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BR-Projekt über Kurt Eisner
"Mit dem alten Besteck kommt man im Digitalen nicht weiter"

Um mit den Toten zu reden, braucht man ein Medium: Ein Projekt des Bayerischen Rundfunks lässt die Nutzer über WhatsApp mit dem 1919 ermordeten ersten Ministerpräsidenten Bayerns, Kurt Eisner, kommunizieren. "Wir wollen den Menschen erfahrbar machen", so Projektleiter Matthias Leitner im Dlf.

Matthias Leitner im Gespräch mit Stefan Fries |
    Menschenmengen sammeln sich während der Novemberrevolution 1918 in München.
    Beim Bayerischen Rundfunk kann man jetzt per WhatsApp in die Vergangenheit reisen (picture alliance/dpa/)
    "München, 1918: Wir kämpfen in einem aussichtslosen Krieg, wir sterben in Schützengräben, sterben an Hunger. Ich kämpfe gegen Kriegstreiberei, gegen die Monarchie, für den Frieden. Die Leute schimpfen mich einen Pazifisten, einen Sozialisten, Intellektuellen, Juden und Träumer. Hier erzähle ich Euch meine Geschichte. Eine Geschichte von Krieg und Revolution, von Freiheit und Mord. Eine Geschichte aus Bayern - heute vor 100 Jahren. Mein Name ist Kurt Eisner."
    Kurt Eisner war 1918 der erste Ministerpräsident von Bayern. Und wer will, kann mit "Ich, Eisner!" täglich WhatsApp-Nachrichten von Eisner bekommen – vier Monate lang. Einer der Köpfe des Projekts ist Matthias Leitner - er sagt: "Wir wollen den Menschen Eisner erfahrbar machen."
    Chatbot plus
    Eisner sei als Ministerpräsident Bayerns eine wirkmächtige Figur gewesen – so habe er zum Beispiel das Frauenwahlrecht und den 8-Stunden-Tag eingeführt. Mit dem Geschichtsprojekt per WhatsApp wolle man auch ein Publikum ansprechen, das bisher wenig von den Angeboten des BR mitbekomme. Erfolgreich, sagt Leitner: vor allem Schülerinnen und Schüler, die das Thema gerade im Unterricht behandeln, würden sich bei den Autoren melden.
    Der bayerische Ministerpräsident in einer undatierten Aufnahme. Der Pazifist Kurt Eisner schloß sich im Ersten Weltkrieg der USPD an. Am 7. / 8. November 1918 proklamierte er den republikanischen "Freistaat Bayern". Seine Ermordung durch den nationalistischen Studenten Anton Graf von Arco am 21. Februar 1919 in München wurde zum Signal für die Ausrufung der zweiten Münchner Revolution.
    Kurt Eisner wurde am 21. Februar 1919 von einem völkischen Studenten ermordet (picture-alliance / dpa)
    Die Kommunikation erfolgt größtenteils über einen Chatbot – der verschickt teils Originaltexte von Eisner, teils recherchebasierte Texte, die das Autorenteam dem 1919 ermordeten Politiker auf den Leib geschrieben hat. Wenn die User antworten, reagiert der Bot - bei sehr individuellen Anfragen, aber auch, wenn sich aus Posts größere Debatten ergeben, würden aber die Macher des Projekts zurückschreiben.
    Der BR nutze verstärkt neue Medien und Apps, um deren journalistische Anwendungsfähigkeit zu testen. Das sei wichtig für die Zukunft des Journalismus, so Leitner, denn: "Mit dem alten Besteck kommt man im Digitalen nicht weiter."