Violette Seen aus Frühlingskrokussen beleben die Wiesen unter den winterkahlen Bäumen und Sträuchern in der Kölner Flora. Der Chinesische und Japanische Zaubernussstrauch lockt mit süßem Duft die Blicke auf sich; die filigranen, fühlerartigen gelben oder roten Blütenbüschel an seinen kahlen Zweigen sind leicht zu übersehen auf dem Weg zum Subtropenhaus. Dort wächst und gedeiht unübersehbar ein immergrüner Kamelienwald geschützt unter alten Eichen, Kastanien- und Ahornbäumen. Die Stauden, einige beachtliche zwei, drei Meter hoch, stehen über und über voller Knospen. Wenngleich der strenge Frost vergangener Februarnächte ein paar offene Blüten dahingerafft hat, die Knospen hielten stand.
"Wir haben die große Freude, seit 2012 der einzige deutsche "International Camelia Garden of Excellence" zu sein, einer von 40 weltweit, und wie gesagt der einzige von Deutschland. Circa zwölf harte Kriterien was die Bestimmung der Pflanzen, was die Etikettierung der Pflanzen, was die Pflege der Pflanzen angeht, die Fülle der Pflanzen, auch die Forschung an
Größte Sammlung in Deutschland
Der Biologe und Direktor der Kölner Flora Stefan Anhalt bietet regelmäßig Führungen an während der Kamelienblüte von Januar bis April. Auf die winterharten Sorten draußen und die Vielfalt der auch im Subtropenhaus bisweilen baumgroßen blühenden Kamelienstauden ist er besonders stolz.
"Wir kultivieren ungefähr 650 Sorten und 40 Wildarten, deswegen die größte Sammlung in Deutschland."
Alle Pflanzen stammen ursprünglich von den Wildarten ab, die am Eingang des Schauhauses stehen. Deren Blüten sind relativ klein, rosafarben, blassgelb oder weiß, wie die der Teepflanze, die auch zu den Kamelien zählt, aber noch kleiner ist.
Stefan Anhalt: "Die Kamelien sind in Südostasien beheimatet und sind das erste Mal mit Teepflanzen vor 400, 500 Jahren mit nach Europa gekommen. Dann gibt es einen Schwerpunkt vor 300 Jahren, wo die Engländer angefangen haben, Tee zu importieren und versucht haben, Teepflanzen zu ergattern in China. Die Chinesen waren aber schlau genug, ihr Teemonopol zu behalten, und haben den Engländern immer wieder Zierkamelien untergeschoben.
Von Weiß bis zu "Black Magic"
Und die blühen üppiger im Vergleich zur Tee-Kamelie, und manche Stauden tragen sogar verschiedenfarbige Blüten: auf einer Seite knallrote, auf der anderen weiße, rot-weiß gescheckte oder rosafarbene. Die einfache Blüte hat drei oder sechs Kronenblätter und in der Mitte die gelben Staubgefäße. Doch es gibt auch gefüllte Blüten, die aussehen wie Anemonen oder wie Rosen, wie halbkugelförmige Ranunkeln oder wie Nelken mit fransigen, gekräuselten Kronblättern. Die Farbtöne changieren zwischen weiß, rosa und Rot. Das tiefdunkle Rot der "Black Magic" genannten Staude schimmert wie Samt.
Stefan Anhalt: "Die Sortenvielfalt kommt daher, dass die Kamelie von Natur aus dazu neigt, spontane Mutationen zu machen, die sich dann über Stecklinge, also nicht geschlechtliche Fortpflanzung weiterkultivieren lassen."
Prozesse der Evolution - live beobachtbar
Mit einfach bis halb- oder vollgefüllten Blüten, einige rot-weiß gestreift, andere weiß mit rotem Saum. Beim Rundgang durch das Subtropenhaus können die Besucher anhand der verschiedenen Formen, Farben und Variationen der Kamelienblüten die spannenden Prozesse der Evolution live beobachten.
Stefan Anhalt: "Das passiert sowohl durch Pflanzenviren als auch durch Spontanveränderungen in der genetischen Information. Die meisten sind nicht stabil, die mutieren wieder zurück, oder sind in der nächsten Generation nicht mehr zu sehen. Aber manche sind eben stabil und können auch auf diese Weise weiter gegeben werden. Was da umgewandelt wird, sind die Staubblätter, die Sie sonst in einer normalen Blüte innen drin sehen, das heißt, Staubblätter werden scheinbar zu Kronblättern umgewandelt, von der Form her, haben dann aber ihre Funktion verloren, sodass Sie am Ende eine komplett gefüllte Blüte haben, die aber zu keiner sexuellen Vermehrung mehr in der Lage ist."
Auch Blattmutationen sind zu entdecken: gezackt oder außen herum gekraust, weiße Marmorierungen gibt es und wie Fischschwanzflossen aussehende Blätter. Was erstaunt ist, dass nur wenige kleinblütige Stauden zart duften, die großen roten dagegen wider Erwarten überhaupt nicht.
Stefan Anhalt: "Die roten Kamelien werden von Brillenvögeln bestäubt, diese Vögel suchen Nektar. Die brauchen auch keinen Duft, weil die Vögel auf die Farbe fliegen. Die kleinblütigen Wildarten in Weiß und in Gelb werden von Insekten bestäubt, und da spielt der Duft dann wieder eine Rolle zum Anlocken."
Sexuelle Konnotation
In Südostasien wurde die geschätzte Tee- und Nutzstaude eine verehrte Zier- und Tempelpflanze. Doch gibt es bis heute kulturelle Unterschiede, erzählt Stefan Anhalt vor der roten Higo-, der Samurai-Kamelie. Ihre Blüte hat einen handtellergroßen, einfachen Kronenkranz, in der Mitte prangt ein langes Büschel goldgelber Staubgefäße.
Stefan Anhalt: "Wie ein Strahlenkranz der Sonne, so beschreibt das der Japaner. Das sind tatsächlich die männlichen Organe der Pflanze, und das findet der Chinese anstößig. Deswegen würde er so etwas niemals züchten und auch nicht ausstellen und schon gar nicht als Tempelpflanze, früher nicht und auch heute nicht. Der Japaner findet das sehr schön. Da ist dann auch diese sexuelle Konnotation nicht dabei, ob man etwas sieht, oder wegsieht oder ob man dem einfach eine andere Bedeutung gibt."
Im 19. Jahrhundert waren in Europas aristokratischen und geldadeligen Kreisen Gewächshäuser und Wintergärten mit Kamelien in Mode. Giuseppe Verdi schrieb die Oper "La Traviata" nach dem Roman "Die Kameliendame" von Alexandre Dumas über die Kurtisane Violetta. Heute begeistern und erfreuen sich die Besucher der Flora an ihr.
Besucherin: "Das ist ein einmaliges Geschenk hier! Ich wohne hier und geh jedes Mal vorbei, und immer entdeckt man was Neues."