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Brasilien
Die Krise der neuen Mittelschicht

In den vergangenen zehn Jahren sind Millionen Brasilianer der extremen Armut entkommen. Mit den neuen finanziellen Möglichkeiten gingen aber auch Risiken einher. Das meiste wurde auf Pump finanziert, jetzt wachsen vielen die Kredite über den Kopf. Die sogenannte neue Mittelschicht geht auf die Barrikaden.

Von Sebastian Erb |
    Demonstranten protestieren am 16.08.15 in der brasilianischen Hauptstadt Brasilia gegen Präsidentin Dilma Rousseff
    Demonstranten in Brasilia (AFP /Evaristo Sa)
    Itaim Paulista, ein Außenbezirk weit im Osten der Millionenstadt São Paulo. Von der gleichnamigen S-Bahn-Station führt eine Einkaufsstraße tiefer ins Viertel hinein. Ein Geschäft neben dem anderen. Möbel, Elektrogeräte, Kleidung. Ein Stück den Hügel hoch folgen dann kleine Wohnhäuser, ineinander verschachtelt gebaut, scheinbar ohne Plan. Hier, in der Peripherie der Metropole, ist sie zu Hause: die sogenannte neue Mittelschicht Brasiliens. Und MC França macht die Musik dazu.
    Im Video rappt der Musiker vor zwei Motorrädern, kauft sich schicke Klamotten, läuft lässig durch sein Viertel, die Frauen schauen ihm hinterher. Funk Ostentaçao nennt sich die Musikrichtung. Übersetzt heißt das in etwa "Funk der Prahlerei". Ein Spiel mit Glamour, Luxus-Accessoires und dem Traum von einem Leben in Saus und Braus.
    Luan de Melo alias MC França ist 20 Jahre alt, ein schmächtiger junger Mann mit Zahnspange, an seinem Handgelenk funkelt eine dicke goldene Uhr. Er trägt weiße Turnschuhe, weiße Shorts und ein türkisfarbenes Sweatshirt. Seine Kleidung ist Markenware, sein sonstiges Leben etwas weniger glamourös als im Video. Mit seiner Mutter, seiner Freundin und seinem kleinen Sohn wohnt Luan im zweiten Stock eines Flachdachhäuschens, von dem der Putz abbröckelt. Zu viert bewohnen sie drei kleine Zimmer. Immerhin können sie sich inzwischen einiges leisten: eine Waschmaschine, einen Gefrierschrank, Smartphones, Internet, zwei Fernseher. Der größere im Wohnzimmer ist ziemlich neu, 42 Zoll groß, zahlbar in fünf Monatsraten. Luan gehört zu der Generation von Brasilianern, die bisher nur den Aufschwung kennengelernt hat. Aber damit ist es jetzt vorbei.
    "Es ist nicht so, dass wir uns heute gar nichts mehr leisten könnten. Aber es ist viel schwieriger. Alles ist teurer geworden. Ein Hemd, das früher 100 Reais gekostet hat, kostet heute 200. Auch Lebensmittel sind teurer geworden. Früher kostete ein Monatseinkauf 100 Reais, heute sind es 300 oder 400 für einen einzigen Einkauf."
    Gut 2.500 Reais haben sie als Familie im Monat zur Verfügung, das sind umgerechnet knapp 700 Euro. Noch reiche das, sagt Luan. Noch haben sie alle einen Job. Seine Mutter etwa arbeitet als Hausangestellte am anderen Ende der Stadt, deshalb verbringt sie jeden Tag vier bis sechs Stunden in öffentlichen Verkehrsmitteln. Auch für ihr Busticket zahlt sie heute deutlich mehr als früher. Solange Luan noch nicht von seinen Auftritten als Sänger leben kann, jobbt er hier und da, gerade vor allem in einem Kulturzentrum.
    "Im Jahr 2015 kommt die Krise im Alltagsleben der Brasilianer an. Die Menschen konsumieren weniger. Sie haben Angst, dass sie ihre Arbeit verlieren und ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen können. Aber anstatt zu jammern, schauen sie, welche Möglichkeiten sie in der Krise haben. Sie vergleichen häufiger die Preise und kaufen billigere Marken."
