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Brasilien
Rousseffs Gegenspieler aus den eigenen Reihen

Er ist derzeit der mächtigste Feind der brasilianischen Präsidentin Dilma Roussef: Parlamentspräsident Eduardo Cunha von der Partei der Demokratische Bewegung Brasiliens. Einst der wichtigste Koalitionspartner, opponiert Cunha inzwischen offen gegen Roussef und setzt Gesetzesvorhaben gegen ihren Willen durch. Proteste des Koalitionspartners ignoriert er.

Von Julio Segador |
    Brasiliens Staatschefin Dilma Rousseff.
    Brasiliens Staatschefin Dilma Rousseff (dpa / picture-alliance / Joédson Alves)
    Wohin Eduardo Cunha in diesen Tagen auch hingeht. Die Demonstranten gegen ihn sind schon zur Stelle.
    Fora Cunha - Cunha raus - skandieren die Anhänger der Arbeiterpartei und von Präsidentin Dilma Rousseff. Ihre Abneigung gegen Eduardo Cunha könnte nicht größer sein, was angesichts der politischen Konstellation eigentlich verwundert. Denn Cunha ist Mitglied der PMDB, der Partei der demokratischen Bewegung Brasiliens. Es ist die wichtigste Koalitionspartei von Präsidentin Rousseff im Parlament. Doch das war einmal. Inzwischen arbeitet die Zentrumspartei offen gegen die Präsidentin - mit Cunha als Speerspitze.
    "Man geht eine Koalition ein, wenn es mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede gibt. Aber wenn die Unterschiede überwiegen, muss man sich trennen. Und inzwischen, so denke ich, sind die Unterschiede größer."
    Eduardo Cunha ist derzeit der umstrittenste Politiker Brasiliens und der mächtigste Feind, den Dilma Rousseff hat. Als Parlamentspräsident opponiert er offen gegen die Präsidentin. Reihenweise setzt Cunha Gesetzesvorhaben gegen den Willen der Präsidentin und ihrer Arbeiterpartei durch. Die Proteste des Koalitionspartners ignoriert Eduardo Cunha.
    "Das ist doch nur das Geheul jener, die keine Mehrheit mehr haben. Das Geheul von Leuten, die Dinge vertreten, die die Gesellschaft nicht will. Kein Wunder, dass diese Regierung nur noch neun Prozent Zustimmung hat. Hier im Kongress bekommt die Regierung nichts mehr auf die Reihe, das geht in die falsche Richtung."
    Eduard Cunha selbst sehr umstritten
    Der mächtige Parlamentspräsident selbst ist nicht unumstritten. Eduard Cunha ist Mitglied einer einflussreichen Pfingstkirche. Parlamentssitzungen eröffnet er schon mal mit Bibelsprüchen. Offen wettert er gegen Homosexualität, will sie therapieren lassen. Zuletzt arbeitete er einen Gesetzentwurf zur Einführung des "Tages des heterosexuellen Stolzes" aus. Für die einen ist er der Star einer geistig-moralischen Erneuerung des Landes - viele aber sehen in Eduardo Cunha einen religiösen Eiferer, der mit aller Macht Präsident werden will. In sozialen Netzwerken wird er als die meistgehasste Person Brasiliens beschrieben. Cunha selbst vermutet dahinter ein politisches Manöver von Präsidentin Rousseff.
    "Wir wissen doch alle, dass die Arbeiterpartei der Präsidentin eine mächtige Maschinerie hat um ihre Gegner in den sozialen Netzwerken anzugreifen. Aber ich fühle mich nicht gehasst, ganz im Gegenteil. Bei den letzten Umfragen habe ich Zustimmungswerte, die um 70 Prozent höher sind als die der Präsidentin. Sie scheint also noch mehr gehasst zu werden als ich."
    Forderung nach Änderung des präsidentiellen Regierungssystems in Brasilien
    Längst regiere Cunha und nicht mehr Rousseff, kommentieren die Medien die politische Auseinandersetzung in Brasilien. Eduardo Cunha forderte zuletzt sogar eine Änderung des präsidentiellen Regierungssystems in Brasilien, hin zum parlamentarischen wie etwa in Deutschland. Er selbst bringt sich dabei als Kanzler ins Gespräch. Die Hoffnungen der Präsidentin ruhen derzeit auf der Generalstaatsanwaltschaft. Die ermittelt gegen den Parlamentspräsidenten im Zuge des Petrobras-Skandals wegen Korruptionsverdachtes. Auch hinter diesen Vorwürfen - ist sich Cunha sicher - steckt seine Intimfeindin Präsidentin Dilma Rousseff.