt: Russlands Präsident Wladimir Putin, Serbiens Präsident Aleksandar Vučić, Ungarns Premier Viktor Orbán. Sie alle stützen die Republika Srpska.
Der Anti-Korruptionsagentur Transparency International zufolge führt Dodik die Republika Srpska wie eine Art Familien-Business. Er, seine Familie und engsten Freunde hätten das Monopol in allen Sektoren, in denen es öffentliche Aufträge gibt, erklärt Ivana Korajlic von Transparency International.
In seinen Ansprachen stellt Dodik die Serben als das Volk dar, das Jahrhundertelang unterdrückt worden sei und nichts weiter wolle, als in Freiheit zu leben. Dass serbische Truppen laut Schätzungen der Vereinten Nationen etwa 80 Prozent der Kriegsverbrechen im Bosnienkrieg begangen haben, blendet er aus. Den von den serbischen Nationalisten verübten Genozid von Srebrenica leugnet er. Im Juli 1995 wurden in dem Ort mehr als 8.000 Jungen und Männer ermordet. Nichtdestotrotz gewann Dodik 2022 die Wahl und wurde abermals Präsident der Republika Srpska.
Sein Ziel ist, die Republika Srpska von Bosnien und Herzegowina abzuspalten. Das aber würde das Aus für den Friedensvertrag von Dayton bedeutet, weshalb der Hohe Repräsentant der UNO, der den Frieden im Land sichern soll, regelmäßig interveniert.
Im Oktober 2023 stand der serbische Nationalist Milorad Dodik in Sarajevo vor dem obersten Gericht des Gesamtstaats Bosnien und Herzegowina. Der Grund: Er hatte in der Republika Srpska Gesetze erlassen, die die Entscheidungen des gesamtbosnischen Verfassungsgerichts und die Weisungen des Hohen Repräsentanten in der Republika Srpska außer Kraft setzen sollten. Das Gericht sah die Gesetze als verfassungswidrig an und verurteilte Dodik zu einem Jahr Haft und sechs Jahren Amtsverbot. Bislang ist das Urteil nicht rechtskräftig.
Als Reaktion auf das Urteil verbannte Dodik am 05.03.2025 per Gesetz die gesamtstaatlichen Polizei- und Justizkräfte von dem Gebiet der Republika Srpska. Bosnischen Serben drohten bis zu fünf Jahre Gefängnis, wenn sie weiterhin für die Polizei oder die Justiz des Zentralstaates arbeiten. Dieses Gesetz wurde bereits zwei Tage später vom Verfassungsgericht in Sarajevo vorübergehend aufgehoben.
Welche Rolle spielt der deutsche CSU-Politiker Christian Schmidt?
Der CSU-Politiker Christian Schmidt kann auf eine lange politische Karriere zurückblicken. Unter Bundeskanzlerin Angela Merkel war er von 2014 bis 2018 Bundeslandwirtschaftsminister. Seit 2021 ist er Hoher Repräsentant für Bosnien und Herzegowina.
Das Amt wurde 1995 von den Vereinten Nationen geschaffen und überwacht, dass das Dayton-Friedensabkommen nicht verletzt wird. Der Hohe Repräsentant ist der oberste internationale Vertreter im Land und eine der wichtigsten Instanzen des bosnischen Rechtssystems.
Schmidt hat als Hoher Repräsentant weitgehende Befugnisse in Bosnien und Herzegowina. Er darf Gesetze erlassen und aufheben, er darf gewählte Politiker entlassen und demokratische Institutionen überstimmen. Bislang hat er vor allem Gesetze des Parlaments der Republika Srpska aufgehoben oder verändert – neunmal, allein im Jahr 2022. Schmidt will damit Dodiks Abspaltungspolitik die Grenzen aufzuzeigen.
Allerdings ist Schmidt selbst auch schon mehrfach in die Kritik geraten, etwa nachdem er im Jahr 2022 das bosnisch-herzegowinische Wahlgesetz am Tag der Wahl geändert hatte. Laut Informationen des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ forderten Diplomaten und Balkan-Kenner Anfang 2023 seine Abberufung. Sie warfen ihm vor, die nationalistischen Kräfte in Bosnien und Herzegowina zu stärken, die den Staat zerstören wollen.
Wie reagiert die internationale Gemeinschaft?
Die EU-Mission Eufor Althea hat jüngst eine "vorübergehende Verstärkung" ihrer Kräfte vor Ort angekündigt. Die europäischen Streitkräfte sollen seit 2004 den Frieden in der Region aufrechterhalten. Auch Deutschland schickt seit 2022 wieder Soldatinnen und Soldaten nach Bosnien und Herzegowina.
Dass das Kontingent nun vergrößert werden soll, sei eine "proaktive Maßnahme, die darauf abzielt, Bosnien und Herzegowina im Interesse aller seiner Bürger zu unterstützen", erklärte die Mission am 07.03.2025. Die Zahl der internationalen Soldaten soll um 400 erhöht werden. Aktuell sind rund 1.500 europäischen Soldatinnen und Soldaten in Bosnien und Herzegowina stationiert.
Darüber hinaus kündigte die NATO an, dass Generalsekretär Mark Rutte am 10.3.2025 die bosnische Hauptstadt Sarajevo besuchen werde.
Europa habe in den vergangenen zehn Jahren nicht genau hingeschaut, was politisch in Bosnien und Herzegowina, insbesondere in der Republika Srpska, vor sich gehe, sagt der Hohe Repräsentant der UNO, Christian Schmidt, selbstkritisch. Man habe sich darauf ausgeruht, dass das Land seit 2016 den EU-Beitritt anstrebe und sich daher schon rechtsstaatlich verhalten werde. Die internationalen Partner müssten nun dazu beitragen, dass die territoriale Integrität von Bosnien und Herzegowina gewahrt bleibt.
rey