Zumindest in einem sind sich nahezu alle Senatoren und Senatorinnen einig:
Es ist eine historische Sitzung. Für einen Volksvertreter sogar eine für die Geschichte Brasiliens entscheidende Versammlung.
Eines ist sie auf jeden Fall. Eine der längsten Sitzungen des Senats. Seit über 14 Stunden debattiert das brasilianische Oberhaus über die politische Zukunft von Präsidentin Dilma Rousseff. Am Ende – wenn alle fast 80 Senatoren und Senatorinnen gesprochen haben – soll es die Abstimmung geben. Wie dieses Votum ausfallen wird, ist kein Geheimnis mehr. Dilma Rousseff wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit für zunächst 180 Tage suspendiert. Eine Maßnahme, die eine deutliche Mehrheit im Senat unterstützt. Auch Magno Malta von der oppositionellen Republikanischen Partei. Er wählte in seiner Rede drastische Worte für die anstehende Absetzung der Präsidentin:
"Brasilien gleicht einem Diabeteskranken. Mit hohem Fieber, mit einem Bein voller Eiter. Die Logik besagt: Wenn wir das Bein amputieren, retten wir den Körper. Andernfalls erkrankt der ganze Körper."
Anhänger Rousseffs sprachlos und wütend
Seit Anfang 2003 stellt die linksgerichtete Arbeiterpartei das Staatsoberhaupt in Brasilien. Erst war acht Jahre lang Lula da Silva an der Spitze, seit 2011 Dilma Rousseff. Als die fragile Regierungskoalition vor einigen Wochen zerbrach, war klar, dass nun auch Dilma Rousseff Schwierigkeiten bekommen würde. Dass sie nun aber über ein Impeachment ihres Amtes enthoben werden soll, macht viele ihrer Anhänger sprachlos und wütend. Auch Senator Telmário Mota von der Arbeiterpartei:
"Dieses Impeachment wurde geboren aus Revanchismus, Hass und Rache. Das ist glasklar. Dieser Kongress ist unpopulärer als die Präsidentin, aber sie muss für alles bezahlen."
Die schwere Regierungskrise in dem größten südamerikanischen Land hat sich unterdessen bis nach Rom herumgesprochen - sogar der Papst äußerte sich. Er werde dafür beten, dass Brasilien in diesem schwierigen Moment Harmonie und Frieden bewahre, erklärte Franziskus. Angesichts der Polarisierung, die Brasilien in der Politik, aber auch bei den Menschen auf den Straßen erlebt, ist das ein verständlicher Wunsch:
"Sie ist Präsidentin, weil man sie gewählt hat. Warum soll sie jetzt weg? Hat etwa sie alles verschuldet? Sie war nicht die Erste, die Mist gebaut hat."
"Ein Zyklus geht zu Ende, das macht mich glücklich. Das Land war lange Zeit in der Hand dieser Verbrecherbande. Und jetzt machen wir einen Schritt in eine bessere Zukunft."
Vizepräsident soll Amtsgeschäfte übernehmen
Wer Brasilien sehr wahrscheinlich in diese Zukunft - zumindest vorerst - führen wird, steht fest: Michel Temer, der bisherige Vizepräsident. Er soll das Impeachment eingefädelt haben. Der 75-Jährige gilt als graue Eminenz und genießt einen glänzenden Ruf als Strippenzieher. Die englische Zeitung "The Guardian" schrieb kürzlich, im Vergleich zu Temer sei Judas ein Anfänger. Präsidentin Dilma Rousseff bringt es kürzer auf den Punkt: Für sie ist ihr Vizepräsident schlicht ein "illoyaler Verräter".