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Brauner Virus - Dresden blockiert Nazis

Am 13. Februar jährt sich in Dresden der Tag der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg. Immer wieder wird dieser Tag von rechten Aufmärschen überschattet. Wer dagegen protestiert, muss sich oftmals nicht nur mit Neonazis, sondern auch mit der sächsischen Justiz auseinandersetzen.

Von Claudia Altmann |
    "Im letzten Jahr war die Situation so, dass bei Kältetemperaturen wir vor Wasserwerfern standen und ich dann gesagt habe: Wir müssen als Abgeordnete uns auch schützend vor die Leute stellen, die hier blockieren wollen, weil ansonsten vielleicht Wasserwerfer eingesetzt werden."

    Die große Fensterfront im gut geheizten Büro von Martin Dulig gibt den Blick frei auf den verschneiten Innenhof des Sächsischen Landtages. In vier Tagen kann es passieren, dass der SPD-Landeschef und -Fraktionsvorsitzende mit einer ähnlichen Situation konfrontiert ist: Erneut wollen sich zahlreiche Demonstranten in eisiger Kälte mehreren Tausend Rechten in den Weg setzen und stellen, obwohl die Polizei mit Wasserwerfern im Einsatz sein wird.

    "Seit Jahren missbrauchen Rechtsextreme das Gedenken in dieser Stadt und wir können das nicht akzeptieren. Wir müssen uns diese Stadt auch zurückerobern. Diese Stadt hat Nazis satt und da muss man auch ein klares deutliches Zeichen setzen."

    Wegen seiner Entscheidung vor einem Jahr, sich in vorderster Reihe den Blockierern anzuschließen, hat die Dresdner Staatsanwaltschaft gegen ihn wegen grober Störung einer genehmigten Versammlung ermittelt. Zu einer Anklage kam es nicht, denn der 37-Jährige nahm das Angebot der Justiz an, das Strafverfahren gegen die Zahlung einer Geldauflage einzustellen.

    "Wenn man bereit ist, eine Ordnungswidrigkeit, oder in Sachsen ist das eine Straftat, in Kauf zu nehmen, dann muss man sich das vorher schon bewusst machen. Das muss man sich schon klarmachen, was geht und was nicht geht und mit sich im Reinen sein. Ich hab auch meine Demokratiestrafe bezahlt. Die Staatsanwaltschaft wollte von mir 700 Euro haben. Die hab ich bezahlt."

    So wie mehr als 80 der etwa 200 Personen, gegen die die sächsische Justiz vor Jahresfrist denselben Vorwurf erhoben hat. Strafrechtliche Verfolgung wegen einer Handlung, die für den ruhigen konzentrierten Mann moralische Verpflichtung war.

    "Ob das ne Straftat ist, ob das ne Ordnungswidrigkeit ist, ist mir völlig egal. Es ging in diesem Moment um zivilen Ungehorsam. Es ging darum, dass ich es für mich als ein legitimes Mittel angesehen habe, mich den Nazis entgegenzustellen oder entgegenzusetzen und ich war auch bereit, dafür die Konsequenzen zu tragen."

    Gegen den Naziaufmarsch hatten auch Tausende Dresdner symbolisch mit einer Menschenkette protestiert. Aber es waren die Blockierer, die letztlich verhinderten, dass rechte Fackelträger durch die Stadt marschieren konnten. Die Polizei wollte die beiden Lager trennen. Das funktionierte nicht und es kam zu chaotischen Zuständen und Ausschreitungen mit mehr als 100 verletzten Polizisten. Die CDU-FDP-geführte Landesregierung macht bis heute die Blockierer dafür verantwortlich. Der SPD-Politiker Dulig ist einer von ihnen.

    "Was in den Tagen und Wochen nach dem 19. Februar des letzten Jahres abgegangen ist, das war besonders schlimm, weil dann eingeteilt wurde, wer ein guter Demokrat ist, wer ein schlechter Demokrat ist. Es wurde eingeteilt, wer richtig demonstriert hat und wer falsch demonstriert hat. Wir wurden alle in die Ecke gestellt, als seien wir diejenigen gewesen, die Steine geworfen haben, Brandsätze geworfen haben. Wir wurden mit den Gewalttätern in eine Ecke gestellt. Das halte ich für skandalös, wie wirklich Tausende friedliche Protestierer dort kriminalisiert werden."

