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Braunkohle-Tagebau
"Es geht dem Konzern darum, hier eine Provokation zu setzen"

Mit dem Vorgehen im Hambacher Forst wolle RWE provozieren, sagte der Grünen-Energieexperte Oliver Krischer im Dlf. Konzern, Bund und Land müssten veraltete Planungen aus den 1970er-Jahren dringend ändern. Wenn der Braunkohle-Tagebau immer weiter gehe, könne man das Pariser Klimaabkommen "vergessen".

Oliver Krischer im Gespräch mit Tobias Armbrüster |
    Das Kraftwerk Niederaußem von der RWE Power. C. Hardt
    RWE-Kraftwerk in Niederaußem (imago / C. Hardt )
    Tobias Armbrüster: Am Telefon begrüße ich jetzt Oliver Krischer von den Grünen. Er ist Fraktionsvize seiner Partei im Deutschen Bundestag. Schönen guten Morgen, Herr Krischer!
    Oliver Krischer: Guten Morgen, Herr Armbrüster!
    Armbrüster: Herr Krischer, wir haben es gehört, der angekündigte Abbau, die angekündigte Rodung im Hambacher Forst ist genehmigt, ist seit vielen Jahren auf dem Plan, alles ist gerichtlich, politisch abgesichert, außerdem ist diese Rodung wichtig für die künftige Stromerzeugung in Deutschland. Gibt es jetzt irgendeine politische Rechtfertigung für diese Proteste?
    Krischer: Na ja, also wir haben ein Pariser Klimaabkommen, und es ist völlig klar, wenn wir diese Tagebauplanung Hambach, die ja aus dem Jahr 1972 oder 74 datiert und die seitdem unverändert ist, wenn wir die weiter so betreiben, wie Herr Eyll-Vetter uns das gerade erklärt hat, dann können wir alles das, was wir beim Pariser Klimaabkommen unterschrieben haben, das, wozu wir uns mal für die Energiewende committed haben, können wir das alles vergessen. Es ist völlig klar, diese Tagebauplanungen im Rheinland, die ja bis zum Jahr 2050 laufen sollen, die müssen deutlich verändert werden, wenn in irgendeiner Weise noch einen Beitrag zum Klimaschutz leisten wollen. Ich höre immer von RWE, ja, man würde ja die Braunkohlebestromung reduzieren. Fakt ist, seit Beginn der 90er-Jahre ist das unverändert hoch, was an CO2-Emissionen im Rheinland emittiert wird. Das sind fast zehn Prozent der gesamten deutschen Emissionen, die kommen aus den Braunkohlekraftwerken von RWE, und da muss sich einiges ändern.
    "Es geht nicht nur um ein Waldstück"
    Armbrüster: Herr Krischer, ich muss Sie da, glaube ich, kurz korrigieren: Der Abbau im Hambacher Forst soll bis 2040 laufen, und wir haben es ja gerade gehört, dass der Energiemix auch für RWE eine wichtige Rolle spielt. Also der Konzern sagt jetzt ja nicht, wir wollen Braunkohle auf Teufel komm raus weiter puschen, sondern Braunkohle und die Stromgewinnung aus Braunkohle spielt einfach für einen Stromkonzern eine wichtige Rolle neben der Energiegewinnung durch regenerative Energien. Können die Grünen so etwas verstehen, so einen Energiemix?
