Seit 15 Jahren lebt der britische Journalist Dom Phillips in Brasilien und berichtet für den "Guardian", die "New York Times", die "Washington Post" und andere internationale Medien – vor allem über den Amazonasregenwald und dessen Bewohner.
Für eine Buchrecherche hatte er sich vergangene Woche dem Brasilianer Bruno Pereira angeschlossen, der die Region des Javarí-Tals besonders gut kennt. Pereira hatte neun Jahre für die staatliche Ureinwohnerbehörde Funai gearbeitet. Sein Aufgabengebiet: Schutz der Völker, die hier so gut wie ohne Kontakt mit der brasilianischen Wirklichkeit außerhalb des Regenwalds leben. Die Funai wurde unter der aktuelle Regierung Brasiliens in ihren Mitteln und Möglichkeiten ausgebremst.
Recherchereise für Buch über Amazonasgebiet
Doch Bruno Pereira hatte die Anliegen der Ureinwohner weiter vertreten, zuletzt als Berater für die Univaja, die Vereinigung der Völker des Javari-Tals, berichtet sein langjähriger Kollege Antenor Vaz.
"Bruno besuchte die Überwachungsposten der Univaja. Das sind Stationen, die unter großer Beteiligung der einheimischen Bevölkerung geschaffen wurden, sozusagen als Hüter des Waldes. Bruno besuchte diese Stellen öfter. Und Dom wollte auf dieser Reise Informationen für sein Buch über das brasilianische Amazonasgebiet sammeln."
Journalisten wurden mit Schusswaffen bedroht
Mit einem offenen Boot mit Außenbordmotor und 70 Litern Benzin waren die beiden von der Kleinstadt Atalaia do Norte aufgebrochen und hatten mehrere Stationen besucht. Am Sonntagmorgen wurden sie zuletzt gesehen, rund drei Bootsstunden von Atalaia entfernt, wo sie aber nicht ankamen.
Noch am Sonntagnachmittag machte sich ein Suchtrupp der Univaja auf den Weg – erfolglos. Paulo Dollis, ein Sprecher der Vereinigung, berichtete via Twitter von Drohungen, die es am Tag zuvor gegen die beiden gegeben habe.
"Drei Personen bedrohten das Univaja-Überwachungsteam, zu dem Bruno und der Journalist gehörten. Der Journalist hat sogar noch Fotos von ihnen gemacht, als sie ihre Schusswaffen zeigten. Das war's. Wir haben keine weiteren Informationen."
Drogenhändler nutzen Region zum Kokainschmuggel
Welche Gefahren in der Region lauern und warum , das weiß Antenor Vaz aus eigener Erfahrung:
"Die größte Gefahr heute, ist die Verbindung von illegalen Holzfällern, Bergleuten und illegalen Fischern mit der Organisierten Kriminalität. Das ist wohlbekannt, aber es ist nicht neu. Zwischen 2016 und 2017 arbeitete ich als Koordinator der Umweltschutzbehörde von Vale do Javari, und schon damals nahm der Drogenschmuggel in der Region zu. Die Drogenhändler nutzten Routen innerhalb des Urweinwohnerlandes, um Kokain von Peru nach Brasilien und Kolumbien zu bringen. Die Drogenhändler knüpften Netzwerke mit den anderen illegalen Gruppen in der Region. Diese Gefahr wird durch den Diskurs des derzeitigen Präsidenten der Republik noch verstärkt, wenn er die Augen vor diesen Problemen verschließt und einen Diskurs fördert, der dem Drogenhandel so wie der illegalen Ausbeutung von indigenem Land, insbesondere durch den Bergbau, das Wort redet."
Am Montag berichtete der britische "Guardian" über den ungeklärten Verbleib seines Mitarbeiters, am Dienstag zogen brasilianische Medien nach, verbunden mit Kritik am zuständigen Militärkommando – denn statt sofort die Suche aufzunehmen, hatte dieses in einer öffentlichen Stellungnahme zunächst darauf verwiesen, auf einen Einsatzbefehl von der Zentralregierung zu warten.
Kritik an zögerlicher Suche nach Vermissten
In einem Fernsehinterview warf Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro den beiden Vermissten indirekt vor, sich einem großen Risiko ausgesetzt zu haben:
"Zwei Personen auf einem Boot, in einer solchen wilden Region - das ist ein Abenteuer, das nicht zu empfehlen ist. Es kann alles passieren. Es könnte ein Unfall gewesen sein, es könnte sein, dass sie hingerichtet wurden. Es kann alles passieren. Wir hoffen und beten zu Gott, dass sie bald gefunden werden. Das Militär arbeitet sehr hart in der Region".
Mittlerweile wandte sich Dom Pillips‘ Ehefrau Alessandra Sampaio per Twitter an die Öffentlichkeit und bat die brasilianische Regierung, alles zur Aufklärung des Falls zu tun: "Selbst wenn ich die Liebe meines Lebens nicht lebend wiedersehe, muss mein Mann gefunden werden. Bitte intensivieren Sie die Suche."