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Branddirektor Thomas Deckers
"Das Silvesterfeuerwerk ist überflüssig"

Der Umgang mit Silvesterböllern sei gefährlich, sagte Thomas Deckers, Branddirektor bei der Feuerwehr Bocholt, im Dlf. "Und für die Umwelt ist es auch nicht gerade sehr förderlich." Er persönliche halte Verbote von Silvesterfeuerwerken für sinnvoll.

Thomas Deckers im Gespräch mit Peter Sawicki |
    Silvester-Raketen und Böller liegen ausgebreitet auf einem Tisch.
    "Es kostet es viel Geld, und das verpufft halt innerhalb von Minuten": Branddirektor Deckers ist kein Freund von Böllern und Raketen (dpa / picture alliance / Lino Mirgeler)
    Peter Sawitzki: Das Jahr 2018 geht zu Ende. In drei Tagen ist Silvester, und wer noch nicht darüber nachgedacht hat, wie er den Jahreswechsel verbringt, der tut das vermutlich spätestens in diesen Tagen. Viele freuen sich dabei auch auf das Feuerwerk, das Böllern – wie jedes Jahr im Prinzip. Seit heute sind Feuerwerkskörper im Handel zu erwerben, und wie in den Jahren zuvor stellt sich sicherlich für viele die Frage: Wie böllert man denn sicher und gefahrlos? Darüber sprechen wir jetzt mit Thomas Deckers. Er ist Branddirektor bei der Feuerwehr Bocholt im Nordwesten Nordrhein-Westfalens. Guten Tag, Herr Deckers!
    Thomas Deckers: Guten Tag!
    Sawitzki: Böllern Sie an Silvester auch in diesem Jahr?
    Deckers: Nein. Ich selbst böllere nicht.
    "Ich halte nicht viel von dem Böllern"
    Sawitzki: Weil Sie im Dienst sind?
    Deckers: Nein, nicht weil ich im Dienst bin. Ich persönlich halte nicht ganz so viel von dem Böllern, insofern habe ich das schon seit einigen Jahren nicht mehr gemacht.
    Sawitzki: Warum?
    Deckers: Zum einen stellen Böller eben halt eine gewisse Gefahr dar einerseits. Andererseits kostet es viel Geld, und das verpufft halt innerhalb von Minuten. Und für die Umwelt ist es halt auch nicht gerade sehr förderlich, insofern habe ich mich dagegen entschieden.
    Sawitzki: Was glauben Sie, warum böllern immer noch viele andere Menschen?
    Deckers: Ich denke mal, das ist eine Faszination, dass man eben die Böller in die Luft schießt, Raketen. Das ist natürlich schon irgendwo auch eine Besonderheit an Silvester, und das schaue ich mir natürlich auch an ein Stück weit mit den Kindern, aber das ist so der Grund, dass man halt immer noch sehr viel böllert.
    Sawitzki: Wie lassen sich denn Feuerwerkskörper sicher zünden?
    Deckers: Grundsätzlich ist es erst mal ganz wichtig, dass man Feuerwerkskörper kauft, die auch zugelassen sind. Es gibt also sogenanntes geprüftes Feuerwerk, das erkennt man an einem CE-Kennzeichen und einer Registrierungsnummer der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung. Das ist eigentlich schon mal eine Grundvoraussetzung, dass man eben dieses geprüfte Feuerwerk verwendet. Illegales Feuerwerk ist definitiv auch gefährlich und auch strafbar.
    Gefahr von illegalen Feuerwerkskörpern
    Sawitzki: Sind illegale Böller, illegale Feuerwerkskörper eigentlich auch im legalen Handel sozusagen zu finden, auf die man dann zufälligerweise stoßen könnte?
    Deckers: Nein, da kann man nicht von ausgehen. Der Handel wird in der Regel geprüftes Feuerwerk verkaufen, und wie gesagt, man erkennt das auch an dieser Nummer der Bundesanstalt für Materialforschung. Insofern gehe ich davon aus, dass illegales Feuerwerk definitiv nicht im Handel zu sehen ist.
    Sawitzki: Was glauben Sie, wie viele illegale Feuerwerkskörper sind denn ungefähr so im Umlauf?
    Deckers: Das kann man schwer schätzen. Ich kann es so nicht sagen.
    Sawitzki: Aber die sind schon im Umlauf? Sie stoßen schon auch auf illegale Feuerwerkskörper?
    Deckers: Ja, auch das sieht man immer wieder mal, dass eben mit illegalen Feuerwerkskörpern geschossen wird. Nur, wie gesagt, die Anzahl lässt sich schwer einschätzen.
    Sawitzki: Und sind die in aller Regel über Privatpersonen erhältlich, in Anführungszeichen?
    Deckers: Ja, über Privatpersonen oder im Ausland. Da gibt es sicherlich verschiedene Wege.
    Viele halten den Sicherheitsabstand nicht ein
    Sawitzki: Und wie böllert man dann sicher, wenn man die legal erworbenen, die sicheren Feuerwerkskörper hat? Was muss man dann beim eigentlichen Zünden beachten?
