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Brasilien
Job-Börse oder Reste-Rampe?

Das Erdbeben von Haiti mit mehreren hunderttausend Toten liegt fünf Jahre zurück. Seither haben viele Menschen ihre Heimat verlassen - die meisten von ihnen mit dem Ziel Brasilien. Jeden Monat erreichen hunderte Flüchtlinge die Millionenstadt São Paulo - und landen in einer kleinen Kirchengemeinde, die Jobs vermittelt. Jobs, die viele Brasilianer oft nicht wollen.

Von Jonas Reese |
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    Ein haitianischer Flüchtling bei der Ankunft in Sao Paulo (Jonas Reese/ Deutschlandradio)
    "Ich bin vor 5 Tagen hier angekommen. Von Port-au-Prince ging es nach Panama, von da nach Ecuador, Bolivien und dann nach Brasilien. Drei Wochen war ich unterwegs. Insgesamt habe ich für die ganze Reise 3.500 Dollar bezahlt."
    Mit kerzengeradem Rücken steht Jonny im Schatten der Kirche 'Unsere Mutter des Friedens' in einer ärmlichen Gegend São Paulos. Über dem Kragen seines blau-weiß geringelten Polo-Shirts leuchtet eine silberne Halskette. Sein Schnauzbart ist akkurat gestutzt. In der Hand hält der 30-Jährige eine etwas ramponierte Aktentasche. Ohne Inhalt, wie sich später herausstellen wird.
    "Ich brauche erstmal Arbeit. Wenn du arbeitest, ist alles gut. Hier gibt es viel Arbeit. Ich habe schon vorher auf Baustellen oder in der Landwirtschaft gearbeitet. Aber noch habe ich keine Arbeit, ich bin am Suchen."
    Zunächst wussten die Behörden in Brasilien nicht so recht, wie sie mit den Flüchtlingen umgehen sollen. Das Land hat kaum Erfahrung mit illegalen Einwanderern. Sie schliefen auf der Straße und bettelten, bis sich die Kirche einschaltete. Sie hat Massenunterkünfte und regelmäßige Mahlzeiten organisiert und die Presse mobilisiert. Drei Mal die Woche veranstaltet die Gemeinde zusammen mit einer Hilfsorganisation regelrechte Job-Börsen. Dort werden die Flüchtlinge gleich auf der Stelle rekrutiert.
    Arbeit in der Fleischfabrik
    In der Aula der Gemeinde sitzen auf weißen Plastikstühlen rund 150 Migranten. Sie alle sind dunkelhäutig. An der Seite warten die möglichen Arbeitgeber in einer eigenen Sitzreihe. Heute sind insgesamt neun Unternehmen da. Sie kommen alle nacheinander nach vorne und stellen ihr Angebot vor.
    Eine blonde Frau begrüßt die Haitianer auf Französisch, in ihrer Heimatsprache. Dann aber hilft ein Übersetzer. Sie sucht für eine Fleischfabrik im Süden des Landes rund 40 Arbeiter. Sie bietet Unterkunft, Essen und den Mindestlohn von umgerechnet rund 250 Euro pro Monat. Obwohl es im kalten, hunderte Kilometer entfernten Santa Catarina liegt, drängeln sich die Bewerber nach vorne. Die Unternehmerin wird ihre Stellen problemlos besetzen können.
    Gleich danach tritt eine kleine, kräftige, ältere Dame nach vorne. Sie trägt eine schwarze, modische Designer-Brille. Ihre glatten weißen Haare hat sie zu einem Dutt zurückgebunden. Resolut kommandiert sie ihren Begleiter herum. Sie sucht Näherinnen für ihren Betrieb. Auch sie will den Mindestlohn bezahlen. Für wieviele Stunden und wie ihre Firma heißt, will sie aber nicht verraten.
    Jonny wird Hausmeister
    Mittlerweile ist ein regelrechtes Gerangel ausgebrochen. Die Flüchtlinge konkurrieren um diese Jobs, die Brasilianer oft nicht machen wollen. Von all dem bekommt Jonny schon nichts mehr mit. Er sitzt etwas abseits an einem Tisch und füllt Dokumente aus. Ihm gegenüber sitzt eine junge, hübsche Frau – seine neue Arbeitgeberin. Er wird auf ihrem Anwesen als Hausmeister anfangen. Sie bezahlt ihm 50 Euro mehr als die 250-Euro Mindestlohn und bietet dazu Unterkunft und Verpflegung.
    "Ich hab ihn schon vor der Veranstaltung angesprochen und ich finde ihn sehr sympathisch. Er scheint sehr sensibel zu sein. Wir werden es ausprobieren."
    Ein Experiment. So scheint es auch Jonny zu sehen. Er wirkt etwas zurückhaltend.
    "Es fühlt sich schon etwas komisch an. Aber alles gut."