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Box-Weltverband
Was der Olympia-Ausschluss der IBA für den Boxsport bedeutet

Das IOC hat angekündigt, dem Welt-Boxverband IBA den Olympischen Status zu entziehen. Grund dafür sind Korruption, Misswirtschaft und Wettbewerbsverzerrung. Im Amateurboxen gibt es nun einen zweiten Weltverband, der immer mehr Zulauf erhält.

Von Raphael Späth | 11.06.2023
Boxhandschuh bei den Olympischen Spielen in Tokio 2021.
Die Olympische Traditionssportart Boxen steht aufgrund von Korruptionsskandalen im Box-Weltverband IBA vor dem Aus. (IMAGO / USA TODAY Network / IMAGO / Andrew P. Scott)
„Die IBA wird den Olympischen Status verlieren. Daran gibt es jetzt keinen Zweifel mehr. Das ist eine Einbahnstraße. Mir war das schon vorher klar, aber jetzt wissen wir es auch offiziell.“ Boris van der Vorst freut sich über die Ankündigung des IOC. Seit zehn Jahren ist er Präsident des niederländischen Box-Verbandes, zwei Mal hat er zuletzt versucht, Präsident des Weltverbandes zu werden und seinen Sport so vor dem Olympia-Aus zu retten. Zwei Mal wurde seine Wahl von der Führungsspitze der IBA verhindert. „Ich glaube, dass das ein sehr bedeutender Moment für unseren Sport ist. Wir haben jetzt die Möglichkeit, die aktuelle Führung der IBA hinter uns zu lassen. Die Führung, die den Olympischen Status des Boxens gefährdet und das Boxen in eine existenzielle Krise geführt hat.“
Seit vier Jahren ist der Box-Weltverband vom IOC jetzt schon suspendiert. Nach Jahren der Misswirtschaft, der Korruption und Wettbewerbsverzerrung sollte der Verband dadurch die Möglichkeit bekommen, sich von innen heraus zu reformieren und auf die Forderungen des IOC einzugehen.

Russischer Oligarch an Spitze des IBA

Wie das IOC in einem vor wenigen Tagen veröffentlichten Bericht aufzeigt, war eine echte Kooperations- und Reformbereitschaft seitens des Box-Weltverbandes in diesen vier Jahren aber nicht zu erkennen. An der Spitze der IBA steht seit 2021 mit Umar Kremlev ein russischer Oligarch, der mit provokanten Aussagen wie im Dezember letzten Jahres immer wieder für Schlagzeilen sorgt. „Ich würde dem IOC gerne sagen, dass sie zwar Empfehlungen aussprechen können, aber kein Recht darauf haben, uns zu diktieren, wie wir zu leben haben. Wir sind ein unabhängiger Box-Verband. Sagt uns nicht, wie wir zu leben haben", sagte er.
„Der große Fehler, den die IBA die ganze Zeit macht, ist es, davon auszugehen, dass es ihr Recht ist, für das Olympische Boxen verantwortlich zu sein“, sagt der Präsident des niederländischen Box-Verbandes, Boris van der Vorst. „Aber das ist kein Recht, sondern ein Privileg. Und seit Jahren haben sie es nicht geschafft, die Bedenken, die das IOC hatte, was Wettbewerbsintergrität oder Good Governance angeht, auszumerzen.“

Neuer Weltverband: World Boxing

Im April hat Boris van der Vorst deshalb gemeinsam mit Vertretern anderer Nationalverbände einen neuen Weltverband vorgestellt: World Boxing. Auch Michael Müller, Sportdirektor des deutschen Boxsport-Verbandes DBV, war anfangs Teil der Interims-Exekutive. Trotzdem hatte der DBV bis zuletzt versucht, mit der IBA zu kooperieren. „Der DBV war ja grundsätzlich immer in konstruktiven Gesprächen mit der IBA, um auch da so gut wie möglich zu helfen. Aber das IOC hat anscheinend sehr eindeutig entschieden. Es handelt sich ja hier um die komplette Herausnahme eines ganzen Verbandes aus der Olympischen Familie. Und von daher ist das schon ein schwerwiegender Vorschlag.“
Am 22. Juni entscheidet der außerordentliche IOC-Kongress endgültig darüber, ob der Vorschlag der IOC-Exekutive angenommen wird und die IBA seinen Olympischen Status verliert. Der Deutsche Boxsport-Verband will dann in einer Mitgliederversammlung im Juli darüber entscheiden, wie es weitergeht. Aufgrund der Nähe zu World Boxing wurde der DBV erst vor ein paar Wochen vom Box-Weltverband IBA auch suspendiert.

DBV: "Nach anderen Modellen Umschau halten"

„Die Auffassung der IBA ist eben: Man darf nicht, wenn man in der IBA ist, sich nach irgendwelchen anderen Dingen orientieren, sondern muss in der IBA verbleiben“, erzählt DBV-Sportdirektor Michael Müller. „Und wir haben eben mit vielen anderen internationalen Verbänden natürlich die große Sorge gehabt, dass Boxen nicht mehr olympisch ist. Und das ist unsere Verpflichtung gegenüber unseren Athleten und Trainern und unserer Förderung natürlich auch, alles zu tun, dass das Boxen olympisch bleibt. Und da ist es auch eine Option, nach anderen Modellen Umschau zu halten, was ja viele andere Nationalverbände auch gemacht haben.“
Das neue Modell im Amateurboxen heißt jetzt World Boxing. Ende November soll ein erster Kongress stattfinden, Boris van der Vorst hat schon angekündigt, sein Amt als niederländischer Box-Präsident niederzulegen, um sich voll und ganz auf World Boxing fokussieren zu können. Im Deutschlandfunk-Interview erzählt er, dass bereits über 80 Nationalverbände in den letzten Tagen und Wochen Interesse daran bekundet haben, dem neuen Weltverband beizutreten. Auch Vertreter aus Asien und Afrika, die eigentlich eher Umar Kremlev und der IBA zugeneigt waren, hätten sich nach der IOC-Ankündigung bei ihm gemeldet. „Aus allen Teilen der Welt haben wir Interesse an World Boxing erhalten. Das ist eine großartige Entwicklung, weil Boxen sich jetzt am Scheideweg befindet.“

IBA: Entscheidung "rein politisch"

Die IBA hat spricht nach der Verkündung des IOC in einer offiziellen Stellungnahme von einer „abscheulichen“ und „rein politischen“ Entscheidung. Man habe die IBA in den letzten Jahren transparent und sauber erneuert, wird IBA-Präsident Umar Kremlev auf der Website zitiert. „Wir haben die Regeln und den Prozess akzeptiert, wurden am Ende aber nicht fair beurteilt. Jetzt haben wir keine andere Möglichkeit, als eine faire Bewertung vor einem kompetenten Gericht zu fordern.“
Ob und welche juristischen Schritte die IBA einleiten wird, steht aber noch nicht fest.