Ein grauer, kalter Dezembervormittag im Dorf Schönwalde im Spreewald, 80 Kilometer südöstlich von Berlin. Autos fahren vorbei, aber Fußgänger sind auf der Straße nicht zu sehen. Bis auf einen Mann in einer roten Jacke, der sich schnellen Schrittes nähert: Roland Gefreiter, seit 2002 ehrenamtlicher Bürgermeister von Schönwalde, parteilos, im Vorruhestand. Wir treffen uns am Ortseingang, an einem gelben Haus mit Giebeldach. Bis vor Kurzem gab es hier eine Sparkassen-Filiale, doch sie wurde aufgegeben. Den Bürgermeister ärgert das.
"Die Sparkasse, die hat einfach zum Dorf gehört, die war seit 1929 hier, hat mehrere Gesellschaftsordnungen überstanden. Und jetzt geht's nicht mehr."
Dabei hatte die Sparkasse auch eine wichtige soziale Funktion in Schönwalde: Die Angestellten kannten die Leute im Dorf, die Geldgeschäfte waren sehr persönlich. Und außerdem holte man hier nicht nur Bargeld oder Kontoauszüge ab, man traf auch die Nachbarn. Ein Treffpunkt weniger: Schönwalde geht es da wie vielen Brandenburger Dörfern, wo die Post dichtmacht, der Friseursalon aufgibt, der Gasthof seit Jahren geschlossen ist und man zum Einkaufen zum Discounter auf der grünen Wiese fahren muss. Während des Spaziergangs durch das Dorf treffen wir Karin Weber, die in ihrem Vorgarten Laub harkt. Sie ist Mitglied der Gemeindevertretung. Gefragt, ob Einsamkeit hier in Schönwalde ein großes Problem sei, sagt sie:
"Es wird schon solche Menschen geben, die den ganzen Tag mit ihrem Hund oder einer Katze reden und ansonsten kein Gespräch haben. Aber es ist, denke ich, nicht so gravierend wie in der Stadt, im Neubau oder so, wo man nicht mal weiß, wer neben oder unter jemand wohnt."
Auf dem Dorf müsse man zwar das Laub fegen, weil sonst die Nachbarn meckern. Aber dafür kämen die auch nachschauen, wenn der Briefkasten überquillt, weil er seit Tagen nicht geleert wurde, erzählt Karin Weber. Anders als in der Großstadt, wo einsam Verstorbene manchmal erst nach Wochen gefunden werden.
Experte: Zehn Prozent in Deutschland schon immer einsam
In Berlin, am Platz der Luftbrücke, hat das Deutsche Zentrum für Altersfragen seinen Sitz. Hier forscht Oliver Huxhold zum Thema Einsamkeit. Der Psychologe räumt mit einigen Vorurteilen gleich mal auf: Erstens gäbe es keine Einsamkeits-Epidemie, sondern es hätten sich immer schon etwa zehn Prozent der Menschen in Deutschland einsam gefühlt. Außerdem nehme die Einsamkeit keineswegs mit dem Alter zu: Der Einsamkeitslevel von Menschen zwischen 45 und 54 Jahren sei etwa auf dem gleichen Niveau wie der derjenigen zwischen 75 und 84. Auch Jugendliche in der Pubertät und sogar Kinder könnten sehr einsam sein, sagt Oliver Huxhold.
"Grundsätzlich ist Einsamkeit das Gefühl, das entsteht, wenn die sozialen Kontakte, die ich habe, nicht meine sozialen Bedürfnisse befriedigen können. Und das hängt mit vielen komplexen Faktoren zusammen. Die Hauptursachen sind tatsächlich sozioökonomische Benachteiligung, so was wie Armut, niedrige Bildung."
Denn wenn das Geld für den Bus fehlt oder für das Bier mit Bekannten in der Kneipe, dann wird es schwierig mit sozialen Kontakten. Und sich von Freunden immer einladen zu lassen, ist weder gut für die Selbstachtung, noch für eine Freundschaft auf Augenhöhe. Dass man sich hin und wieder alleine fühlt, sei eine universelle Empfindung, sagt der Psychologe, jedem Menschen auf der Welt bekannt und normal. Doch Einsamkeit, vor allem wenn sie länger andauere, könne gefährlich werden.
