Jochen Spengler: Im Sommer hatten die Spitzen der Koalitionsparteien in Meseberg vereinbart, keinen bundesweiten Mindestlohn einzuführen. Stattdessen will man für einzelne ausgewählte Branchen Lohnuntergrenzen festsetzen, so wie es sie schon in der Baubranche und bei den Gebäudereinigern gibt. Heute wollte die Bundesregierung ursprünglich beschließen, die Postbranche dazuzunehmen, aber so einfach war die Sache dann doch nicht.
Am Telefon ist nun Klaus Brandner, der arbeits- und sozialpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Guten Tag Herr Brandner.
Klaus Brandner: Guten Tag Herr Spengler!
Spengler: Die SPD wollte die ganze Postbranche eigentlich mit einem Mindestlohn absichern. Nun also nur die Briefträger. Wieso ist die SPD eingeknickt?
Brandner: Die SPD ist keineswegs eingeknickt, sondern wir beziehen uns auf den Tarifvertrag. Wir sind ja diejenigen, die daran arbeiten, gerade im Bereich von branchenspezifischen Tarifverträgen die Möglichkeit von Mindestarbeitsbedingungen flächendeckend umzusetzen, und an diesem Beispiel können wir erleben, dass gerade in der Postbranche sich die Gewerkschaften und verschiedene Postdienstleister zusammengesetzt haben, in einem Arbeitgeberverband gefunden haben und einen Tarifvertrag ausgehandelt haben, dessen Geltungsbereich konkret nicht die Paketzustellung betrifft, sondern der sich auf die Briefzustellung bezieht. Da wollen wir nicht, dass Dumping-Bedingungen hingenommen werden, und an dem Punkt würde ich auch sehr deutlich widersprechen, wenn es darum geht, dass die Briefdienste nur bei der Post erfasst werden. Wer Briefzustellung bis 50 Gramm durchführt, muss von diesem Tarifvertrag erfasst sein, und das ist er auch. Deshalb sage ich ganz deutlich ist es wichtig, dass wir uns behauptet haben, überhaupt den Weg frei zu machen für Mindestlöhne in diesem Bereich.
Spengler: Herr Brandner, bleiben wir bei dem Punkt Briefe bis 50 Gramm. Sie sagen, da gilt der Tarifvertrag und da gilt dann der Mindestlohn für die ganze Branche. Nun haben die Wettbewerber der Post noch nicht das Monopol geknackt. Es wird ja erst zum 1. 1. 2008 möglich sein, dass auch andere Anbieter Briefe austragen. Wird denen das nun nicht erschwert, indem sie die gleichen hohen Löhne zahlen müssen, die auch bei der Post gezahlt werden?
Brandner: Erstens ist es so, dass wir keinen Dumping-Wettbewerb wollen. Fairer Wettbewerb setzt ja gerade Mindestbedingungen voraus. Deshalb sage ich ganz deutlich, von Vollzeitarbeit muss man mindestens existenzsichernd leben können. Allen anderen, die Wettbewerb auf den Knochen der Menschen durchführen wollen, wollen wir eine ganz deutliche Absage erteilen.
In der Sache selbst, im Verhältnis zur Post muss man aber wissen: Auch dabei gibt es natürlich Wettbewerb, weil die Post durchschnittlich erheblich höhere Löhne zahlt als in dem Mindestlohntarifvertrag, den der Arbeitgeberverband Postdienstleistungen mit ver.di, aber auch mit den christlichen Gewerkschaften abgeschlossen hat. Von der Seite her bleibt erheblicher Spielraum auch für Wettbewerb im materiellen Bereich.
Spengler: Sie wollen also keinen neuen Vertrag, keinen neuen Tarifvertrag, in dem erheblich mehr Mitbewerber einbezogen werden?
Brandner: Wir begrüßen es ausdrücklich, wenn Mitbewerber mitmachen. Sie waren ja eingeladen. Zumindest haben uns das sowohl die Gewerkschaften wie auch der Arbeitgeberverband Postdienstleistung bestätigt, dass es ja nicht darum ging, andere auszuschließen, sondern sie mit zu gewinnen. Sie waren aber nicht bereit, in diesem Konzert zu einer einheitlichen Regelung zu kommen. Und da deutlich über 50 Prozent der Beschäftigten in den Postdienstleistungen durch den Tarifvertrag erreicht werden, sind die Kriterien aus unserer Sicht erfüllt, für eine Allgemeinverbindlichkeit auf der Grundlage des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes zu gesetzlichen Mindestlöhnen festgelegt zu werden.
Spengler: Also es gibt ab 1. 1. 2008 gesetzliche Mindestlöhne jedenfalls für den Briefbereich. Warum sind denn eigentlich die Paketzusteller und die Zeitungsboten nicht einbezogen worden?
