Sie wäre ein absoluter Touristenmagnet, die St.-Katharinen-Kirche, stünde sie in Lübeck oder Stralsund. Ein stattlicher norddeutscher Sakralbau der Backsteingotik, wie aus dem Bilderbuch. In der Stadt Brandenburg an der Havel steht er allerdings - als das Gotteshaus der Bürgerschaft - seit jeher im Schatten des Domes, der ja als die Wiege des Landes Brandenburg gilt. Der Dom besitzt außerdem dazu noch die bedeutendste Denkmalorgel im Land, geschaffen vom wichtigsten Orgelbauer des märkischen Barock Joachim Wagner. Doch St. Katharinen hat nun immerhin das größte Instrument in Brandenburg.
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Drei Orgelbauer sind auf der Empore zugange. Über Leitern klettern sie zwischen den über 6000 Pfeifen herum. Jede einzelne wird in die Hand genommen oder an den Mund gesetzt, um die Tonhöhe zu prüfen. Weit weg, am anderen Ende der Kirche, am neuen zentralen Spieltisch im Altarraum, steht Carsten Müller und drückt einzelne Tasten. Er ist der sogenannte "Intonateur". Mit seinem geübten Ohr stellt er sofort fest, wo es noch Probleme gibt.
"So, der Ton hier, der kommt zu langsam! Der müsste schneller ansprechen, ungefähr so! Ja, der ist pünktlich und der ist zu langsam, und das müsste der Kollege jetzt machen!"
"Intonation ist die Klangfeinstellung einer jeden einzelnen Pfeifen über ein ganzes Register, also über eine Reihe Pfeifen gleichen Klanges", sagt Müller.
"Es geht um Lautstärke, es geht um die Schnelligkeit der Pfeife bei der Tonerzeugung und welchen Klangcharakter sozusagen eine Pfeife noch bekommen soll."
Herzstück: Die Hauptorgel von 1936
Die Orgel der Brandenburger St.-Katharinen-Kirche besteht nach ihrer Erweiterung durch die Firma Alexander Schuke in den letzten zwei Jahren nun aus vier Teilwerken. Das größte ist die Hauptorgel auf der oberen Empore, erklärt Orgelbaumeister Michael Schuke, einer der beiden Firmeninhaber.
"In den Zeiten zwischen den beiden Weltkriegen entstanden. Und das ist auch eine Besonderheit dieses Instrumentes, weil es davon recht wenig gibt!"
Die Hauptorgel von 1936 steht unter Denkmalschutz, deshalb hat man sie baulich nicht verändert, sondern lediglich restauriert. Das Klangbild ist "neobarock", das heißt, so wie man sich damals den Klang barocker Orgeln vorgestellt hat. Der Klang passt hervorragend zum echten barocken Gehäuse, das mit viel Blattgold und Skulpturen biblischer Gestalten verziert ist und das zum Glück die Zeitläufe überdauert hat. Es stammt aus der Werkstatt von Joachim Wagner, der auch das ursprüngliche Instrument dahinter baute. Der prachtvolle Zierrat stammt vom Bildhauer Johann Georg Glume, einem Schüler des preußischen Hofbildhauers Andreas Schlüter. Besonders eindrucksvoll die lebensgroßen Figuren der Apostel Petrus und Paulus mit langen Rauschebärten, unterhalb des Pfeifenwerks.
Eine "Registerbibliothek"
Auf der Empore unter der Hauptorgel haben Michael Schuke und seine Mitarbeiter ein komplett neues Werk eingebaut, unsichtbar hinter einer dezent modern gestalteten hellen Holzverkleidung. Es klingt wie eine sinfonische Orgel aus Frankreich vom Ende des 19. Jahrhunderts. Michael Schuke nennt es "Auxiliar", was man mit "Behelfswerk" übersetzen könnte.
"Es dient in erster Linie als Erweiterung zur bestehenden Orgel, und wir haben hier eine besondere Technik eingebaut, eine "Einzeltonansteuerung". Die Pfeifen, die in dem Auxiliar sind, kann man auf jedes Manual beliebig zuwählen. Also eine "Registerbibliothek", von der man sich von jedem Werk aus bedienen kann!"
Klanglich eng verwandt ist das Auxiliar mit der großen Domorgel in Magdeburg, die die Firma Schuke in den 2000er-Jahren erbaut hat.
Für den "Surround-Effekt": zwei weitere Filialwerke
Zur Hauptorgel und dem Auxiliar kommen noch zwei weitere Filialwerke. Das eine steht auf der Empore rechts vom Chorraum der St.-Katharinenkirche, das andere links. Hier, so Intonateur Carsten Müller, finden wir ein klanglich besonders ausgefallenes Register, das "Seraphon", der Name kommt von den "Seraphim", den himmlischen Heerscharen.
"Das ist ein echter Solist! Die Inspiration aus Magdeburg, die haben wir hierher gebracht."
Wenn alle vier Werke zusammen gespielt werden, ist der Eindruck für die Besucher in der Mitte des Kirchenschiffs überwältigend, man kann nicht sagen, von welcher Seite die Orgelklänge kommen.
Trotz Corona war problemloses Arbeiten möglich
Die Mitarbeiter in den Teilwerken der Orgel haben soweit wie möglich mit Mundschutz gearbeitet und sind sich nicht zu nahe gekommen, betont Intonateur Carsten Müller.
"Eng und verbaut sind unsere neuen Werke zum Glück nicht! Wir haben schön Platz, um zu arbeiten, das ist sehr angenehm. In der Hauptorgel ist es natürlich ein bisschen eng, aber das war letztes Jahr, da sind wir drüber weg!"
Weihekonzert auf nächstes Jahr verschoben
"Dieses Projekt war natürlich von Anfang an sehr ambitioniert", sagt der Pfarrer von St. Katharinen Jens Meyburg, der sich besonders über zahlreiche Spendenmittel auch und gerade aus privater Hand freut.
"Diese Großartigkeit zeigt sich in neuen Klangdimensionen, die in der Kirche dann jetzt auch erfahrbar und hörbar werden!"
Das festliche Weihekonzert der Orgel mit Olivier Latry, dem Organisten der Pariser Kathedrale Notre-Dame, hat man aufgrund der Corona-Pandemie auf den 13. Juni des kommenden Jahres verlegt.
"Olivier Latry hat diesen Termin auch schon zugesagt und auch unser Bischof Stäblein wird beim Festgottesdienst dann auch die Festpredigt halten."
Vorher hören kann man die Orgel bis dahin ausschließlich im Rahmen von Gottesdiensten oder Führungen.