    Deckers: Erst mal geht es darum, dass man das Feuerwerk sicher aufstellt. Wenn man zum Beispiel Raketen abschießt, sollte man darauf achten, dass man die zum Beispiel in eine Flasche stellt. Die Flasche wiederum sollte in einer Getränkekiste stehen, sodass man erst mal eine sichere Abschussrampe hat. Sie sollte so ausgerichtet sein, dass die Raketen nicht auf das Haus gerichtet werden oder auf Personen oder andere Gegenstände, sondern eben nach oben in die Luft abgeschossen werden können. Das sind so wichtige Grundlagen. Und ich denke, ein weiterer wichtiger Aspekt ist eben auch der Abstand zu den Feuerwerkskörpern, dass man den auch ausreichend hält.
    Sawitzki: Das heißt, wie groß sollte der sein?
    Deckers: Ich sage mal, acht bis zehn Meter ist ein guter Abstand.
    Sawitzki: Und wie viele Menschen, erfahrungsgemäß, wenn Sie auf die letzten Jahre schauen, halten sich an diese Vorgaben?
    Deckers: Wenn man ganz ehrlich ist, nicht ganz so viele. Zumindest, was den Abstand betrifft, wird dieser in der Regel nicht eingehalten. Viele achten sicherlich darauf, dass es eine gute Abschussrampe gibt. Aber auch hier kommt es immer wieder dazu, dass Raketen oder Böller auch durchaus auf Menschen oder Häuser gerichtet werden. Das kommt natürlich auch vor. Das ist sicherlich ein Stück Verantwortung, das man da auch mittragen muss.
    Sawitzki: Wie groß ist die Verletzungsgefahr beim Böllern?
    Deckers: Die Verletzungsgefahr ist sehr groß. Es kann durchaus zu schweren Verbrennungen kommen, wenn man den Böller zu lange in der Hand hält und er halt in der Hand explodiert, bis hin dazu, dass ein Finger oder mehrere Finger auch abgetrennt werden können.
    Sawitzki: Und kommt das regelmäßig vor, in den vergangenen Jahren?
    Deckers: Das kommt regelmäßig vor, ja. Das ist eigentlich in jedem, sind individuell solche Unfälle vorprogrammiert.
    Einsätze an Silvester sind "erkennbar gestiegen"
    Sawitzki: Wie schwierig oder wie aufwendig ist für die Feuerwehr in Nordrhein-Westfalen beispielsweise der Einsatz an Silvester beziehungsweise in der Nacht auf Neujahr?
    Deckers: Es kommt in der Regel zu einem erhöhten Aufkommen sowohl im Rettungsdienst als auch im Brandschutz. Und je nach Größe einer Stadt muss hier auch entsprechend Vorsorge getroffen werden. In der Regel ist es so, dass die Feuerwehren zusätzliches Personal vorhalten, auch im ehrenamtlichen Bereich ist es so, und dass gewährleistet ist, dass die Feuerwehr da schnell anrücken kann und Hilfe leisten kann.
    Sawitzki: Und sind solche Einsätze an Silvester dann, die sich in der Nacht auf Neujahr ergeben, sind die in den vergangenen Jahren gestiegen?
    Deckers: Erkennbar gestiegen, das ist schwer nachzuvollziehen. Das ist im Rettungsdienst schon teilweise erkennbar, wobei das dann nicht immer nur Feuerwerkskörper sind, sondern auch teilweise der Alkohol als solches. Und die Brandeinsätze als solche sind, denke ich mal, so ähnlich wie in den letzten fünf Jahren geblieben.
    Sawitzki: Sie haben ja schon Ihre Skepsis anklingen lassen, was Feuerwerkskörper angeht. Ist das für Sie nicht mehr zeitgemäß?
    Deckers: Meine persönliche Meinung ist eigentlich, dass das Silvesterfeuerwerk überflüssig ist.
    Sawitzki: Auch wegen der Umweltschäden beispielsweise?
    Deckers: Richtig, genau. Auch wegen der Umweltschäden, wegen der Verletzungsgefahr. Aus meiner Sicht ist es nicht notwendig.
    Sawitzki: Und die deutsche Umwelthilfe hat ja jetzt ein Verbot von Feuerwerkskörpern in Innenstädten ins Gespräch gebracht. Finden Sie diesen Vorschlag sinnvoll?
    Deckers: Der ist durchaus sinnvoll. Es gibt mittlerweile einige Städte, die auch ein Verbot ausgesprochen haben, zum Beispiel Düsseldorf. Dort darf in der Altstadt nicht geschossen werden. Dann gibt es eben halt auch das Bundessprengstoffgesetz her, dass in der Nähe von Krankenhäusern, Altenheimen und dergleichen, Kirchen, nicht geschossen werden darf aufgrund des Lärms. Und dann auch in so Bereichen, wo zum Beispiel reetgedeckte Häuser sind, darf ebenfalls nicht geschossen werden. Und das wird zunehmend auch ausgesprochen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.