Es ist der Morgen des 1. September. Im Weiler Lützerath am Braunkohletagebau Garzweiler im Rheinischen Revier haben sich rund 50 Menschen zum Frühstück versammelt. Sie sitzen vor dem letzten noch stehenden Lützerather Hof, ein denkmalgeschützter Gebäudekomplex aus dem 18. Jahrhundert. Die warme Morgensonne scheint auf die rotbraunen Backsteinmauern.
„Das ist ein trauriges Ereignis hier, weil wir jetzt ab Mitternacht auf dem Boden von RWE sitzen und weil dieser Hof jetzt auch auf dem Boden von RWE steht.“
„Ich bin hier, um der Vernichtung von Lebensgrundlagen und der Lebendigkeit von Leben was entgegenzusetzen, um Lützerath zu schützen, um die ganze Erde zu schützen.“
Seit Mitternacht gehört der Hof nicht mehr dem Landwirt Eckardt Heukamp, sondern dem Energiekonzern und Braunkohleförderer RWE. Heukamp hatte sich jahrelang seiner drohenden Enteignung durch RWE widersetzt – letztlich ohne Erfolg. Im Frühjahr entschied ein Gericht gegen ihn, er musste seinen Besitz verkaufen, bis Ende September muss er ihn verlassen.
„Dass so viele Menschen hier enteignet wurden und weggedrängt wurden aus ihren Dörfern, von ihrem Land, dass sie bestellt haben. Dass so viele Lebenszusammenhänge und Lebensgrundlagen zerstört worden sind für die umweltschädlichste Form der Energiegewinnung ... ich könnte heulen dabei. Vor Wut, auch aber vor Trauer.“
„Es geht um den Hof, aber es geht auch um das Land hier. Wir können uns diese Energieversorgung überhaupt nicht mehr leisten und trotzdem wird noch zerstört.“
„Das ist ein trauriges Ereignis hier, weil wir jetzt ab Mitternacht auf dem Boden von RWE sitzen und weil dieser Hof jetzt auch auf dem Boden von RWE steht.“
„Ich bin hier, um der Vernichtung von Lebensgrundlagen und der Lebendigkeit von Leben was entgegenzusetzen, um Lützerath zu schützen, um die ganze Erde zu schützen.“
Seit Mitternacht gehört der Hof nicht mehr dem Landwirt Eckardt Heukamp, sondern dem Energiekonzern und Braunkohleförderer RWE. Heukamp hatte sich jahrelang seiner drohenden Enteignung durch RWE widersetzt – letztlich ohne Erfolg. Im Frühjahr entschied ein Gericht gegen ihn, er musste seinen Besitz verkaufen, bis Ende September muss er ihn verlassen.
„Dass so viele Menschen hier enteignet wurden und weggedrängt wurden aus ihren Dörfern, von ihrem Land, dass sie bestellt haben. Dass so viele Lebenszusammenhänge und Lebensgrundlagen zerstört worden sind für die umweltschädlichste Form der Energiegewinnung ... ich könnte heulen dabei. Vor Wut, auch aber vor Trauer.“
„Es geht um den Hof, aber es geht auch um das Land hier. Wir können uns diese Energieversorgung überhaupt nicht mehr leisten und trotzdem wird noch zerstört.“
Lützerath ist längst über seine einstige Größe hinausgewachsen, zu einem Symbol der Klima- und Anti-Braunkohle-Bewegung geworden. 90 Menschen lebten hier vor Beginn der Umsiedlung 2006. Heute sind es weit mehr als 100. Sie wohnen in Baumhäusern, Zelten und Holzhütten rund um den Hof. Und könnten noch viel mehr werden.
Regelmäßig rufen Umweltbewegungen zu Protesten an die Tagebaukante bei Lützerath auf, nicht selten kommen dazu bis zu 2.000 Menschen aus der Region.
