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Boxerin Scheurich im Streit mit Verband
"Dass man so mit mir umgeht, finde ich krass"

Seit letztem Jahr eskaliert der Streit zwischen Boxerin Sarah Alexandra Scheurich und dem Deutschen Boxsport-Verband immer mehr. Ein Schlichtungsgespräch sollte die Wogen glätten, doch sie habe sofort gemerkt, dass es vonseiten des Verbandes keine Kompromissbereitschaft gegeben habe, kritisiert Scheurich im Dlf.

Sarah Alexandra Scheurich im Gespräch mit Astrid Rawohl |
Die Boxerin Sarah Scheurich.
Die Boxerin Sarah Scheurich will wieder für Deutschland kämpfen. Der Streit mit dem Verband hindert sie daran. (Deutschlandradio / Sarah Scheurich)
Der Deutsche Boxsport-Verband hatte die frühere Athletensprecherin wegen angeblich mangelnder Leistung aus dem Kader genommen. Die Sportlerin sagt dagegen, sie sei rausgeflogen, weil sie Missstände im Verband offen angesprochen habe und deswegen unliebsam geworden.
Beide Seiten warfen sich zuletzt auch in offenen Briefen gegenseitig Falschdarstellungen vor. Die unabhängige Interessenvertretung Athleten Deutschland forderte „eine unverzügliche Kader-Perspektive“ also, dass der DBV darlegt, „unter welchen Bedingungen die Boxerin Sarah Scheurich in den Bundeskader zurückkehren kann.“
Daraufhin kam es zu einem Schlichtungsgespräch. Zu der Online-Schalte hatte der Deutsche Olympische Sportbund DOSB den Verband, die Sportlerin, Athleten Deutschland und die Deutsche Sporthilfe eingeladen - mit dem Ergebnis, dass die Gräben nun noch tiefer sind als zuvor.

DBV will keine weitere Zusammenarbeit

Scheurich sagte dazu im Interview mit dem Dlf, dass sie mit der Vorstellung in das Gespräch gegangen, einen Kompromiss zu finden. Sie habe aber schnell gemerkt, dass der Impuls nur von ihrer Seite gekommen sei. Der DBV habe sofort signalisiert, dass eine weitere Zusammenarbeit nicht vorgesehen sei. „Das habe ich so nicht erwartet und mich gefragt, warum man überhaupt in dieses Gespräch reingeht. Ich habe gedacht, dass mir dort auch eine Perspektive aufgezeigt wird, wie ich wieder in den Kader kommen könnte.“ Die Sporthilfe und Athleten Deutschland hätten dies auch gemeinsam mit ihr gefordert. Auch der DOSB sei dieser Ansicht gewesen.
Man habe sich am Ende des Gesprächs darauf verständigt, dass der DBV Scheurich eine Perspektive aufzeigen muss. Man habe aber klar gemerkt, dass dieser Kompromiss vonseiten des DBV nicht gewollt sei. „Ich war davon sehr überrascht“, sagt die Athletin. Als Begründung hatte der Verband unter anderem ein gestörtes Vertrauensverhältnis genannt.

Unklarheit über DBV-Leistungskriterien

DBV Sportdirektor Michael Müller hatte den Rauswurf in einem Interview mit dem Sportinformationsdienst SID zudem mit „nicht erbrachter, bzw. stagnierender Leistungen und mangelnder internationaler Perspektiven“ begründet.
Auf die Frage, welche sportlichen Kriterien sie nicht erfüllte habe, sei vonseiten des Verbandes keine konkrete Antwort gekommen. „Der DBV muss jetzt eigentlich die Kriterien offenlegen und auch sagen, welche Nominierungskriterien es sind, denn nur aufgrund dessen kann ich ja rausgeworfen worden sein, wenn ich die alle nicht erfülle.“ Die aktuellen Leistungskriterien kennt Scheurich nicht. Bis 2020 habe man diese auf der DBV-Seite lesen können. „Aber seitdem habe ich keine mehr gefunden.“

"Das Problem ist, dass ich ohne den Verband nicht boxen kann"

Scheurich möchte auf jeden Fall zurück in den Kader, auch bei Europa- und Weltmeisterschaften kämpfen. „Das Problem ist, dass ich ohne den Verband nicht boxen kann.“ Seit sieben Monaten gehört die Boxerin nun nicht mehr zum Perspektivkader, was ihre Trainingsmöglichkeiten aber auch die finanzielle Unterstützung stark einschränkt.
„Der Verband ist auch jemand, der mit mir zusammen – genauso wie Trainer – daran arbeiten sollte, dass wir am Ende oben auf dem Treppchen stehen und dass man als Team darangeht", meint Scheurich. „Dass man so mit mir umgeht, finde ich krass!“ Den Vorwurf, dass sie permanent in der Öffentlichkeit die Unwahrheit verbreite, könne der Verband nicht belegen. „Das ist traurig, dass das so dargestellt wird.“

Missstände im Verband offen angesprochen

Scheurich hatte in der Vergangenheit leistungs- und frauenfeindliche strukturelle Missstände aufgezeigt. Fünf weitere Boxerinnen sowie frühere Funktionäre des Boxverbandes hatten die Vorwürfe unterstützt. Auch das Bundesinnenministerium als Geldgeber hatte zugegeben, über Vorwürfe sexualisierter Gewalt informiert zu sein, aber es gelte, „dass die Verbände ihre Angelegenheiten im Rahmen ihrer Verbandsautonomie selbst regeln".
Scheurich findet es „gefährlich, wenn mögliche Täter selber ermitteln, was dort passiert ist.“ Sachen, die schieflaufen, könnten sich so auch nicht ändern. „Das ist falsch, dass das so läuft in Deutschland und dass da keine andere Instanz eingreift.“

Psychische Probleme und ADHS werden negativ ausgelegt

Die Boxerin geht auch offen mit psychischen Belastungen sowie ADHS um. Mit dem Sport habe sie das immer sehr gut vereinbaren können, „auch mein ADHS hat dem Sport gutgetan.“ Es sei schade, dass ihr nun auch das vom Verband zu ihrem Nachteil ausgelegt werde. Für alle, die auch mit psychischen Problemen zu kämpfen hätten, sei das ein Zeichen, dass sie im Leistungssport nicht gewollt seien.

"Ich will einfach nur boxen"

Die ganze Situation habe auch dazu geführt, dass sie über einen Wechsel ins Ausland nachgedacht habe. „Aber eigentlich ist es natürlich schon so, dass ich für Deutschland antreten möchte.“ Scheurich wünscht sich deshalb, dass sie sich in Aussscheidungskämpfen wieder für die nächsten Wettkampfhöhepunkte qualifizieren kann. „Ich will einfach nur boxen und das machen, was ich die letzten Jahre gelernt habe, meinen Job ausüben. Das ist alles, was ich will.“