Archiv

Boy- und Girlbands in Südkorea
Die dunkle Seite des K-Pop

Die koreanische Band BTS hat auch in Deutschland junge Mädchen zum hysterischen Kreischen gebracht. Sie sind weltweit Superstars – das bekannteste Aushängeschild für koreanischen Pop. Wo tausende junge Musiker auf einen Durchbruch hoffen, häufen sich die Klagen über die Zustande in der Branche.

Von Kathrin Erdmann |
    Die südkoreanische Boyband BTS bei den 2018 Billboard Music Awards in Las Vegas.
    Die südkoreanische Boyband BTS bei den 2018 Billboard Music Awards in Las Vegas. (imago / Jim Ruymen)
    "Es gibt nicht viele Menschen, denen ich vertrauen und mit denen ich über persönliche Dinge reden kann."
    Jonghyun, der Leadsänger der aufstrebenden K-Pop-Gruppe Shinee nimmt sich Ende 2017 das Leben. Er hält dem Druck nicht mehr stand. Lee Seok-cheol , Star der südkoreanischen Band Eastlight lässt es nicht soweit kommen. Im Oktober vergangenen Jahres erhebt er öffentlich schwere Anschuldigungen gegen seine Agentur: "Seit 2015 wurden Mitglieder von Eastlight von unserem Producer in einem Übungsraum geschlagen, auf dem Dach hat er uns sogar mit einem Baseballschläger und einem Metallschrubber malträtiert. Und ständig drohte er damit uns zu töten, wenn wir unseren Eltern davon erzählen."
    Zukunftspläne unmöglich
    Und ein anderer berichtet in einer Dokumentation des australischen Senders SBS: "Ich war eifersüchtig auf meine jüngere Schwester, die eine ganz normale Schule besuchte. Sie hatte Pläne für ihre Zukunft, etwas, dass ich nie hatte."
    Lee Jong-im kennt viele dieser Aussagen. Die Südkoreanerin ist Expertin für Popkultur und hat ein Buch über die dunkle Seite des K-Pop geschrieben. Lee Jong-im hatte bei ihren Recherchen das Gefühl, die Jugendlichen freuten sich regelrecht, über ihr Leben zu berichten: "Das Aussehen ist das Wichtigste für K-Pop-Stars. Also müssen sie Diät halten. Einige der Schüler haben mir berichtet, dass ihre Agentur oder die Akademie ein Maximalgewicht von 50 Kilo verlangten, egal wie groß sie waren. Sie mussten sich Schönheits-OPs unterziehen und hatten kein Privatleben. Ihre Handys wurden konfisziert."
    Singles verkaufen sich besser
    Einen wichtigen Beitrag zum Erfolg leisten die Fans. Sie sind ein Grund dafür, dass K-Pop-Stars oft keine Liebesbeziehung haben dürfen. Singles verkaufen sich eben besser. Wie gut, kann man hautnah in einem mehrgeschossigen Haus in Gangnam in Seoul sehen. SM, eines der größten Entertainment-Unternehmen Südkoreas, bietet hier auf mehreren Etagen sämtliche Fanartikel "seiner" K-Pop-Gruppen an - auch einige vom verstorbenen Sänger Jonghyun übrigens.
    SM, eines der größten Entertainment-Unternehmen Südkoreas, bietet auf mehreren Etagen sämtliche Fanartikel - von CDs über Kleidung, Poster Bücher und vieles mehr
    SM, eines der größten Entertainment-Unternehmen Südkoreas, bietet auf mehreren Etagen sämtliche Fanartikel (Kathrin Erdmann)
    Die 20-jährige Hyeon Yeji steht auf die Boygroup NCT - "Die seien so hübsch…" Ihren Idolen folgt sie in den einschlägigen sozialen Netzwerken. Tauschen möchte sie nicht. Hyeon Yeji, 20, Studentin: "Sie tun mir leid, denn sie sind noch jung und haben überhaupt keine Freizeit, können nicht genug schlafen und sind dauern im Stress." Wie viele andere junge Frauen hat sie einen Favoriten in der Band – und wenn der jetzt eine Freundin hätte … sie überlegt lange: "Ich wäre echt am Boden zerstört, wenn er jemanden treffen würde, aber dennoch würde ich wohl versuchen, ihn zu unterstützen."