„Ich denke, heute ist nur ein Auftakt für die nächsten Monate, in denen viele Menschen herkommen werden, um deutlich zu machen, dass sie bereit sind, auch um Lützerath zu kämpfen, wenn es ernst wird“, sagte David Dresen von der Initiative „Alle Dörfer Bleiben“ bei einer der letzten Demonstrationen. Auch Luisa Neubauer von Fridays for Future war wiederholt dabei:
„Wir sprechen gerade in der Politik viel von Zeitenwenden. Und wir brauchen nicht nur Zeitenwenden, wir brauchen auch Kehrtwenden, in der Klimapolitik. Und Lützerath markiert genau den Punkt, wo diese Kehrtwende eintreten muss. Was hier passiert, ist der fossile Status Quo, die Befeuerung von einem System ohne Zukunft.“
Was Neubauer damit meint: Im Oktober beginnt die sogenannte Rodungssaison. Dann dürfen – unter bestimmten Voraussetzungen – Bäume gefällt werden. Dann darf auch Lützerath abgerissen werden. Der Energiekonzern RWE wird das Gelände dann für den Tagebau nutzen. Man brauche die Flächen, heißt es, ansonsten sei die Stromversorgung durch die in NRW liegenden Braunkohle-Kraftwerke Niederaußem und Neurath gefährdet.
Was wiegt schwerer? Ein drohender Strommangel oder der Abriss eines fast schon nicht mehr existenten Dorfes?
Dieser Konflikt sei gar nicht gegeben, widerspricht die Ingenieurin und Energiewissenschaftlerin Catharina Rieve von der Europa-Universität Flensburg. Es sei ausreichend Braunkohle im aktuellen Tagebau vorhanden, um die Kraftwerke bis zum Kohleausstieg 2030 zu befeuern. Das Abbaggern Lützeraths sei unnötig.
„Auch bei Stillstand der Tagebaukante sind noch derartig große Braunkohlemengen zu gewinnen, als dass die Tagebaukante nicht weiterentwickelt werden darf, um die anderthalb Grad-Grenze noch einzuhalten.“
RWE hingegen argumentiert wirtschaftlich: Ein Umplanen oder gar Verkleinern des Tagebaus, um Lützerath zu schonen, wäre nur unter betriebswirtschaftlichen Einbußen möglich. Ob die Stromversorgung außerdem auch ohne das Abreißen von Lützerath gesichert sei, hänge stark vom Strombedarf und dem Ausbau der Erneuerbaren ab.
RWE hält detaillierte Zahlen zum Kohlebestand zurück
Tatsächlich können sich auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in dieser Frage bei ihren Studien nur auf Hochrechnungen stützen. Das liegt auch an RWE selbst. Der Konzern hält Zahlen dazu, wie viel Kohle in den aktuellen Tagebauen lagere, zurück, erklärt die grüne Landtagsabgeordnete Antje Grothus:
„Das ist ja auch die größte Herausforderung die wir haben, dass es an Transparenz mangelt, was Karten angeht, was Massen die dort lagern im Tagebau angeht. Das muss ja immer auch hochgerechnet werden von den Wissenschaftlern, die Studien machen, es ist eine Wissenslücke und die trägt immer zur Intransparenz bei.“
2015 hatte sich die internationale Staatengemeinschaft in Paris auf ein Klimaschutzabkommen verständigt, dass vorsieht, den menschengemachten globalen Temperaturanstieg durch den Treibhauseffekt auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. In mehreren Untersuchungen haben Catharina Rieve und ihre Mitautoren, unter anderem vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung und der Universität Flensburg, durchgerechnet, was das 1,5-Grad-Ziel für die Zukunft der Tagebaue in Deutschland bedeutet.
„Unsere Studie zum Rheinischen Revier als auch unsere Studie zur Lausitz sagen ganz klar, dass in Deutschland kein weiteres Dorf mehr abgebaggert werden darf, allein aus energiewirtschaftlichen Gründen, aber auch aus klimapolitischen Gründen. Und das ist insbesondere beim Dorf Lützerath so, dass die Kohle unter Lützerath nicht mehr gebraucht wird.“
Auch jetzt, nach dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine und der dadurch ausgelösten Gas- und Energiekrise bleiben die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen bei dieser Aussage. Umwelt- und Klimaschutzorganisationen fordern die in Nordrhein-Westfalen zuständige grüne Wirtschafts- und Klimaschutzministerin Mona Neubaur auf, RWE schnellstmöglich zum Erhalt von Lützerath zu bewegen.
