"Wenn ich mir den Track anhöre, dann tut mir der Mavi leid, der den Track zu dem Zeitpunkt aufgenommen hat, dass er so viel Wut hat und so viel Frustration. Aber das war einfach mein State of Mind zu dem Zeitpunkt, wo ich das aufgenommen habe."
Mavi Phoenix spricht von "12 Inches", der Befreiungshymne seines Debütalbums "Boys Toys". Er singt "I’m just a little blond bitch / but I got a big cock" – es muss jetzt raus, bevor ich sterbe und es zu spät ist, heißt es weiter.
So einen wütenden Track zu hören, darüber hätte sich sein jüngeres Ich sehr gefreut, sagt Mavi Phoenix, der in Wien lebt.
"Wenn es denn irgendeinen Song gibt, der diese Transgender-Thematik ungefiltert beschreibt, dann kann man auf '12 Inches' deuten und sagen, hör dir das an!"
Die Lust auf einen neuen Lebensabschnitt
Zweifel, Angst, aber auch die Lust auf den neuen Lebensabschnitt als trans Mann kann man auf "Boys Toys" hören. Es ist ein dichtes Konzeptalbum, thematisch und musikalisch. Transidentität ist in den meisten Stücken Thema. Am prägnantesten in "Family". Einem unruhigen Gitarren-Stück, bei dem fast jede Zeile ein Zitat ist, das man sich notieren möchte.
Für die Selbstermächtigung und das öffentliche Outing als trans Mann war auch die selbst geschaffene Pop-Figur wichtig. Denn Mavi Phoenix wurde von außen als feministische, weibliche Rapperin gelesen.
"Ich bin einfach immer wieder in Interviews darauf angesprochen worden, wie es ist, eine Frau im Rap und so weiter. Dadurch habe ich auch gemerkt, wie sehr ich das nicht bin und wie sehr mich das eigentlich kränkt oder traurig macht, wenn ich darüber rede, dass ich eine Frau bin. Deswegen hat es mir auch geholfen."
Antithese zum prolligen deutschsprachigen Rap
Mavi Phoenix ist eine Antithese zum prolligen und profitorientierten deutschsprachigen Rap. Bei ihm gibt es keine frauenverachtenden Texte, sondern eine humorvoll umgesetzte Innenschau. Dabei wird zwar nicht immer jeder Ton getroffen. Doch der Sound seines Produzenten Alex The Flipper holt das wieder raus. Er orientiert sich an den großen Hochglanz-Produktionen des Genres und ist damit eher Hollywood als Alpenland. Man hört breite Trap-Beats, aber auch eine bekiffte Gelassenheit, die an den Cloudrap erinnert. Außerdem wird Mavi Phoenix' Stimme mit Effekten verändert. Das ist stellenweise ein bisschen zu viel Spielerei. Manchmal klingt er sogar wie eine Comicfigur.
"Just because my voice is high, doesn’t mean I’m not a guy" Das ist dann die Stimme von "Boys Toys", so heißt nicht nur das Album, sondern auch ein kindliches Alter Ego des Musikers, das immer wieder als Kommentator in den Stücken auftaucht und sogar einen eigenen Instagram-Account hat.
"Als ich akzeptiert habe, dass ich transgender bin, hat sich das cool angefühlt, eine neue Persona zu kreieren im Gegenüber zu Mavi Phoenix. Das ist Mavi Phoenix als kleiner Junge, weil ich das nie leben konnte und jetzt in der Musik jetzt auch nachgelebt habe. Oder zum Beispiel im ‚Fck-It-Up"-Video einfach das aufzurollen wieder."
Eine hemmungslose Feier der Transidenität
Das Video zu "Fck It Up" könnte in den 90er-Jahren aufgenommen worden sein. Mavi Phoenix sieht aus wie eine Mischung aus Kurt Cobain und Nick Carter von den Backstreet Boys. Er sitzt im Kinderzimmer in einem viel zu kleinen Spielzeugauto und fächert Pokémon-Karten in Richtung Kamera – als seien es Dollarnoten.
"Boys Toys" von Mavi Phoenix ist eines der wichtigsten Alben der deutschsprachigen Popmusik dieses Jahres. Es ist eine hemmungslose Feier der Transidentität. Und erinnert an andere queerfeministische Positionierungen im deutschsprachigen Rap, etwa von Sookee oder ÉSMaticx. Das Albumzeigt, dass es okay ist, wenn Männer auch mal soft sind. Darüber hinaus kann es eine Blaupause sein, auch für andere trans* Personen, sich zu sich selbst bekennen zu können. Dass Mavi Phoenix nicht der allerbeste Rapper ist und die Musik auch etwas überladen ist mit Effekten passt da noch eher ins Bild, als dass es stören würde.