    Renato Meirelles ist Chef des Marktforschungsinstituts Data Popular in São Paulo. Kaum einer kennt die "neue Mittelschicht" so gut wie er. Sein Institut arbeitet vor allem für große Konzerne, für die ist diese soziale Gruppe ein äußerst interessanter Markt. Data Popular hat sich als Erster auf die "neue Mittelschicht" spezialisiert und deren Aufstiegsgeschichte begleitet. Diese begann vor gut zehn Jahren.
    "Durch das Sozialprogramm 'Bolsa Familia' sind Millionen von Brasilianern der extremen Armut entkommen und Teil eines Konsumuniversums geworden. Aber es lag nicht allein daran, dass 42 Millionen Menschen Teil des Konsumentenmarktes wurden, dass Brasilien eine große Mittelschicht bekommen hat. Das wurde durch die Schaffung sozialversicherungspflichtiger Arbeitsplätze erreicht."
    Wer einen festen Job hat – oft im öffentlichen Dienst –, wer Urlaubsanspruch hat und ein dreizehntes Monatsgehalt, der kann Geld ausgeben. Er kann verreisen oder sich eine Waschmaschine kaufen. Und genau das sei passiert, erklärt Renato Meirelles. Seitdem die Arbeiterpartei den Präsidenten beziehungsweise die Präsidentin stellt, ist die Einkommenspyramide zu einer Raute geworden mit einem dicken Bauch in der Mitte. 56 Prozent der Brasilianer werden heute zur Mittelschicht gezählt.
    Inflation auf knapp 10 Prozent angestiegen

    Demonstranten protestieren in Brasilien gegen Präsidentin Dilma Rousseff. 
    In Brasilien ballt sich Frust über Dilma Rousseff. Viele fordern gar die Amtsenthebung der Präsidentin. (picture alliance / dpa - Marcelo Sayao)
    Die Soziologie-Professorin Vera da Silva Telles von der Universität von São Paulo steht dieser neuen Einteilung skeptisch gegenüber.
    Diese Kriterien für die Mittelschicht entstammen allesamt einer Marktlogik. Im Zentrum stehen der Markt und der Konsum. Es wurde eine aggressive Politik verfolgt, der breiten Bevölkerung Zugang zu Krediten zu ermöglichen. Das hieß auch: Schulden für alle. Präsident Lula hatte das Glück, in einer weltwirtschaftlich guten Lage an der Macht zu sein. Aber jetzt haben wir eine Wirtschaftskrise und die Party ist vorbei."
    Auf fast zehn Prozent ist die Inflation in Brasilien gestiegen. Und auch die Arbeitslosigkeit nimmt zu. Offiziell sind knapp sieben Prozent der Brasilianer ohne Job. Experten gehen davon aus, dass der wahre Prozentsatz deutlich höher liegt. Gleichzeitig ist der Zuspruch für Präsidentin Dilma Rousseff auf einem historischen Tiefstand. Im Oktober 2014 wurde sie wiedergewählt, doch inzwischen sprechen Lulas Nachfolgerin und Parteifreundin gerade einmal acht Prozent der Brasilianer ihr Vertrauen aus. Das zumindest sagt die jüngste Umfrage von Anfang August.
    Und die Menschen tragen ihren Unmut auf die Straßen. Am Sonntag demonstrierten im ganzen Land Hunderttausende Menschen gegen Dilma Rousseff, gegen die Regierung. "Dilma raus", riefen die Demonstranten, "Lula raus, PT raus!" Gemeint ist die Arbeiterpartei. In der Hauptstadt Brasilia war eine riesige Figur des Ex-Präsidenten in Sträflingskleidung Teil des Demonstrations-Zuges. Es waren die größten Proteste seit März dieses Jahres.