„Das ist ja auch die größte Herausforderung die wir haben, dass es an Transparenz mangelt, was Karten angeht, was Massen die dort lagern im Tagebau angeht. Das muss ja immer auch hochgerechnet werden von den Wissenschaftlern, die Studien machen, es ist eine Wissenslücke und die trägt immer zur Intransparenz bei.“
2015 hatte sich die internationale Staatengemeinschaft in Paris auf ein Klimaschutzabkommen verständigt, dass vorsieht, den menschengemachten globalen Temperaturanstieg durch den Treibhauseffekt auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. In mehreren Untersuchungen haben Catharina Rieve und ihre Mitautoren, unter anderem vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung und der Universität Flensburg, durchgerechnet, was das 1,5-Grad-Ziel für die Zukunft der Tagebaue in Deutschland bedeutet.
„Unsere Studie zum Rheinischen Revier als auch unsere Studie zur Lausitz sagen ganz klar, dass in Deutschland kein weiteres Dorf mehr abgebaggert werden darf, allein aus energiewirtschaftlichen Gründen, aber auch aus klimapolitischen Gründen. Und das ist insbesondere beim Dorf Lützerath so, dass die Kohle unter Lützerath nicht mehr gebraucht wird.“
Auch jetzt, nach dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine und der dadurch ausgelösten Gas- und Energiekrise bleiben die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen bei dieser Aussage. Umwelt- und Klimaschutzorganisationen fordern die in Nordrhein-Westfalen zuständige grüne Wirtschafts- und Klimaschutzministerin Mona Neubaur auf, RWE schnellstmöglich zum Erhalt von Lützerath zu bewegen.
Wir wollen so viele Dörfer wie möglich erhalten.
NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU)
Bis zum Ende solcher Gespräche müsse ein Moratorium gelten, damit in dem Ort nicht vorzeitig Fakten geschaffen, Gebäude und Natur zerstört würden. Selbst der Bundestag hat sich im Juli überraschend für Lützerath ausgesprochen. Er befürworte den Erhalt des Dorfes, heißt es in einem Beschluss des Parlaments. So gerät die frisch gewählte schwarz-grüne Landesregierung unter Druck.
Die Grünen geraten beim Thema Lützerath unter Zugzwang
Insbesondere die Grünen, die sich in den vergangenen vier Jahren in der Opposition beim Thema Lützerath häufig zurückgehalten und auf die damals noch laufenden Gerichtsprozesse verwiesen haben, geraten nun unter Zugzwang. Klagen gegen die Enteignung eines Hofes in Lützerath wurden abgewiesen, alle Flächen mittlerweile an RWE verkauft. Wenn die Grünen die Dörfer schützen wollen, geht das nur noch durch eine bewusste politische Entscheidung. Lützerath aber taucht im Koalitionsvertrag nicht auf. Ein klares Bekenntnis zu seiner Zukunft fehlt. Die grüne Landtagsabgeordnete Antje Grothus kommt selbst aus der Region, setzte sich 2018 gegen die Rodung des Hambacher Forsts ein und war als Vertreterin des Rheinischen Reviers Teil der Kohlekommission. Sie beschwichtigt mit Blick auf den Koalitionsvertrag.
„Wenn ein Ort, ein Dorf, eine Landschaft dort nicht genannt wird, dann heißt das ja nicht, dass wir uns nicht für dessen Erhalt einsetzen. Und da finde ich die Fokussierung auf Lützerath nicht unbedingt hilfreich, denn wir haben ja auch dahinter vier Höfe, da leben ja auch noch Menschen, die ihr Zuhause gerne erhalten möchten.“
Offiziell aber zeigt sich die Landesregierung eher zurückhaltend, wenn die Sprache auf Lützerath kommt, wie hier CDU-Ministerpräsident Hendrik Wüst.