"Weil es erhöhte Gesundheitsrisiken bringt. Einsamkeit führt zum Beispiel dazu, dass das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöht wird. Es erhöht das Risiko von Krebserkrankungen. Es erhöht sogar das Risiko, früher an Demenz erkrankt zu erkranken. Also es hat ungefähr so negative Auswirkungen wie Übergewicht, Rauchen oder Bluthochdruck."
"Angst ist stärkstes Gefühl bei Einsamkeit"
Denn der Mensch ist eine soziale Spezies. Von anderen dauerhaft isoliert zu sein, macht uns Angst. Deswegen ist Isolationshaft so schwer zu ertragen. Einsame Menschen fühlen, dass ihnen etwas Grundlegendes sehr fehlt.
"Das stärkste Gefühl, das entsteht bei Einsamkeit, ist nicht gleich Traurigkeit, was man so als erstes im Kopf hat, sondern tatsächlich Angst. Und deswegen haben wir auch bei Einsamkeit die gleichen Erkrankungen wie bei Stress."
Neben Konflikten in der Partnerschaft oder Trauer um Verstorbene ist Einsamkeit ein großes Thema bei den Anrufern der Telefonseelsorge in Potsdam. Seit 25 Jahren hören die ehrenamtlichen Mitarbeiter rund um die Uhr zu. Mehr als 20.000 Gespräche sind es im Jahr, sagt Leiterin Beate Müller. Der Bedarf ist riesig: In der kritischsten Zeit am Abend käme nur jeder vierte Anrufer überhaupt zu der anonymen telefonischen Hilfe durch. So sieht es auch bei der Berliner Initiative "Silbertelefon" aus, die speziell für einsame Senioren eingerichtet wurde: Im ersten Jahr kamen 30.000 Ansprache Suchende nicht durch. In Potsdam fällt Beate Müller auf, dass immer mehr Anrufer sich regelmäßig melden. Offensichtlich haben sie über längere Zeit niemanden zum Reden.
"Das ist wie so ein Stückchen Tagesstruktur oder wenigstens einmal in der Woche, um das, was grade obenauf liegt, noch mal mit jemand zu teilen. Das nimmt auch zu. Das ist also ganz deutlich, dass wir in den letzten 20 Jahren an der Stelle immer mehr Menschen haben, die regelmäßig Kontakt aufnehmen."
Einsamkeit bei Kinder und Jugendlichen
Seit 20 Jahren gibt es in Potsdam auch das Kinder- und Jugendtelefon. Acht Jahre alt sind die jüngsten Kinder, die sich dort melden, wegen Mobbing in der Schule, Ärger mit den Eltern, Gewalterfahrungen, Missbrauch oder psychischen Problemen, die sie niemandem sonst anvertrauen können. Beate Müller macht sich Sorgen, dass das Internet die Zahl der Einsamen noch steigern könnte: Mit der indirekten Kommunikation via SMS oder Chat lernten Kinder und Jugendliche nicht, wie man wahrhafte Beziehungen aufbaut.
"Oder wie man eben ein Gespür dafür entwickelt, wie geht’s dem anderen, oder richtig ein Gespräch führt und merkt: Der hat wirklich tiefes Interesse an mir, also eine Freundschaft pflegen oder eine Beziehung pflegen und auch durch Höhen und Tiefen gehen. Kann man sicherlich alles auch über diesen Sprach-und-Schreib-Modus. Aber ich glaube, das ist tatsächlich etwas anderes für die eigene Entwicklung. Also wenn man jetzt das böse formulieren würde oder heftig: Da fehlt ein Teil im Kopf dann oder im Herzen. Das ist Unterstellung vielleicht, aber Befürchtungen habe ich da schon."
Der Wissenschaftler Oliver Huxhold vom Zentrum für Altersfragen sagt, es sei noch zu früh, die Auswirkungen der digitalen Revolution auf unsere Gesellschaft und auf das Einsamkeitsgefühl zu analysieren. Dafür gebe es die Smartphones noch nicht lang genug.
"Und dann kommt es wirklich ganz stark darauf an, was die Leute machen mit den Neuen Medien. Wir haben eine Studie, da sind wir gerade dabei, die zu publizieren, die zeigt dass, wenn ich diese modernen Kommunikationsmittel nutze, um bestehende Beziehungen, also die real existierende Beziehung zu stärken, dass das eher dazu führt, dass die Leute weniger einsam sind."
