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Brauchen wir schärfere Waffengesetze?

Heinlein: Laden, zielen und abdrücken. Robert Steinhäuser konnte mit Waffen umgehen. Der 19jährige Schüler war Mitglied in einem Erfurter Schützenverein. Dort konnte er trainieren und ganz legal in den Besitz von Pistolen und Gewehren kommen. Mit diesen Waffen ermordete er 13 Lehrer, zwei Mitschüler und einen Polizisten, und dann richtete er sich selbst. Der Amoklauf von Erfurt hat die Forderung nach schärferen Waffengesetzen laut werden lassen. Am Telefon begrüße ich dazu jetzt den bayrischen Innenminister, Günther Beckstein. Herr Beckstein, vor sechs Jahren das Massaker im schottischen Dunblane. Die britische zog daraufhin die Konsequenz; der Privatbesitz von Handfeuerwaffen ist seither grundsätzlich verboten. Sind Sie für ein solches Gesetz in Deutschland?

    Beckstein: Ein absolutes Verbot ist aus meiner Sicht nicht sinnvoll. Das bedeutet, wir können nicht realistischerweise den Jägern, auch nicht den Sportschützen oder den Gebirgsschützen die Waffen wegnehmen, zumal man dazu sagen muss: wir brauchen in erheblichem Umfang Waffen, die im dienstlichen Bereich sind, wie bei Polizei und Sicherheitsdiensten. Das eigentliche zentrale Problem in der Kriminalität sind natürlich die illegalen Waffen. Über 90 Prozent der Straftaten, die mit Waffen begangen werden, werden mit illegalen Waffen begangen. Deswegen glaube ich nicht, dass es richtig wäre, ein absolutes privates Waffenverbot auf den Weg zu bringen.

    Heinlein: Dennoch: Der Amokläufer von Erfurt hatte seine Waffen ganz legal, und Jäger bzw. Gebirgsschützen benützen ja Gewehre. Es geht um das Verbot von Handfeuerwaffen, von Pistolen und Revolvern; das wurde in Großbritannien nach dem Massaker von Schottland generell verboten. Warum kann man dies nicht in Deutschland machen?

    Beckstein: Ich halte es nicht für realistisch, dass wir das machen, und ich glaube nicht, dass wir damit wirklich die Probleme lösen würden, sondern ich glaube, dass wir damit die überwältigende Zahl der legalen Waffenbesitzer heute unter einen Generalverdacht stellen würden, und trotzdem die Probleme bleiben würden. Wenn jemand wirklich etwas anstellen will, dann hat er die Möglichkeit, an Waffen zu kommen. Nochmals: Über 90 Prozent der Straftaten, die heute mit Waffen begangen werden, werden von illegalen Waffenbesitzern gemacht. Damit will ich in keiner Weise das vermindern, was an Katastrophe, an Explosion der Gewalt in Erfurt gemacht worden ist. Aber ich will auch darauf hinweisen, dass man in einem Sportschützenverein nicht etwa lernt, wie man auf Menschen zielt, um sie töten zu können. Das ist nicht im Sportschützenverein gelernt worden. Wenn meine Informationen stimmen, dann war das Gegenstand der Computerspiele, die der junge Mann bei sich Zuhause hatte, wo es Programme gegeben hat, wie man am Computer simuliert, wie kann man so zielen, dass man Menschen sofort tödlich trifft.

    Heinlein: Kann es denn dabei bleiben, dass jeder Sportschütze ab 18 Jahre bis zu drei halbautomatische Gewehre benutzen und bei sich Zuhause lagern darf?

    Beckstein: Ich meine, da muss man in der Tat schon noch Dinge überprüfen. Man muss überprüfen, ob großkalibrige Waffen, noch dazu wenn sie halbautomatisch sind, d.h. wenn sie mehrere Schüsse hintereinander abfeuern können, in Besitz von jungen Leuten sind, bei denen wir im Strafrecht sagen, dass diese jungen Menschen noch nicht ausgereift sind. Da wird man sicherlich noch überprüfen müssen, ob man nicht Altergrenzen festlegt, ob man nicht beispielsweise im Verein gebietet, die Waffen selber zu haben und nicht an den jungen Menschen abgibt, damit sie sie nach Hause nehmen können.

    Heinlein: Können Sie diese Altersgrenze genauer definieren? 21 Jahre oder vielleicht höher?

