Eines kann man dem Fotomuseum Winterthur sicher nicht vorwerfen: dass man auf der Solidaritätswelle mit Ai Weiwei surfen und einen Publikumserfolg landen wollte. Nein, die Ausstellung war lange geplant, Ai Weiwei kam im letzten Herbst zu Konzeptionsgesprächen nach Winterthur – und schätzte seine Lage eher günstig ein, sagt Kurator Urs Stahel.
"Und da hab ich ihn gefragt, wie die Situation sei, und da sagte er, es gebe für ihn einen Lichtschimmer positiver Veränderung. Die Leute, die ihn seit zwei Jahren mit Kameras überwachen und mit einem Auto 24 Stunden vor seinem Studio saßen, diese Leute, sagt er, klopfen jetzt an die Tür und wollen mit mir reden. Das ist so ein kleiner Schritt: statt Konfrontation gibt's ein Gespräch."
Durch die arabischen Revolutionen und die dadurch ermutigten Bürgerbewegungen in China gab es dann aber eine Verschärfung der Situation. Als deutsche Museumsdirektoren ausgerechnet am Platz des Himmlischen Friedens eine Großausstellung zur "Kunst der Aufklärung" eröffneten, die dann heftig kritisiert wurde, war für kritische Intellektuelle in China offenbar kein Spielraum mehr.
Im Fotomuseum Winterthur gibt es nun, in fahlen Farben, eine ganze Wand mit Bildern, auf denen der Abriss von Häusern in Peking dokumentiert ist, das Planieren einer Stadtlandschaft. Überfallartig werden hässliche Neubauten errichtet, damit man das Alte nicht vermisst und die kapitale Modernisierung nicht in Frage stellt.
Auch das Studio von Ai Weiwei in Schanghai wurde im Januar von den Behörden abgerissen, auch davon hat er Fotos machen lassen. Wie böse Tiere stehen die Bagger mit ihren Krakenarmen über dem Bauschutt ... Bis Ai Weiwei dann selber verschwand, am 3.April, auf dem Weg zum Flughafen.
Die Ausstellung zeigt nun den politisch vielleicht brisantesten Teil des Werks. Denn obgleich Ai Weiwei in vielen Genres arbeitet, Skulptur, Architektur, Aktionskunst, Fotografie, ist sein wichtigstes Medium das Netz - Forum der Opposition in totalitären Staaten. 200.000 Netzfotos aus China: manisch fotografiert er und stellt die Bilder ins Internet, er diskutiert, er bloggt täglich viele Stunden. Oder vielmehr: er bloggte. Die Ausstellung heißt "Interlacing" – Urs Stahel will auf Ai Weiwei als den großen Verbinder, den großen Kommunikator aufmerksam machen.
"Ich finde ihn einen Künstler, der auf verschiedenster Ebene ein Verflechter, ein Verbinder ist. Der Leute um sich schart, Strukturen aufbaut, damit diese Leute darin arbeiten können, der sich vernetzt im Internet oder jetzt im Twitter, wo er eine ausschließlich chinesische Community hatte von 70.000 Leuten, die seine chinesischen Kommentare gelesen und diskutiert haben. Wo er sich aber auch sehr bewusst vernetzt international, um Gewicht zu kriegen."
Ai Weiwei ist mit der chinesischen Tradition ebenso vertraut wie mit Duchamp oder Warhol. Legendär seine Aktionen, bei denen er traditionelle Möbel neu montiert oder uralte Vasen mit Billigfarbe bemalt. Zur documenta 2007 ließ er 1001 Chinesen nach Kassel fliegen, die er vorher in ihren Heimatstädten fotografiert hatte. Für diese Menschen, die sonst nie eine Ausreisegenehmigung bekommen hätten, wurde ein Traum war – diese Bilder sind in Winterthur zu sehen. Auch Ai Weiwei, Sohn eines Dichters und Dissidenten, ist ja in der Isolation groß geworden.
"Er ist in der Verbannung aufgewachsen. Man muss sich vorstellen, er war drei Jahre alt, als sein Vater in die Verbannung geschickt wurde. Die ganze Familie war in der Verbannung, zuerst in der Mandschurei, dann in Xinyang. In der Einöde haben sie gelebt, dem Vater war nur erlaubt, die Toiletten in diesem Dorf zu putzen. Er durfte nicht schreiben, nicht publizieren."
Der junge Ai Weiwei ging nach Amerika – und fiel in ein Vakuum; die Ausstellung zeigt Schwarzweißbilder aus der Emigrantenszene. Als er 1993 nach China zurückkehrt, hat er eine Mission: Er will die gesellschaftlichen Missstände ins Bild setzen. Und er will provozieren.
Man sieht den Stinkefinger, den er den architektonischen Wahrzeichen in aller Welt opponierend entgegenstreckt ... Man erlebt seine Frau, wie sie provokant auf dem Platz des Himmlischen Friedens den Rock hebt – das, was man auf diesem Platz nicht sehen soll und darf, das Massaker, das man vergessen soll, das wird durch das Zeigen der Unterwäsche - für China tabubrecherisch – ins Bewusstsein zurückgeholt. Man sieht die in sieben Teile zerschnittene Fotografie eines Soldaten – das parzellierte, entmachtete Militär sozusagen; ein Wunschtraum. Und man sieht, immer wieder, Umweltverschmutzung und die Zerstörung der chinesischen Städte, die Ai Weiwei "schändlich" nennt. Ai Weiwei ist in Haft. Seine Bilder aber zeigen, dass Veränderung für China unabdingbar ist.