Seelsorgerin: Begegnungen auf dem Land ermöglichen
Neue Freundschaften im Internet zu finden sei aber schwierig, sagt der Psychologe Huxhold. Beate Müller von der Telefonseelsorge plädiert darum dafür, gerade auf dem Land Begegnungen zu ermöglichen. Bestehende Netzwerke müsse die Politik stärken und unterstützen.
"Einsamkeit hat immer auch was mit Unsicherheit zu tun und mit Ängsten, die sozusagen einhergehen. Ich habe Angst rauszugehen. Ich habe Angst, Kontakt aufzunehmen zur Nachbarin. Und wenn man halt wirtschaftlich auch nicht gut gestellt ist oder viele Sozialleistungen gestrichen werden, geht das damit einher."
Auch Huxhold sieht die Politik in der Pflicht: Zehn Prozent der Bevölkerung - das seien Millionen von Betroffenen, betont er. Letztlich erhöhten lange Phasen der Einsamkeit sogar das Risiko, früher zu sterben. Und wer lange einsam sei, dessen Denken verändere sich, warnt der Forscher: Es falle dann immer schwerer, neue Kontakte zu knüpfen, weil das Selbstvertrauen sinkt und die Welt immer mehr als feindselig wahrgenommen wird. Darum müsse die Politik die Einsamkeit präventiv bekämpfen. Ein eigenes Einsamkeits-Ministerium wie in Großbritannien brauche es dafür nicht unbedingt. Aber:
"Es wäre auf jeden Fall gut, wenn wir eine koordinierende Stelle hätten, die die ganzen unterschiedlichen Maßnahmen koordiniert. Es gibt ja schon jede Menge Initiativen. Und es muss auch viele verschiedene Initiativen geben, weil die Gründe für Einsamkeit halt auch so unterschiedlich sind, wie die Menschen unterschiedlich sind."
Psychologe: Infrastruktur verbessern
Wichtig sei es, die Infrastruktur zu verbessern, damit Menschen auch ohne Auto mobil bleiben können, fordert Huxhold.
"Ich habe zum Beispiel mit einem Kollegen auf Malta gesprochen, vor einer Woche. Die haben zum Beispiel so einen Fahrservice: Senioren, die da irgendwie ein Bedürfnis haben, können umsonst Autos und Tuktuks anfordern. Und die fahren die dann durch die Gegend und ermöglichen den Menschen, am Leben teilzuhaben. Dazu muss man natürlich Geld in die Hand nehmen. Man muss schauen, wie das in Deutschland auf dem Land funktionieren kann, wie wir das finanzieren. Aber ich denke, das lohnt sich, weil das sind dann Ausgaben, die man zum Beispiel nicht in die Medizin stecken muss für die Menschen."
Kleiner weißer autonomer Elektrobus
Solche ersten Projekte gibt es auch in Deutschland: In der Kleinstadt Wusterhausen in der dünn besiedelten Prignitz im Nordwesten Brandenburgs fährt seit dem Sommer ein kleiner weißer autonomer Elektrobus. Der Bund fördert das Modellprojekt der Kommune in Zusammenarbeit mit den Technischen Unis Berlin und Dresden mit anderthalb Millionen Euro. Es soll unter anderem die Akzeptanz der Kundschaft testen und die Frage beantworten wie man angesichts des demografischen Wandels und des heute schon grassierenden Fachkräftemangels künftig in dünn besiedelten Gegenden Mobilität für alle garantieren kann. Vor allem Rentner waren bei der Jungfernfahrt in Wusterhausen begeistert:
"Ja, dafür bin ich extra hergekommen, um mit dem Ding zu fahren. Weil, ich marschiere ja auf die 80 zu. Ich freue mich darauf, auf solche Gefährte, darauf, wenn ich anrufe, so ein Gefährt rufen kann, unabhängig. Wir leben mitten auf dem Feld. Wenn ich den anrufe und der kommt in einer halben Stunde oder Viertelstunde oder so was, dann bin ich mobil. Wir machen uns Gedanken: Wie kommen wir eigentlich mit 85 dann hier mal aus dem Dorf? Die nächste Haltestelle ist einen Kilometer per pedes."
In einer ersten Phase fährt der Bus auf einer einprogrammierten Strecke dreieinhalb Kilometer von der Altstadt zum Bahnhof und zu zwei Supermärkten - als Service für Leute, die schlecht zu Fuß sind.
"Das klingt vielleicht erst mal trivial."
Meint Wirtschaftsingenieur Arwed Schmidt vom französischen Hersteller EasyMile.