    Beckstein: Ich denke, zwischen 21 und 25 Jahren, denn im Strafrecht gilt jemand bis 25 Jahre als Heranwachsender. Man könnte auch daran denken, beim jungen Menschen dann zu sagen, es muss eine psychologische Prüfung gemacht worden, wie es beispielsweise in Österreich gemacht wird. Ich habe schon den Österreichischen Kollegen darum gebeten, mir seine Erfahrungen zu schildern, aber da muss man selber noch nachdenken, ob man nach Erfurt so weitermachen kann wie bisher, erscheint mir auch zweifelhaft. Es muss überprüft werden, ob man nicht Maßnahmen durchführt, die wirklich sicher sind. Man muss sich auch überlegen, dass natürlich gerade jüngere Menschen bei Polizei, bei den Wachdiensten gerade die Nachtschichten durchzuführen haben, denn in aller Regel sind ältere, nur sehr viel schwerer Menschen dazu zu kriegen, um diese schwierigen Aufgaben im staatlichen Dienst durchzuführen.

    Heinlein: Ist denn ein Gesetz denkbar, das untersagt, dass Mitglieder eines Schützenvereines ihre Waffen mit nach Hause nehmen und dort aufbewahren?

    Beckstein: Wir haben überlegt, ob man nicht generell sagt: die Waffen müssen bei den Schützenvereinen aufbewahrt werden. Wir haben das deswegen abgelehnt - und ich sage ganz bewusst wir, weil es ein breiter Konsens zwischen nahezu allen politischen Parteien war -, weil dann die Sportschützenvereine erhebliche Zahlen von Waffen lagern müssten, und insbesondere Kriminelle sofort wüssten, wo sie sich an Waffen setzen können, wenn man nicht einen ungeheueren Aufwand betreiben würde, um diese Vereinsheime, wo dann die Waffen lagern würden, abzusichern. Das bedeutet, dass man zwar eine Gefahr reduzieren, aber eine andere Gefahr erheblich erhöhen würde, und da ist in der Abwägung dann gesagt worden: Man kann die Waffen mit nach Hause nehmen, weil ja jeder Sportschütze das Bedürfnis und die Zuverlässigkeit geprüft bekommt. Und bei der Frage beispielsweise der pump-gun erscheint es mir schon eine Überprüfung wert, wie konnte die pump-gun in den Besitz eines solchen jungen Mannes kommen? Bei uns in Bayern würde ein Bedürfnis für eine pump-gun nicht gesehen werden.

    Heinlein: Noch ein Punkt des am Freitag revidierten Waffengesetzes wird kritisiert: In Vereinen dürfen Kinder danach ab 14 Jahren mit scharfer Munition schießen. Die Grünen wollen dies nun ändern. Sie auch?

    Beckstein: Wir haben diese Frage sorgfältig überprüft, und ich meine, dass es richtig ist, dass man diese Altersgrenze mit 14 Jahren setzt, und zwar deswegen, weil hier nur mit sorgfältiger pädagogischer Beratung geschossen werden darf. Das bedeutet, man braucht eine erfahrene, zuverlässige, pädagogisch geschulte Person, die besser erkennen kann, war sind diese jungen Leute für Menschen, die im Schützenverein sind. Und nur derjenige, der dann auch wirklich als zuverlässig angesehen wird, der nicht etwa irgendwelche Dummheiten macht, der auch als reif erscheint, wird dann unter entsprechender Aufsicht da herangeführt. Das erscheint mir richtiger, als wenn Kinder und Jugendliche irgendwo in Graubereichen die Waffen verwenden.

    Heinlein: Aber ist dann das Schießen mit scharfer Munition mit 14 Jahren nicht mindestens genau so schlimm wie das Schießen mit der Maus oder an einer Playstation, am Computer?

    Beckstein: Der Unterschied liegt darin, dass man am Computer oder an der Playstation auf Menschen schießt, während man anders auf eine Schießscheibe mit Ringen zielt. Und es ist natürlich bei der Frage Hemmschwelle, ob man eine Waffe gegen einen Menschen einsetzt, etwas völlig Anderes, ob man zwar virtuell auf einen Menschen zielt und überlegt, wie kann man ihn an den Stellen treffen, wo ein Schuss tödlich ist, oder ob man auf eine Schießscheibe zielt, wo man an der Präzision und Disziplin gemessen wird. Ich bin überzeugt, dass die Frage nicht einfach die Frage eines technisches Gebrauches von Waffen eines Sportschützen ist, sondern die zentrale Problematik heißt Hemmschwelle. Das eigentliche Problem ist, dass man Gewalt gegen einen anderen Menschen anwendet, und nicht der technische Gebrauch einer Waffe.

    Heinlein: Vielen Dank für das Gespräch.

    Link: Interview als RealAudio