    Auch die 23 Jahre alte Jung würde nicht mit einem K-Pop Star tauschen wollen: "Oh no never!" Zu wenig Privatleben – dass sie aus ihrer Sicht aber ruhig haben sollten. Doch da seien eben die Fans: "Die sind oft richtig aufdringlich, folgen ihnen heimlich überall hin, machen Fotos, manchmal dringen sie sogar in ihr Haus ein."
    Ein Milliardengeschäft für die Konzerne
    Beide Frauen kaufen regelmäßig Werbeartikel ihrer Idole – K-Pop ist ein Milliardengeschäft für die Konzerne und einer der wichtigsten Exportartikel Südkoreas.
    Kostüme der K-Pop-Stars
    Kostüme der K-Pop-Stars (Kathrin Erdmann)
    Ausgebildet werden sie unter anderem in der Sandfactory in Seoul. Die Privatakademie bietet Tanz-, Gesangs- und Schauspielunterricht an. In einem Raum probt ein junger Mann mit braun gefärbtem Haar und Ring im Ohr einen Song. Die Akademie teilt ihre Schüler in neun Kategorien ein – der Sänger ist eher im oberen Bereich – einen Raum weiter hingegen ist noch viel zu tun. Ein Schüler soll zum Rhythmus der Musik die Knie heben und die Arme dazu bewegen – der Rhythmus stimmt, die Bewegung nicht – er soll den Brustkorb weiter aufrichten.
    Kim Min Syk ist Geschäftsführer und Gesangstrainer in der Sandfactory: "Da ist zum einen der Klang der Stimme. Dann gucken wir auch, wie humorvoll und aufgeweckt jemand ist. Und natürlich spielt das Gesicht eine wichtige Rolle, auch wenn wir an dem natürlich nichts ändern können."
    Liebesbeziehungen sind vertraglich verboten
    Dass das Leben als angehender Star von den jungen Leuten viele Kompromisse fordert, räumt Kim Min Syk, der selbst eine K-Pop Agentur hat, unumwunden ein: "In den Verträgen einer unserer Girlbands stand auch, dass sie keine Jungs treffen dürfen, aber es ist sehr schwer, sie daran zu hindern, denn sie werden es trotzdem versuchen. Man muss sie dann kontrollieren, das kostet viel Geld. Größere Agenturen lassen ihre Manager sogar mit denen in einem Zimmer schlafen, damit sie keinen Blödsinn machen.
    Er wisse natürlich, dass eine Liebesbeziehung in dem Alter der angehenden Stars ganz normal sei, aber das sei der Preis für den Erfolg – ein Leben für die Show und vor allem die Fans: "Wir schreiben eine entsprechende Klausel in die Verträge, weil die Fans da sehr empfindlich sind. Ich hab zum Beispiel einen Sänger ausgebildet, der bei YG, einer der größten Agenturen unter Vertrag stand. Als bekannt wurde, dass er eine Freundin hat, wurde er gefeuert. Und bis heute kursieren diese Fotos im Netz. Er kann seine Karriere vergessen. Das ist wie mit Rauchen. Wenn das über jemanden bekannt wird, verzeihen das die Fans nie!"
    Immerhin hat sich inzwischen auch einiges verbessert. Große Agenturen mussten auf Druck von Gewerkschaften bestimmte Klauseln aus ihren teils sklavenähnlichen Verträgen nehmen. Darin wurden die K-Pop-Stars und -Sternchen häufig verpflichtet, die Ausbildungsgebühren durch kostenlose Auftritte abzuarbeiten. Dass hinter den Kulissen nicht trotzdem Schlimmes passiert, hält die Popkulturexpertin Lee aber durchaus für möglich. Das sei eben die dunkle Seite des K-Pop.