    Dilma Rousseff hat einen Rücktritt ausgeschlossen. Aber für die Präsidentin und ihre Arbeiterpartei sieht es schlecht aus. Auch der Korruptionsskandal rund um den halbstaatlichen Ölkonzern Petrobras ist längst nicht ausgestanden. Petrobras ist mit einem Umsatz von knapp 130 Milliarden Euro das größte Unternehmen Brasiliens. Der Skandal dreht sich um Schmiergeldzahlungen in dreistelliger Millionenhöhe. Dutzende Firmen, darunter die größten Baukonzerne des Landes, und Politiker aller Parteien sind darin verwickelt. Kaum einer nimmt der Präsidentin ab, dass sie von den krummen Geschäften nichts gewusst haben will. Und Petrobras musste gerade einen drastischen Gewinneinbruch vermelden. Im zweiten Quartal 2015 stand ein Minus von fast 90 Prozent im Vergleich zum Vorjahresquartal.
    In diesen turbulenten Zeiten reist jetzt Bundeskanzlerin Angela Merkel mit einigen ihrer Minister nach Brasilien. Zum ersten Mal finden in dieser Woche in der Hauptstadt Brasilia deutsch-brasilianische Regierungskonsultationen statt. Es soll vor allem um Handel, Investitionen, Technologie und Bildung gehen. Merkel kann sich dort aus nächster Nähe anschauen, was es bedeutet, wenn ein Aufstieg auf Pump gebaut ist.
    In seinen Videos auf Youtube gibt Marcelo Segredo Tipps, wie man am besten mit seinem Geld umgeht. Er referiert über die "persönliche Inflation" oder die "Risiken der Quellensteuer". Sein Hauptthema aber sind Kredite und ihre Folgen.
    Knapp zwei Drittel der Brasilianer sind verschuldet

    Demonstranten ziehen in  Belo Horizonte in Brasilien durch die Stadt, um gegen die Regierung von Präsidentin Dilma Rousseff zu demonstrieren.
    In Brasilien haben Hunderttausende Menschen gegen die Regierung von Präsidentin Dilma Rousseff demonstriert. (picture alliance / EFE / Paulo Fonseca)
    Der Mann mit Halbglatze im seriösen Anzug ist Schuldenberater, seit 20 Jahren ist er im Geschäft. Segredo ist Direktor der Verbraucherschutzorganisation ABC. Man kann ihn per Skype erreichen oder in seinem Büro vorbeischauen, wo er vor einer grünen Wand seine Videos aufnimmt. Es liegt im sechsten Stock eines schmucklosen, engen Gebäudes, nördlich des Zentrums.
    "Im Schnitt hat jeder Brasilianer drei Kreditkarten. Also machen viele den Riesenfehler, die Schulden einer Karte mit einer anderen zu begleichen. Oder sie überziehen ihr Girokonto, was etwas weniger Zinsen kostet, und bezahlen so die Kreditkartenschulden. Ihre Kreditkarten nutzen sie dabei weiter, also verlassen sie nie die Klauen des Bankensystems. Wir nennen das finanzielle Versklavung."
    Knapp zwei Drittel der Brasilianer sind inzwischen verschuldet. Und immer mehr sind bei der Kredittilgung im Rückstand oder können ihre Schulden gar nicht mehr zurückzahlen. In vielen Fällen wird gleich das Gehalt eingezogen, sobald es auf dem Konto landet. Ein Problem sei, sagt Marcelo Segredo, dass die Zinsen in Brasilien sehr hoch seien. Die Monatszinsen mancher Bank entsprächen einem Jahreszins von mehr als 1000 Prozent. Zudem, erklärt der Schuldenberater, würden die Zinsen oft falsch berechnet.
    "Der Witz an der Sache ist: Seit Anfang 2014 machen die brasilianischen Unternehmen weniger Gewinn, aber die Banken verdienen immer mehr. Der Gewinnabschluss der Banken war im ersten Trimester 2015 um 42 Prozent höher als im Vorjahreszeitraum. Und gleichzeitig müssen andere Firmen dicht machen."
    Für Marcelo Segredo ist klar: Die "neue Mittelschicht" ist eine Lüge, sie ist nur eine Marketingbezeichnung der Regierung, um vor den Wählern gut dazustehen. Den offiziellen Statistiken glaubt er nicht. Und er betont, dass die Regierung gar kein Interesse habe, etwas am System zu ändern, weil sie über eine Finanzsteuer an der Verschuldung mitverdiene. Deshalb sei den Brasilianern auch nie beigebracht worden, mit Geld umzugehen.