Brandner: Die Zeitungsboten sind keine typischen Briefzusteller. Sie sind in einem anderen Organisationsbereich. Aber wenn man meint, die Zeitungsboten zu missbrauchen für einen solchen Prozess, dann sage ich ganz deutlich sind wir der Meinung, dass die Briefdienste, also auch wenn es nur wenige sind, von dieser Regelung erfasst werden und von der Seite her würden in den Fällen, wo Beschäftigte solche Briefdienste durchführen, diese zukünftig Anspruch auf den Mindestlohn haben.
Spengler: Gut, aber Paketzusteller haben zum Beispiel keinen Anspruch auf Mindestlohn. Warum nicht?
Brandner: Das ist, um es ganz deutlich zu sagen, weder ein Einknicken seitens des Ministers oder der SPD-Fraktion, sondern in dem Tarifvertrag, der abgeschlossen worden ist, der Grundlage für die Rechtsverordnung über Mindestlöhne sein wird, spielen die Paketzustellungen keine Rolle. Sie sind ausgenommen aus diesem Bereich, weil auch hier eine andere Wettbewerbssituation ist und weil dieser Bereich nicht mehr unter das Monopol fällt. Wir dürfen ja nicht vergessen, dass es darum geht, ab 1. 1. 2008 das Briefmonopol aufzugeben, aber zugleich auch - und das hat der Bundesgesetzgeber vor vielen Jahren schon beschlossen - diese Freigabe zu verbinden mit Sozialkriterien bezüglich der Arbeitsbedingungen.
Spengler: Ja, aber jetzt stellen wir uns mal beide vor, wir wären Paketzusteller. Ist es nicht unsinnig, dass wir wissen, unser Kollege, der die Briefe zustellt, kriegt den Mindestlohn und ich muss für 2 Euro weniger in der Stunde arbeiten?
Brandner: Ja, dafür habe ich auch volles Verständnis. Deshalb kann ich auch nicht verstehen, dass der Koalitionspartner den Mindestlohn generell nicht mitmacht. Die Sache ist, dass wir zwei Dinge ansprechen müssen. Zum einen müssen wir politische Mehrheiten gewinnen, damit auch ein allgemeiner gesetzlicher Mindestlohn in Deutschland Wirklichkeit wird, wie er in der überwiegenden Zahl der europäischen Nachbarländer üblich ist. Zum anderen muss man auch die Kollegen darauf hinweisen, dass man natürlich im Rahmen der Tarifautonomie sich in Gewerkschaften organisieren sollte, um Tarifverträge zu erzwingen.
Spengler: Klaus Brandner, arbeits- und sozialpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Herzlichen Dank für das Gespräch.
Brandner: Tschüß Herr Spengler.
Am Telefon ist nun Klaus Brandner, der arbeits- und sozialpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Guten Tag Herr Brandner.
Klaus Brandner: Guten Tag Herr Spengler!
Spengler: Die SPD wollte die ganze Postbranche eigentlich mit einem Mindestlohn absichern. Nun also nur die Briefträger. Wieso ist die SPD eingeknickt?
Brandner: Die SPD ist keineswegs eingeknickt, sondern wir beziehen uns auf den Tarifvertrag. Wir sind ja diejenigen, die daran arbeiten, gerade im Bereich von branchenspezifischen Tarifverträgen die Möglichkeit von Mindestarbeitsbedingungen flächendeckend umzusetzen, und an diesem Beispiel können wir erleben, dass gerade in der Postbranche sich die Gewerkschaften und verschiedene Postdienstleister zusammengesetzt haben, in einem Arbeitgeberverband gefunden haben und einen Tarifvertrag ausgehandelt haben, dessen Geltungsbereich konkret nicht die Paketzustellung betrifft, sondern der sich auf die Briefzustellung bezieht. Da wollen wir nicht, dass Dumping-Bedingungen hingenommen werden, und an dem Punkt würde ich auch sehr deutlich widersprechen, wenn es darum geht, dass die Briefdienste nur bei der Post erfasst werden. Wer Briefzustellung bis 50 Gramm durchführt, muss von diesem Tarifvertrag erfasst sein, und das ist er auch. Deshalb sage ich ganz deutlich ist es wichtig, dass wir uns behauptet haben, überhaupt den Weg frei zu machen für Mindestlöhne in diesem Bereich.
Spengler: Herr Brandner, bleiben wir bei dem Punkt Briefe bis 50 Gramm. Sie sagen, da gilt der Tarifvertrag und da gilt dann der Mindestlohn für die ganze Branche. Nun haben die Wettbewerber der Post noch nicht das Monopol geknackt. Es wird ja erst zum 1. 1. 2008 möglich sein, dass auch andere Anbieter Briefe austragen. Wird denen das nun nicht erschwert, indem sie die gleichen hohen Löhne zahlen müssen, die auch bei der Post gezahlt werden?