"Aber für Menschen, die eine Zugangsschwierigkeit haben, ist die Möglichkeit, ohne einen Fahrer oder ohne ein festes Bussystem, sondern wirklich mit idealerweise einer On-Demand-Lösung zum Netto zu kommen oder zum Aldi zu kommen. Das ist eine enorme Erleichterung."
Von der futuristischen Elektro-Mobilität in Wusterhausen haben die Einwohner des 30 Kilometer entfernten Dorfes Blumenthal nichts. Im Bürgerhaus in der Straße der Einheit sitzen an einem düster-nebligen Freitagmorgen Mitte November ein Dutzend Männer und Frauen beim Nachbarschaftsfrühstück zusammen. Die meisten sind im Rentenalter, viele von ihnen leben allein, weil der Ehepartner gestorben ist.
"Dorfkümmerin" im Landkreis Ostprignitz-Ruppin
Deniz Öz organisiert das gemeinsame Frühstück einmal im Monat: Sie ist seit 2017 "Dorfkümmerin" der Gemeinde Heiligengrabe im Landkreis Ostprignitz-Ruppin. Ihre Stelle hatte ursprünglich das Bundeslandwirtschaftsministerium finanziert, als Modellprojekt zur ländlichen Entwicklung. Dann haben die Gemeindevertreter beschlossen, das Projekt aus eigenen Mitteln weiter zu stemmen. Der Landesregierung im fernen Potsdam war das eine Auszeichnung als "Demografie-Beispiel des Monats" wert. Bei ihren Fahrten über die Dörfer versucht Deniz Öz, die Einsamen aus ihrer Vereinzelung heraus zu locken. Das ist manchmal gar nicht so einfach, obwohl fast alle Angebote kostenlos sind. Wie die Skatrunde immer mittwochs zum Beispiel, die es schon seit Jahren gibt, oder Lesungen, Vorträge, Infoabende zu Gesundheits- und Pflegethemen, Spielenachmittage und Kinoabende.
"Also ich würde jetzt sagen, dass ich nicht viele treffe, die gar nicht mehr raus gehen, aber die gibt es. Wo vielleicht auch das Interesse da ist, raus zu gehen, es aber an was auch immer hapert. Da ist es dann eher so, dass sich die Leute wünschen, dass ich natürlich öfter vorbei komme und man sich mal unterhält. Das ist natürlich gar nicht machbar auf Dauer."
Denn Deniz Öz hat eine 30-Wochenstunden-Stelle und ist für 14 Orts- und drei Gemeindeteile zuständig. Was sie heute mühsam organisiert, war früher Teil des Dorflebens, erinnert sich Jutta Westphal, die mit am Frühstückstisch sitzt.
"Man darf auch nicht vergessen, dass die Betriebe ja sehr viel gemacht haben zu DDR-Zeiten. Wir hatten ja so viele Feste. Da war das Volksgut und eine große Ausbildungsstätte für Lehrlinge. Da haben wir ganz schön gefeiert immer! Alles kam, einen Anlass gab’s immer zu feiern. Und das war so schön. Das fehlt ja auch."
Treffpunkte fehlen auf dem Land
Früher gab es hier zwei Gaststätten, in denen man sich nach der Arbeit oder auch zum Mittagessen regelmäßig begegnete, erzählt Mario Schimmelpfennig.
"Ja, das war früher schon besser. Man hat sich überall getroffen, man konnte sich unterhalten, was ja heutzutage gar nicht mehr so möglich ist."
Weil auch in Blumenthal die Treffpunkte fehlen: Die beiden Kneipen sind mittlerweile geschlossen, genau wie die zwei Bankfilialen, die Apotheke, der Fleischer und der Friseursalon. Und die Restaurants der Umgebung sind zu teuer, sagt Jutta Westphal.
"Das Geld ist das A und O, auch in den Gaststätten. Es würde heute keiner mehr, wenn wir hier auch die Gaststätte hätten. Wir hätten sie ja gerne, aber man kann nicht hingehen, weil die Leute sich das nicht leisten können, hier jeden Abend ein paar Bier zu trinken."
Die Zeiten vor der Wende, als das Bier nicht einmal 50 Pfennig kostete, sind lange vorbei. Der große Konsum in Blumenthal hat dichtgemacht, die Ärzte haben ihre Praxen in Wusterhausen, Pritzwalk oder Kyritz, 20 Kilometer entfernt. Wohl dem, der wie die bald 80-jährige Marianne Schimmelpfennig noch mobil ist. Ihre Tochter ist nach Bremen gezogen, ein Sohn arbeitet in Hamburg.