"Und da hab ich ihn gefragt, wie die Situation sei, und da sagte er, es gebe für ihn einen Lichtschimmer positiver Veränderung. Die Leute, die ihn seit zwei Jahren mit Kameras überwachen und mit einem Auto 24 Stunden vor seinem Studio saßen, diese Leute, sagt er, klopfen jetzt an die Tür und wollen mit mir reden. Das ist so ein kleiner Schritt: statt Konfrontation gibt's ein Gespräch."
Durch die arabischen Revolutionen und die dadurch ermutigten Bürgerbewegungen in China gab es dann aber eine Verschärfung der Situation. Als deutsche Museumsdirektoren ausgerechnet am Platz des Himmlischen Friedens eine Großausstellung zur "Kunst der Aufklärung" eröffneten, die dann heftig kritisiert wurde, war für kritische Intellektuelle in China offenbar kein Spielraum mehr.
Im Fotomuseum Winterthur gibt es nun, in fahlen Farben, eine ganze Wand mit Bildern, auf denen der Abriss von Häusern in Peking dokumentiert ist, das Planieren einer Stadtlandschaft. Überfallartig werden hässliche Neubauten errichtet, damit man das Alte nicht vermisst und die kapitale Modernisierung nicht in Frage stellt.
Auch das Studio von Ai Weiwei in Schanghai wurde im Januar von den Behörden abgerissen, auch davon hat er Fotos machen lassen. Wie böse Tiere stehen die Bagger mit ihren Krakenarmen über dem Bauschutt ... Bis Ai Weiwei dann selber verschwand, am 3.April, auf dem Weg zum Flughafen.
Die Ausstellung zeigt nun den politisch vielleicht brisantesten Teil des Werks. Denn obgleich Ai Weiwei in vielen Genres arbeitet, Skulptur, Architektur, Aktionskunst, Fotografie, ist sein wichtigstes Medium das Netz - Forum der Opposition in totalitären Staaten. 200.000 Netzfotos aus China: manisch fotografiert er und stellt die Bilder ins Internet, er diskutiert, er bloggt täglich viele Stunden. Oder vielmehr: er bloggte. Die Ausstellung heißt "Interlacing" – Urs Stahel will auf Ai Weiwei als den großen Verbinder, den großen Kommunikator aufmerksam machen.
"Ich finde ihn einen Künstler, der auf verschiedenster Ebene ein Verflechter, ein Verbinder ist. Der Leute um sich schart, Strukturen aufbaut, damit diese Leute darin arbeiten können, der sich vernetzt im Internet oder jetzt im Twitter, wo er eine ausschließlich chinesische Community hatte von 70.000 Leuten, die seine chinesischen Kommentare gelesen und diskutiert haben. Wo er sich aber auch sehr bewusst vernetzt international, um Gewicht zu kriegen."
Ai Weiwei ist mit der chinesischen Tradition ebenso vertraut wie mit Duchamp oder Warhol. Legendär seine Aktionen, bei denen er traditionelle Möbel neu montiert oder uralte Vasen mit Billigfarbe bemalt. Zur documenta 2007 ließ er 1001 Chinesen nach Kassel fliegen, die er vorher in ihren Heimatstädten fotografiert hatte. Für diese Menschen, die sonst nie eine Ausreisegenehmigung bekommen hätten, wurde ein Traum war – diese Bilder sind in Winterthur zu sehen. Auch Ai Weiwei, Sohn eines Dichters und Dissidenten, ist ja in der Isolation groß geworden.
"Er ist in der Verbannung aufgewachsen. Man muss sich vorstellen, er war drei Jahre alt, als sein Vater in die Verbannung geschickt wurde. Die ganze Familie war in der Verbannung, zuerst in der Mandschurei, dann in Xinyang. In der Einöde haben sie gelebt, dem Vater war nur erlaubt, die Toiletten in diesem Dorf zu putzen. Er durfte nicht schreiben, nicht publizieren."
Der junge Ai Weiwei ging nach Amerika – und fiel in ein Vakuum; die Ausstellung zeigt Schwarzweißbilder aus der Emigrantenszene. Als er 1993 nach China zurückkehrt, hat er eine Mission: Er will die gesellschaftlichen Missstände ins Bild setzen. Und er will provozieren.
Man sieht den Stinkefinger, den er den architektonischen Wahrzeichen in aller Welt opponierend entgegenstreckt ... Man erlebt seine Frau, wie sie provokant auf dem Platz des Himmlischen Friedens den Rock hebt – das, was man auf diesem Platz nicht sehen soll und darf, das Massaker, das man vergessen soll, das wird durch das Zeigen der Unterwäsche - für China tabubrecherisch – ins Bewusstsein zurückgeholt. Man sieht die in sieben Teile zerschnittene Fotografie eines Soldaten – das parzellierte, entmachtete Militär sozusagen; ein Wunschtraum. Und man sieht, immer wieder, Umweltverschmutzung und die Zerstörung der chinesischen Städte, die Ai Weiwei "schändlich" nennt. Ai Weiwei ist in Haft. Seine Bilder aber zeigen, dass Veränderung für China unabdingbar ist.