Brandner: Erstens ist es so, dass wir keinen Dumping-Wettbewerb wollen. Fairer Wettbewerb setzt ja gerade Mindestbedingungen voraus. Deshalb sage ich ganz deutlich, von Vollzeitarbeit muss man mindestens existenzsichernd leben können. Allen anderen, die Wettbewerb auf den Knochen der Menschen durchführen wollen, wollen wir eine ganz deutliche Absage erteilen.
In der Sache selbst, im Verhältnis zur Post muss man aber wissen: Auch dabei gibt es natürlich Wettbewerb, weil die Post durchschnittlich erheblich höhere Löhne zahlt als in dem Mindestlohntarifvertrag, den der Arbeitgeberverband Postdienstleistungen mit ver.di, aber auch mit den christlichen Gewerkschaften abgeschlossen hat. Von der Seite her bleibt erheblicher Spielraum auch für Wettbewerb im materiellen Bereich.
Spengler: Sie wollen also keinen neuen Vertrag, keinen neuen Tarifvertrag, in dem erheblich mehr Mitbewerber einbezogen werden?
Brandner: Wir begrüßen es ausdrücklich, wenn Mitbewerber mitmachen. Sie waren ja eingeladen. Zumindest haben uns das sowohl die Gewerkschaften wie auch der Arbeitgeberverband Postdienstleistung bestätigt, dass es ja nicht darum ging, andere auszuschließen, sondern sie mit zu gewinnen. Sie waren aber nicht bereit, in diesem Konzert zu einer einheitlichen Regelung zu kommen. Und da deutlich über 50 Prozent der Beschäftigten in den Postdienstleistungen durch den Tarifvertrag erreicht werden, sind die Kriterien aus unserer Sicht erfüllt, für eine Allgemeinverbindlichkeit auf der Grundlage des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes zu gesetzlichen Mindestlöhnen festgelegt zu werden.
Spengler: Also es gibt ab 1. 1. 2008 gesetzliche Mindestlöhne jedenfalls für den Briefbereich. Warum sind denn eigentlich die Paketzusteller und die Zeitungsboten nicht einbezogen worden?
Brandner: Die Zeitungsboten sind keine typischen Briefzusteller. Sie sind in einem anderen Organisationsbereich. Aber wenn man meint, die Zeitungsboten zu missbrauchen für einen solchen Prozess, dann sage ich ganz deutlich sind wir der Meinung, dass die Briefdienste, also auch wenn es nur wenige sind, von dieser Regelung erfasst werden und von der Seite her würden in den Fällen, wo Beschäftigte solche Briefdienste durchführen, diese zukünftig Anspruch auf den Mindestlohn haben.
Spengler: Gut, aber Paketzusteller haben zum Beispiel keinen Anspruch auf Mindestlohn. Warum nicht?
Brandner: Das ist, um es ganz deutlich zu sagen, weder ein Einknicken seitens des Ministers oder der SPD-Fraktion, sondern in dem Tarifvertrag, der abgeschlossen worden ist, der Grundlage für die Rechtsverordnung über Mindestlöhne sein wird, spielen die Paketzustellungen keine Rolle. Sie sind ausgenommen aus diesem Bereich, weil auch hier eine andere Wettbewerbssituation ist und weil dieser Bereich nicht mehr unter das Monopol fällt. Wir dürfen ja nicht vergessen, dass es darum geht, ab 1. 1. 2008 das Briefmonopol aufzugeben, aber zugleich auch - und das hat der Bundesgesetzgeber vor vielen Jahren schon beschlossen - diese Freigabe zu verbinden mit Sozialkriterien bezüglich der Arbeitsbedingungen.
Spengler: Ja, aber jetzt stellen wir uns mal beide vor, wir wären Paketzusteller. Ist es nicht unsinnig, dass wir wissen, unser Kollege, der die Briefe zustellt, kriegt den Mindestlohn und ich muss für 2 Euro weniger in der Stunde arbeiten?
Brandner: Ja, dafür habe ich auch volles Verständnis. Deshalb kann ich auch nicht verstehen, dass der Koalitionspartner den Mindestlohn generell nicht mitmacht. Die Sache ist, dass wir zwei Dinge ansprechen müssen. Zum einen müssen wir politische Mehrheiten gewinnen, damit auch ein allgemeiner gesetzlicher Mindestlohn in Deutschland Wirklichkeit wird, wie er in der überwiegenden Zahl der europäischen Nachbarländer üblich ist. Zum anderen muss man auch die Kollegen darauf hinweisen, dass man natürlich im Rahmen der Tarifautonomie sich in Gewerkschaften organisieren sollte, um Tarifverträge zu erzwingen.
Spengler: Klaus Brandner, arbeits- und sozialpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Herzlichen Dank für das Gespräch.
Brandner: Tschüß Herr Spengler.