    Die Stadt São Caetano do Sul, 150.000 Einwohner, liegt im Großraum São Paulo. Eine knappe Stunde dauert die Autofahrt vom Stadtzentrum hierher. Gleich neben dem Bahnhof erstreckt sich ein weitläufiges Gebäude mit mehreren Eingängen, der Stammsitz der Einrichtungskette Casas Bahia. Luftballons in den Firmenfarben sind über dem Eingang aufgehängt, rot, weiß, blau, darüber ein großes Werbeplakat für die firmeneigenen Kreditkarten. Mit insgesamt 15 verschiedenen Kredit- und Debitkarten kann man hier bezahlen. Der Slogan heißt: "Dedicação total a você", übersetzt heißt das so viel wie "Wir geben uns völlig für Sie hin".
    Inzwischen hat die Kaufhaus-Kette mehr als 700 Filialen im ganzen Land, Tendenz steigend. Die Mittelschicht hatte Firmengründer Samuel Klein früh als interessante Kundschaft ausgemacht und für sie die Ratenzahlung eingeführt. Deshalb hat Casas Bahia stark von den konsumfreudigen Massen der vergangenen Jahre profitiert.
    Flávia Altheman ist die Marketingchefin des Unternehmens. An einem Freitagabend sitzt sie in einem fensterlosen Konferenzraum der Firmenzentrale und berichtet von der ganz besonderen Beziehung, die ihre Kunden zum Unternehmen hätten.
    Unsere Kunden nennen "Casas Bahia" auch "Mutter Bahia". Für viele in Brasilien handelt es sich nicht bloß um ein Geschäft, sondern um eine Mutter. Denn wenn jemand zu einem bestimmten Zeitpunkt das hat, was Sie wollen, dann ist es Casas Bahia."
    "Ich hatte sieben Kreditkarten, ich habe mein Konto überzogen"
    Casas Bahia verkauft Sofagarnituren, Waschmaschinen, Flachbild-Fernseher. Aber in erster Linie Träume: Träume vom Aufstieg, von einem kleinen bisschen Luxus. Und diese Träume sollen gleich erfüllt werden. Wer also im Geschäft etwa einen Fernseher kauft, kann ihn bar bezahlen oder in 18 Monatsraten. Bei Ratenzahlung kostet er unterm Strich fast das Doppelte. Für die Kunden ist das Modell trotzdem attraktiv. Denn sie wollen nicht sparen, sondern sofort konsumieren. Und auch für das Unternehmen ist es ein gutes Geschäft.
    "Weil sie so eine starke Bindung zur Marke haben, fühlen sich die Kunden sehr stark verpflichtet, ihre Schulden zurückzuzahlen. Auf diese Weise vermeiden wir eine hohe Zahl an Zahlungsausfällen."
    Und doch ist klar, dass auch Casas Bahia unter der gegenwärtigen Krise zu leiden hat.
    "Die Krise wirkt sich überall aus. Die Wirtschaft stürzt ab, das Brutto-Inlandsprodukt schrumpft. Umfragen zeigen, dass die Zuversicht der Kunden so gering ist wie seit Jahren nicht. Und das betrifft alles. Es wirkt sich auf unser gesamtes Sortiment aus."
    Auch in Casas Bahia kaufen die Kunden nun also weniger. Von Monat zu Monat analysiere man von Neuem, wie man die Krise am besten durchstehe, sagt Flávia Altheman.
    Das Wohnzimmer von Sônia Santana Leardini. Der wichtigste Einrichtungsgegenstand auch hier: ein großer Flachbildfernseher. Nebenan in der Küche steht ein neuer Gefrierschrank. Sônia Santana Leardini ist 51 Jahre alt, eine energische Frau mit glattem Gesicht und langen schwarzen Haaren. Zusammen mit ihrem Mann lebt sie in einem ruhigen Wohnviertel am Rand von Jundiaí, einer 400.000-Einwohnerstadt eine Stunde vom Zentrum São Paulos entfernt. Auch einer ihrer beiden Söhne wohnt noch zu Hause. Ihre Eltern sind einst aus dem armen Nordosten nach São Paulo gezogen. Sie kann sich nun viele Dinge leisten, von denen ihre Eltern nur träumen konnten. Inzwischen sogar ein eigenes kleines Haus. Aber beinahe hätte sie alles verloren. Weil sie zu viel eingekauft hat.