„Wir haben in der Koalition verabredet, dass das zuständige Ressort erstmal die Gespräche führen wird. Wir wollen so viele Dörfer wie möglich erhalten.“
Tatsächlich laufen solche Gespräche seit Sommer. Das Ziel: Den bis zum Kohleausstieg 2030 benötigten Flächenbedarf auf ein Minimum zu begrenzen. Die grüne Wirtschafts- und Klimaschutzministerin Neubaur selbst äußerte sich bisher nicht zu den laufenden Gesprächen. Genauso wenig bekennt sich die oppositionelle SPD zur Zukunft des Dorfes. Ihr Fraktionsvorsitzender Thomas Kutschaty bleibt vage:
„Die Frage, ob Lützerath erhalten bleiben kann oder nicht, ist eine Frage der benötigten Mengen der Kohle. Diese Prüfung muss die Landesregierung gemeinsam mit dem RWE vornehmen und durch eine neue Leitentscheidung dann auch quasi amtlich machen. Und vor allem wird jetzt eine schnelle Entscheidung benötigt.“
„Wenn ein Ort, ein Dorf, eine Landschaft dort nicht genannt wird, dann heißt das ja nicht, dass wir uns nicht für dessen Erhalt einsetzen. Und da finde ich die Fokussierung auf Lützerath nicht unbedingt hilfreich, denn wir haben ja auch dahinter vier Höfe, da leben ja auch noch Menschen, die ihr Zuhause gerne erhalten möchten.“
Offiziell aber zeigt sich die Landesregierung eher zurückhaltend, wenn die Sprache auf Lützerath kommt, wie hier CDU-Ministerpräsident Hendrik Wüst.
„Wir haben in der Koalition verabredet, dass das zuständige Ressort erstmal die Gespräche führen wird. Wir wollen so viele Dörfer wie möglich erhalten.“
Tatsächlich laufen solche Gespräche seit Sommer. Das Ziel: Den bis zum Kohleausstieg 2030 benötigten Flächenbedarf auf ein Minimum zu begrenzen. Die grüne Wirtschafts- und Klimaschutzministerin Neubaur selbst äußerte sich bisher nicht zu den laufenden Gesprächen. Genauso wenig bekennt sich die oppositionelle SPD zur Zukunft des Dorfes. Ihr Fraktionsvorsitzender Thomas Kutschaty bleibt vage:
„Die Frage, ob Lützerath erhalten bleiben kann oder nicht, ist eine Frage der benötigten Mengen der Kohle. Diese Prüfung muss die Landesregierung gemeinsam mit dem RWE vornehmen und durch eine neue Leitentscheidung dann auch quasi amtlich machen. Und vor allem wird jetzt eine schnelle Entscheidung benötigt.“
So eine Leitentscheidung wäre inzwischen die fünfte zur Zukunft des Rheinischen Reviers. Sie kann allein von der Regierung gefällt werden, der Landtag wird nur über sie unterrichtet und kann nicht abstimmen. Die letzte Leitentscheidung stammt aus dem März 2021. Damals führte Armin Laschet die schwarz-gelbe Regierung in Nordrhein-Westfalen an. Diese Entscheidung sah vor, dass Lützerath und fünf weitere Dörfer dem Tagebau Garzweiler weichen sollen. Eine von mehreren Fehlentscheidungen, findet Antje Grothus aus der Grünen-Landtagsfraktion.
„Wir treten da ein bisschen und schweres Erbe an. Oder wir übernehmen eine Altlast. Denn dieser Hauptbetriebsplan, der noch gültig ist bis Ende des Jahres und der RWE rechtlich die Möglichkeit gibt, Lützerath abzubaggern, ist schon 2019 genehmigt worden vor der Vorgängerregierung.“
„Wir treten da ein bisschen und schweres Erbe an. Oder wir übernehmen eine Altlast. Denn dieser Hauptbetriebsplan, der noch gültig ist bis Ende des Jahres und der RWE rechtlich die Möglichkeit gibt, Lützerath abzubaggern, ist schon 2019 genehmigt worden vor der Vorgängerregierung.“
2016: Erste Pläne, um Lützerath abzubaggern
Politisch gehen die Pläne, Lützerath abzubaggern sogar noch weiter zurück als ins Jahr 2019. Schon im Juli 2016 bestätigte die damalige rot-grüne Landesregierung von Hannelore Kraft, dass Lützerath der Braunkohle-Förderung weichen muss. Zwar wurde der Tagebau Garzweiler im gleichen Zug verkleinert und andere Orte mit insgesamt 1.400 Einwohnern dadurch gerettet, aber für Lützerath gab es keine Aussicht auf Erhalt. NRW-SPD-Chef Thomas Kutschaty sieht seine Partei deshalb nicht in einer besonderen Verantwortung, im Gegenteil:
„Wir haben ja als erste Landesregierung überhaupt vor einigen Jahren schon eine Kehrtwende eingeleitet. Mit einer neuen Leitentscheidung unter Rot-Grün haben wir ja schon frühzeitiger einen Kohleausstieg vorgenommen, als dass ursprünglich mal früher vorgesehen war. Das ist jetzt noch mal dynamisch, schneller entschieden worden und schneller geworden. Das ist auch gut und richtig. So aber dürfe nicht vergessen die Kehrtwende und die Erkenntnis, von der Kohleverstromung abzuweichen. Das ist ein Zeiten einer Regierung von Hannelore Kraft entstanden.“
„Wir haben ja als erste Landesregierung überhaupt vor einigen Jahren schon eine Kehrtwende eingeleitet. Mit einer neuen Leitentscheidung unter Rot-Grün haben wir ja schon frühzeitiger einen Kohleausstieg vorgenommen, als dass ursprünglich mal früher vorgesehen war. Das ist jetzt noch mal dynamisch, schneller entschieden worden und schneller geworden. Das ist auch gut und richtig. So aber dürfe nicht vergessen die Kehrtwende und die Erkenntnis, von der Kohleverstromung abzuweichen. Das ist ein Zeiten einer Regierung von Hannelore Kraft entstanden.“
Es kann sein, dass Lützerath der letzte Ort sein könnte, der noch wegkommt. Das kann so sein. Das habe ich nie in der Hand gehabt und das habe ich jetzt sowieso nicht in der Hand.
Landwirt Eckhardt Heukamp
So haben inzwischen nahezu alle Parteien über das nahende Ende des Dorfes bestimmt – und befinden sich nun in einem Dilemma: Die Auswirkungen des Klimawandels zeigen sich mit immer stärkerer Wucht, auch in Deutschland. Nicht zuletzt Nordrhein-Westfalen wurde das durch die Jahrhundertflut im vergangenen Jahr allzu schmerzlich bewusst.
Letzte Chance für Lützerath: die Landesregierung
Aber der Tagebaubetreiber RWE hat mittlerweile die langfristigen Zusagen, weitere Flächen für seine Braunkohleförderung abbaggern zu dürfen. Auch Gerichte haben dem Unternehmen bestätigt, dass Lützerath bergbaulich genutzt werden darf. Freiwillig – so scheint es – wird der Konzern nicht von diesen Rechten zurücktreten. So wird die aktuelle schwarz-grüne Landesregierung letztlich wohl entscheiden müssen, wie viel Geld ihnen eine Befriedung des Konfliktes wert ist.
Noch ist schwer abzusehen, wie die Gespräche mit RWE ausgehen werden. Auf eine Anfrage des Deutschlandfunks kam von dem Unternehmen keine Antwort. In Lützerath selbst verfolgt Landwirt Eckardt Heukamp die politischen Diskussionen mit Spannung.
Er musste sein Haus und die Ländereien nach mehreren verlorenen Prozessen zwar verkaufen. Aber der 54-Jährige hat die Hoffnung noch nicht ganz aufgegeben, dass sein Hof – seit Generationen von der Familie bewirtschaftet – letztlich doch noch gerettet wird. Er hofft, dass all die Proteste und Studien, Klima-Camps und Interviews letztlich doch noch genügend politischen Druck entfalten.
„Lützerath ist zum Symbol geworden, ne? Ich meine, die Grünen haben mir nie was versprochen, aber für die Glaubwürdigkeit der grünen Partei, sich für die Umweltproblematik intensiv einzusetzen… wenn die Partei das in Zukunft aufrechterhalten will, denke ich mal, wird es für sie schwierig werden, Lützerath fallen zu lassen.“
Noch ist schwer abzusehen, wie die Gespräche mit RWE ausgehen werden. Auf eine Anfrage des Deutschlandfunks kam von dem Unternehmen keine Antwort. In Lützerath selbst verfolgt Landwirt Eckardt Heukamp die politischen Diskussionen mit Spannung.