    Man hört es ihm deutlich an, der Mann an der Spitze der sächsischen SPD ist sauer. Über die Haltung der Regierung kann er nur den Kopf schütteln. Und deshalb wird er sich auch in der kommenden Woche in den friedlichen Protest Tausender einreihen. Notfalls auch wieder Blockieren.

    "Ich weiß, wo die Grenzen sind, aber das wusste ich auch im letzten Jahr und die Entscheidung muss ich ganz alleine treffen. Die Entscheidung kann mir kein Bündnis, kein Netzwerk, keine Partei abnehmen, die kann nur ich selber tragen."

    Genau eine Etage höher im Büro des Fraktionsvorsitzenden der Linken. Für André Hahn hatte bereits die Teilnahme an den Gegendemonstrationen 2010 juristische Konsequenzen. Auch damals waren Tausende Menschen gegen den rechten Aufmarsch auf die Straßen Dresdens gegangen und hatten diesen erstmals erfolgreich gestoppt.

    "Ich habe 2010 von 8 Uhr 30 an auf der Straße gestanden. Und wir sind eigentlich auf dem Weg zum Albertplatz gewesen, wo am Nachmittag auch eine genehmigte Demonstration stattgefunden hat und eine Polizeikette hat uns aufgehalten. Und da wir nicht weiterkamen haben wir kurzfristig entschieden, dass wir dort stehen bleiben, wo uns die Polizei aufgehalten hat. Wir sind dort also gar nicht bewusst hingegangen. Haben uns allerdings als Abgeordnete gegenüber der Polizei zu erkennen gegeben. Und aus den Akten geht hervor, dass bei mehreren Situationen, wo es problematisch hätte werden können, wir diejenigen waren, die deeskalierend waren, die vermittelt haben."

    Das sieht die sächsische Staatsanwaltschaft anders. Von den etwa 13.000 friedlichen Demonstranten sollten vier Personen eine Geldstrafe zahlen, die Fraktionsvorsitzenden der Linken aus Sachsen, Thüringen und Hessen. Nachdem sie das verweigert hatten, wird ihnen Rädelsführerschaft vorgeworfen. Die Immunität der vier Linken-Politiker wurde von den Landtagen ihres jeweiligen Bundeslandes inzwischen aufgehoben, in Sachsen mit den Stimmen von CDU, FDP und NPD. In André Hahns Strafbefehl heißt es, er soll den Nazi-Aufmarsch vereitelt und damit eine grobe Störung verursacht haben.

    "Nach dem Auffliegen der rechten Terrorzelle der NSU hat man sich zunächst nicht getraut, die Anklage zu erhaben. Sie sollte ja schon im November vor Gericht verhandelt werden und hat dann einen Strafbefehl nachgeschoben in Höhe von 3000 Euro, die ich zahlen soll für meine Teilnahme an der Demonstration."

    Der 48-Jährige hat dagegen Einspruch eingelegt und wartet nun auf den Termin der Gerichtsverhandlung. Er will, dass die Angelegenheit öffentlich ausgestritten wird. Wie sein Kollege von der SPD fordert auch der energische Linkspolitiker, dass friedliche Demonstranten an diesem Tag den Nazis am kommenden Montag ungehindert und ohne Angst vor juristischer Verfolgung die Stirn bieten können. Hahn will nicht, dass sich Szenarien wie in den Vorjahren wiederholen.

    "Im letzten Jahr sind vor den Toren der Stadt die Busse gestoppt worden Es sind 60-, 70-, 75-jährige Menschen gezwungen worden, kilometerweit zu Fuß in die Stadt zu gehen, um von ihrem Demonstrationsrecht Gebrauch machen zu können. Das ist völlig inakzeptabel. Und das muss sich ändern."