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Brahms erste Sinfonie
Fassung für Klavier mit vier Händen

Sie sind traditionell ein fester Bestandteil im Kernrepertoire der romantischen Orchestermusik: die vier Sinfonien von Johannes Brahms. Ihre Klavierfassungen erklingen dagegen im Konzertsaal nur selten. Ihnen widmet sich das Schweizer Klavierduo Adrienne Soós & Ivo Haag; beim Label Telos Music ist jetzt ihre Einspielung der ersten Sinfonie erschienen.

Von Klaus Gehrke |
    Der deutsche Komponist Johannes Brahms auf einem Foto aufgenommen um 1889.
    Johannes Brahms (picture alliance / dpa)
    "Das ist der Erbe Beethovens", sagte der Geiger Joseph Hellmesberger über Johannes Brahms nach dessen Debütkonzert in Wien Ende 1861. Dieses enthusiastische Kompliment wurde für den damals 28-Jährigen zum Fluch: Denn gerade im sinfonischen Bereich fiel es Brahms sehr schwer, sich vom geradezu übermächtigen Schatten Beethovens zu lösen. Das zeigt insbesondere die Entstehungsgeschichte seiner ersten Sinfonie in c-Moll op.68, die sich über 15 Jahre hinzog.
    Ringen um erste Sinfonie
    Dass man Großes von Brahms erwarten dürfe, prophezeite schon Robert Schumann, der 1853 den jungen Komponisten in Düsseldorf kennenlernte. In die Zeit unmittelbar nach dieser Begegnung fällt auch die Konzeption des ersten Satzes der c-Moll-Sinfonie sowie einer d-Moll-Sinfonie, aus der Brahms dann das erste Klavierkonzert entwickelte. Ab 1862 begann die eigentliche Arbeit an seinem sinfonischen Erstling, die er mit Unterbrechungen erst 1876 abschloss. Während vor allem der erste und letzte Satz Brahms sehr lange Kopfzerbrechen bereiteten, entstanden die beiden Mittelsätze, das Andante sostenuto und das Poco allegretto, kurz vor der Vollendung der Partitur. Knapp ein Jahr nach der Uraufführung des Werkes erstellte der Komponist im Sommer 1877 in Pörtschach die Fassung für Klavier zu vier Händen. Gut gelaunt schrieb Brahms damals seinem Verleger Simrock über die Bearbeitung:
    "Das Kattermäng" (also, à quatre mains‘) - geht heut noch ab, es ist eine Pracht! Und wenn alle Kapellmeister dabei bleiben, dass die Symphonie nichts taugt, so werden die Vierhändigen sagen, sie sei schön."
    Ernstzunehmende Bearbeitung
    Trotz des leicht ironischen Untertons zeigt Brahms‘ Äußerung, dass die vierhändige Fassung seiner Sinfonie für ihn mehr war als nur ein Arrangement zu verbreitungstechnischen Zwecken. Dieser Sichtweise kann das Duo Soós und Haag nur zustimmen, wie letzterer im Booklet zur CD schreibt, Zitat:
    "Tatsächlich sehen wir diese Fassungen als vollwertigen Bestandteil seines Gesamtwerkes, sonst würden wir sie nicht einspielen. Man muss sich vor Augen halten, dass Brahms immer, also bis zur vierten Sinfonie, Wert darauf gelegt hat, diese Fassungen selbst herzustellen; und zwar weil er sagte, als Komponist dieser Werke sei er bei der Bearbeitung viel freier als jeder Arrangeur. Und er schafft tatsächlich das Kunststück, eine Orchesterpartitur in genuine Klaviermusik zu verwandeln, die vom Klaviersatz her auf dem gleichen Niveau steht wie seine originale Klaviermusik."
    Die jetzt erschienene CD ist die Nummer zwei des Brahms-Projektes. Dieses startete das Klavierduo 2015 mit der Veröffentlichung der zweiten Sinfonie. Wie dort haben Adrienne Soós und Ivo Haag auch auf dieser CD zwei weitere interessante Originalwerke für Klavier zu vier Händen eingespielt; eines davon sind Brahms‘ Variationen Es-Dur über ein Thema von Robert Schumann op. 23.
    CD zum Wiederhören und Entdecken
    Gerade diese Variationen sind ein überaus beziehungsreiches Werk, denn das Thema hatte Robert Schumann im Februar 1854 unmittelbar vor seinem psychischen Zusammenbruch in den so genannten "Geister-Variationen" verarbeitet. Brahms schrieb seine zehn Veränderungen über Schumanns letzten musikalischen Gedanken 1861. Im Vergleich zu den im gleichen Jahr entstandenen Händel-Variationen oder der Klavierversion der Haydn-Variationen ist dieser Variationszyklus vergleichsweise selten zu hören – zu Unrecht, wie das Duo Soós-Haag findet. Gleiches gilt auch für die sechs leichten Tanzstücke für Klavier zu vier Händen, die Schumann im Herbst 1853 komponierte und unter dem Titel 'Kinderball' als op. 130 herausgab. Hier, so finden die beiden Interpreten, wird noch einmal die Erinnerung an die Kindheit sowie die Familienidylle beschworen; doch die ist angesichts der zunehmenden Geisteskrankheit brüchig geworden. Mit dieser CD haben Adrienne Soós und Ivo Haag eine überaus spannungsvolle und tiefgründige Einspielung voller Leidenschaft und Innigkeit vorgelegt, die zum neu Wiederhören und Entdecken einlädt. Man darf durchaus gespannt sein auf die nächste vierhändige Brahms-Sinfonie und deren kongeniale Ergänzung.
    Johannes Brahms: Sinfonie Nr. 1 u. a. Werke mit Piano Duo Soós & Haag (Telos Music CD TLS 219)