    Krischer: Also ich wohne ja nun wenige Kilometer vom Tagebau entfernt und kenne die Situation vor Ort sehr gut und sehr viele Jahre, und ich kenne niemanden, weder in den Umweltverbänden noch bei den Grünen, der sagt, man muss das jetzt irgendwie sofort und heute Morgen beenden. Wir reden ja darüber, dass endlich ein Ausstiegsszenario gemacht wird, dass endlich geklärt wird, wann wollen wir denn das ganze Thema an der Stelle beenden, und was mich, ehrlich gesagt, empört und weshalb ich auch persönlich gegen diese Rodung im Hambacher Wald protestiere, dass es nicht sein kann, dass wir in Berlin zusammensitzen und über den Ausstieg aus der Kohle reden, dass da Umweltverbände sich wirklich schwergetan haben, in so eine Kommission reingehen bei einer Bundesregierung, wo man nicht weiß, ob sie es wirklich ernst meint, und dass hier dann Fakten geschaffen werden, wo möglicherweise am Ende bei rauskommt, dass wir diesen Wald - und es geht nicht nur um ein Waldstück, sondern es sind mehrere -, dass die am Ende jetzt gerodet werden, und dann sagt man, ach ja, die Kohle brauchen wir gar nicht mehr.
    Armbrüster: Aber Herr Krischer, entschuldigen Sie, wenn ich Sie da kurz unterbreche, der Hambacher Forst steht doch überhaupt nicht auf der Agenda bei der Tagung der Kohlekommission.
    Krischer: Natürlich steht der Hambacher Forst auf der Agenda, weil die Kohlekommission wird die Rahmenbedingungen, wird die Menge der Kohleverstromung verändern, weil das, was bisher in der Gesamtplanung von RWE vorliegt, das geht weit über das Jahr 2040 hinaus. Das wird deutlich reduziert werden müssen, und da wird auch die Frage des Hambacher Waldes, die 600 Hektar, die da im Moment noch sind, die werden im Raume stehen, und da wird man die Tagebauplanung … Das ist natürlich dann … in der Umsetzung der Beschlüsse der Kohlekommission muss das erst der Bundestag machen, aber dann wird Nordrhein-Westfalen als Land für die Tagebauplanung das entsprechend verändern müssen, und dann ist selbstverständlich … der Tagebau Hambach und der Hambacher Wald sind dann ein Teil dessen, was da verändert werden muss.
    Will RWE die Kohlekommission "sprengen"?
    Armbrüster: Herr Krischer, welches Signal soll von dieser ganzen Geschichte ausgehen, wenn ein Projekt, das durch alle Gerichtsinstanzen ist, das politisch besiegelt ist, wenn das ganz zum Schluss noch mal aufgerollt werden soll wegen einiger Proteste, welches Signal soll das setzen an andere Unternehmen in Deutschland?
    Krischer: Nein, also es geht überhaupt nicht darum. Erst mal ist es nicht durch alle Gerichtsinstanzen. RWE musste ja jetzt den möglichen Rodungsbetriebsbeginn verschieben vom 01.10. auf den 04.10., weil das Gericht das gewünscht hat, weil hier noch Entscheidungen ausstehen. Also insofern ist schon mal klar, die Rechtsklarheit ist an der Stelle nicht gegeben. Es geht am Ende darum, dass wir das, was wir in Paris unterschrieben haben und wo alle sich in Deutschland, bis auf die am rechten Rand, klar committen, dass wir das in irgendeiner Weise dann auch entsprechend umsetzen und hier Konsequenzen ziehen, und ich sehe überhaupt keine Notwendigkeit, jetzt diese Provokation zu machen. Der Abstand zwischen Tagebaukante und dem Wald beträgt 400 Meter im Moment, und der Abbaufortschritt pro Jahr sind 100 bis 150 Meter. Da kann RWE auch noch ohne Weiteres weiterbaggern. Ich glaube, es geht dem Konzern jetzt einfach darum, hier eine Provokation zu setzen, am Ende die Kohlekommission auch zu sprengen, weil man das genau nicht will, dass am Ende hier entschieden wird, dass die Tagebauplanung reduziert wird. Es geht meines Erachtens weniger um den Hambacher Wald, als vielmehr darum, dass RWE verhindern will, dass seine Planungen aus den 70er-Jahren da deutlich verkleinert werden.
    Armbrüster: Sagt hier bei uns live in den "Informationen am Morgen" der Grünen-Fraktionsvize im Deutschen Bundestag, Oliver Krischer. Herr Krischer, vielen Dank für das Gespräch!
    Krischer: Danke Ihnen!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.