Er musste sein Haus und die Ländereien nach mehreren verlorenen Prozessen zwar verkaufen. Aber der 54-Jährige hat die Hoffnung noch nicht ganz aufgegeben, dass sein Hof – seit Generationen von der Familie bewirtschaftet – letztlich doch noch gerettet wird. Er hofft, dass all die Proteste und Studien, Klima-Camps und Interviews letztlich doch noch genügend politischen Druck entfalten.
„Lützerath ist zum Symbol geworden, ne? Ich meine, die Grünen haben mir nie was versprochen, aber für die Glaubwürdigkeit der grünen Partei, sich für die Umweltproblematik intensiv einzusetzen… wenn die Partei das in Zukunft aufrechterhalten will, denke ich mal, wird es für sie schwierig werden, Lützerath fallen zu lassen.“
Hier könne nicht nur ein Hof gerettet werden – sondern mit ihm auch besonders fruchtbare Böden. Es sei doch Wahnsinn, in Zeiten von Getreidemangel und Ernährungskrise solch gute Böden abzubaggern, sagt Landwirt Heukamp. Dennoch bleibt er Realist.
„Es kann sein, dass Lützerath der letzte Ort sein könnte, der noch wegkommt. Das kann so sein. Das habe ich nie in der Hand gehabt und das habe ich jetzt sowieso nicht in der Hand. Das sind die Sachen, die jetzt die Politik entscheiden muss, was ihnen das wert ist.“
Die Hoffnung scheint zumindest nicht ganz unberechtigt. Wenige Autominuten von Lützerath entfernt liegt Kuckum, eines von fünf Dörfern, das ursprünglich auch dem Tagebau Garzweiler weichen sollte, aber nun bleiben darf. Die schwarz-grüne Landesregierung in Düsseldorf hat das jüngst in ihrem Koalitionsvertrag bekräftigt, eine neue Leitentscheidung soll es demnächst festschreiben.
Hier in Kuckum wohnt Familie Dresen – drei Generationen auf einem ehemaligen Bauernhof: Heller Putz neben rotem Backstein, auf einem Misthaufen tummeln sich Hühner, auf der großen Wiese hinter dem Haus grasen Pferde. David Dresen und seine Mutter Marita sitzen auf ihrer überdachten Terrasse.
„Der Kampf um die fünf Dörfer oder zumindest den Erhalt der Fläche und zu verhindern, dass Braunkohle abgebaut wird unter den Dörfern, der ist gewonnen“, sagt sich der 31-Jährige, der diesen Kampf für den Erhalt der Dörfer im vergangenen Jahr zu seinem Hauptberuf machte. Und dennoch ist unklar, was nun daraus wird.
„Es ist halt die Frage, was wird aus den Häusern, was wird aus den Dörfern?“
Marita Dresen zuckt mit den Schultern. Ein Großteil der Dorfflächen ist längst nicht mehr in Privatbesitz, sondern gehört RWE. Die Häuser sind verrammelt, die Gärten verwuchert. Ob in ihnen je wieder neue Familien wohnen werden?
„Was hat die Stadt so geplant, was ist denn RWEs Plan für die Dörfer? Gibt es irgendwelche Unternehmen oder Investoren oder wird es abgerissen? So, und das ist halt auch so eine Sache, wo wir schon wieder nicht wissen: Wie geht es denn hier weiter?“
Hier in Kuckum wohnt Familie Dresen – drei Generationen auf einem ehemaligen Bauernhof: Heller Putz neben rotem Backstein, auf einem Misthaufen tummeln sich Hühner, auf der großen Wiese hinter dem Haus grasen Pferde. David Dresen und seine Mutter Marita sitzen auf ihrer überdachten Terrasse.
„Der Kampf um die fünf Dörfer oder zumindest den Erhalt der Fläche und zu verhindern, dass Braunkohle abgebaut wird unter den Dörfern, der ist gewonnen“, sagt sich der 31-Jährige, der diesen Kampf für den Erhalt der Dörfer im vergangenen Jahr zu seinem Hauptberuf machte. Und dennoch ist unklar, was nun daraus wird.
„Es ist halt die Frage, was wird aus den Häusern, was wird aus den Dörfern?“
Marita Dresen zuckt mit den Schultern. Ein Großteil der Dorfflächen ist längst nicht mehr in Privatbesitz, sondern gehört RWE. Die Häuser sind verrammelt, die Gärten verwuchert. Ob in ihnen je wieder neue Familien wohnen werden?