"Na ja, zurzeit kann ich noch Auto fahren, fahre dann mit dem Auto zum Einkaufen und auch zum Arzt. Ansonsten fährt der Bus zweimal in der Woche, dienstags und donnerstags. Da kommt ja auch keiner weg. Und wenn, dann müssen Sie morgens fahren, dann müssen Sie warten bis Nachmittag, bis der Bus dann wieder zurückfährt."
Die Bahnverbindungen sind auch nicht besser: Es fährt zwar ganz früh morgens ein Zug nach Berlin, aber man kommt nur einmal am Tag zurück nach Blumenthal. Vor der Landtagswahl am 1. September habe die in Brandenburg schon seit der Wende regierende SPD hier Wahlkampf gemacht, erzählt Christa Löchel. Nun steht die neue rot-schwarz-grüne Landesregierung und die Menschen im Dorf drängen auf Einhaltung der Wahlversprechen. Christa Löchel klopft auf den Tisch:
"Die haben uns ja versprochen, dass sie sich darum kümmern wollen, dass der ländliche Raum wieder belebt wird. Ich bitte nur, dass die das nicht wieder abreißen lassen, sondern dass die sich gefälligst mal wieder bei uns sehen lassen und Bericht erstatten, wie weit sie gekommen sind. Hier muss unbedingt der Verkehr geregelt werden! Das muss unbedingt gemacht werden! Wir können ja noch nicht mal nach Schwerin fahren, mal ins Theater fahren. Das fehlt mir. Das fehlt mir ungemein, dass ich nicht mal einmal im Monat ins Theater gehen kann."
Parteien in Brandenburg wollen ländlichen Raum stärken
Zurück nach Schönwalde im Spreewald. Hier ist Benjamin Raschke aufgewachsen, Spitzenkandidat der Brandenburger Grünen und Vorsitzender der Landtagsfraktion. Erschreckt von den Wahlerfolgen der AfD, die am 1. September knapp hinter der SPD zweitstärkste Kraft wurde, wollen nun alle Parteien in Brandenburg den ländlichen Raum stärken. Die Grünen, bislang in der Opposition, haben dafür schon vor Jahren eine Enquetekommission ins Leben gerufen.
"Weil, das war ein Blick, der völlig fehlte. In den amtlichen Regierungsdokumenten taucht das Wort Dorf bisher überhaupt nicht auf. Und dann ist ein Forderungskatalog entstanden, der dann auch vom Landtag akzeptiert wurde, wo sich viele Teile jetzt auch im neuen Koalitionsvertrag wiederfinden, beispielsweise, dass wir soziale Dorfentwicklung fördern wollen oder mehr Dorfläden unterstützen."
Dorfläden wie den Konsum, den es in Schönwalde noch gibt. Er liegt etwas versteckt, auf dem Weg dahin erzählt Benjamin Raschke, dass Schönwalde ein Mehrgenerationenhaus am Ortsrand plane, mit Café und Seniorenwohnungen. Damit die Schönwalder nicht ins Altersheim in die Kreisstadt Lübben müssen, wo sie niemanden kennen und sie keiner besuchen kommt.
Am Schwarzen Brett an der Tür vom Konsum macht der Kreisverband der Rassegeflügelzüchter auf sich aufmerksam. Drinnen sitzt Sabine Schön an der Kasse: Sie verkauft Getränke, Schulhefte, Trauerkarten, Zeitungen, Obst, Gemüse, Marmelade und Klopapier: Keine Riesenauswahl, wie in den großen Supermärkten, aber alles, was man so braucht. Ein Tante-Emma-Laden, wie es sie kaum noch gibt.
"Leider, so ist es. Und es ist so wichtig, finde ich, auf so einem Dorf. Die Leute sind doch in Gemeinschaft hier, die treffen sich, die erzählen sich ein Wort, ob drinnen oder draußen, viele Ältere, die sonst niemanden mehr treffen. Frau Schulz ist zum Beispiel so, sie kommt gerne her, wir erzählen uns mal ein Wort, wir kennen uns von früher noch, und mit ihrem Sohn bin ich in die Schule gegangen, wir erzählen uns mal ein bisschen was, ja. Die Zeit muss man sich wirklich nehmen jetzt hier. Hier sind wirklich viele ältere Leute, die niemand mehr haben."