    "Ich hatte sieben Kreditkarten, ich habe mein Konto überzogen, ich habe mir Geld geliehen, um die Schulden begleichen zu können. Man gibt Geld aus ohne Kontrolle, es ist wie eine Krankheit."
    An ihrem Tiefpunkt hatte sie dann 22.000 Reais Schulden, das sind rund 6.000 Euro. Wobei, das ist ihr wichtig, der reine Produktwert nur 5.700 Reais betrug. Der Rest: Zins und Zinseszins. Nur mit der Unterstützung eines Freundes hat sie es aus diesem Loch heraus geschafft. Ihr Konsumverhalten habe sie nun drastisch geändert, sagt sie.
    "Ich kaufe nichts, was ich mir nicht leisten kann. Wir alle, wir geben einfach nichts mehr aus. Es war ein schmerzhafter Prozess und ich habe daraus gelernt."
    Früher sei sie eine Anhängerin Lulas gewesen, erzählt Sônia Santana Leardini. Immer habe sie die Arbeiterpartei PT gewählt. Damit sei nun Schluss. Enttäuscht von der Politik hat auch sie vergangenen Sonntag protestiert. Gegen die Präsidentin, gegen die Regierung – und gegen den Konsum. Die Demonstrationen mögen einige motiviert haben, ihre Unzufriedenheit in Worte zu fassen. Die Soziologieprofessorin Vera da Silva Telles beklagt trotzdem eine Entpolitisierung im Land. Weil sich die Bürger nur noch um ihren Schuldenberg kümmern müssten, hätten sie kaum noch Zeit, soziale Rechte einzufordern oder anderweitig aktiv zu sein. Und wer ist schuld daran?
    "Die institutionalisierte Linke hat versagt. Denn alle haben sich derselben Logik unterworfen, einer Geschäfts-Logik. Es war die PT, die den Zugang zu den Krediten ermöglicht hat, zum Konsum. Sie hat diese Bombe gebaut und damit auch den politischen Raum für die Linke zerstört."
    Ein Stück Hoffnung
    Doch die Opposition steht nicht viel besser da. Und so sieht es nicht danach aus, als ob sich bald etwas ändern wird. Und so lange es geht, konsumieren viele Brasilianer weiter.
    "Brasilien wird sich nicht so schnell von dieser Krise erholen. Das wird zweifellos die schwerste Krise der vergangenen Jahrzehnte sein", sagt Marcelo Segredo, der Verbraucherschützer.
    Der Marktforscher Renato Meirelles von Data Popular ist optimistischer:
    "Jede Wirtschaftskrise bringt Probleme mit sich, aber die Brasilianer haben schon so viele Probleme bewältigt, sie haben Hunger erlebt und 80 Prozent Inflation im Monat. Ich denke, dass die Wirtschaftskrise noch ein bisschen andauert. Aber sie wird vorbeigehen, so wie auch die zuvor vorbeigegangen sind. Und die Brasilianer werden gestärkt aus dieser politischen und wirtschaftlichen Krise hervorgehen. Sie werden mehr Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten haben und die Verantwortung spüren, die sie für ihr Leben haben."
    Ihm ist auch wichtig, die "neue Mittelschicht" keineswegs auf den Konsum reduzieren. Die Leute investierten auch in Bildung, sie zahlten Schulgeld und besuchten Englischkurse. Und auch eine schnelle Internetverbindung sei nicht nur zum Spaß da, sondern steigere auch ihre Chancen in der Gesellschaft.
    Zurück in Itaim Paulista, am östlichen Stadtrand von Sao Paulo. Luan und seine Freundin haben ihren Sohn in den Kinderwagen gelegt. Bald wird es dunkel, vorher wollen sie noch einkaufen gehen. Luca ist gerade einen Monat alt geworden. Seit der Junge auf der Welt ist, spürt Luan nun eine große Verantwortung.
    "Es geht doch darum, sein Leben so zu führen, wie man es gerne hätte, ein gutes und stabiles Leben. Und das wünsche ich auch meinem Sohn. Er soll einmal ein besseres Leben haben."