„Was hat die Stadt so geplant, was ist denn RWEs Plan für die Dörfer? Gibt es irgendwelche Unternehmen oder Investoren oder wird es abgerissen? So, und das ist halt auch so eine Sache, wo wir schon wieder nicht wissen: Wie geht es denn hier weiter?“
Das schlimmste Szenario für Familie Dresen wäre ein Gewerbegebiet anstelle eines oder mehrerer Dörfer.
„Und deswegen wird es für uns jetzt und in Zukunft darauf ankommen, Gegenideen zu schaffen, neue Visionen zu präsentieren und auch der Stadt Erkelenz ein Angebot unterbreiten, dass sie merken: Okay, wenn wir das so umsetzen, hat das einen so tollen Modellcharakter, dass das am Ende vielleicht nicht unbedingt ökonomisch aber vom Ansehen viel größere Strahlkraft hätte als das fünfte Gewerbegebiet mit der zehnten Industriehalle.“
„Und deswegen wird es für uns jetzt und in Zukunft darauf ankommen, Gegenideen zu schaffen, neue Visionen zu präsentieren und auch der Stadt Erkelenz ein Angebot unterbreiten, dass sie merken: Okay, wenn wir das so umsetzen, hat das einen so tollen Modellcharakter, dass das am Ende vielleicht nicht unbedingt ökonomisch aber vom Ansehen viel größere Strahlkraft hätte als das fünfte Gewerbegebiet mit der zehnten Industriehalle.“
Am 1. Oktober beginnt die Rodungssaison
Zunächst aber wird sich die nordrhein-westfälische Landesregierung auf die kommenden Wochen konzentrieren. Die Zeit ist knapp: Am 1. Oktober beginnt die sogenannte Rodungssaison – dann erlaubt das Naturschutzrecht das Fällen von Bäumen, dann könnte auch der ehemalige Hof des Landwirts Eckardt Heukamp dem Erdboden gleichgemacht werden. Erreicht die Landesregierung bis dahin keine Einigung mit RWE, müssten die neuen Bewohnerinnen und Bewohner von Lützerath den Räumungstrupps weichen – eine Eskalation ähnlich wie 2018 im Hambacher Forst wäre wahrscheinlich.
Schon jetzt haben gut 9.000 Menschen im Internet eine Absichtserklärung unterschrieben, Lützerath notfalls vor Ort zu verteidigen. Viele befürchten, dass es dann zu Szenen wie im Herbst 2018 bei der Räumung des Hambacher Forsts kommen könnte.
Die Grünen-Landtagsabgeordnete Antje Grothus war damals selbst als Demonstrantin vor Ort. Sie warnt, „dass wir wissen, dass diese Konflikte, also Räumungen beispielsweise, dass davon immer Gefahr für Leib und Leben für alle Akteure ausgeht.“
Die Grünen-Landtagsabgeordnete Antje Grothus war damals selbst als Demonstrantin vor Ort. Sie warnt, „dass wir wissen, dass diese Konflikte, also Räumungen beispielsweise, dass davon immer Gefahr für Leib und Leben für alle Akteure ausgeht.“
Der damalige Polizeieinsatz war einer der teuersten und größten der NRW-Landesgeschichte. Die Bilder der hunderten Einsatzkräfte, die vermummte Aktivisten aus Baumhäusern holen und aus dem Wald tragen, gingen wochenlang durch die Medien. Der Einsatz endete letztlich mit einer Blamage für die schwarz-gelbe Landesregierung: Das Oberverwaltungsgericht Münster stoppte im Oktober 2018 die geplanten Rodungen des Waldes, drei Jahre später urteilte das Verwaltungsgericht Köln sogar: Die Räumung war rechtswidrig, weil unter falschem Vorwand angeordnet.
Nun ist aus „Hambi bleibt“ „Lützi bleibt“ geworden. Für die Grünen bedeutet der Konflikt eine ernste Bewährungsprobe. Ihre zurückhaltende Politik der vergangenen Jahre wird die Partei nicht mehr aufrechterhalten können. Die NRW-Grünen müssen sich positionieren.