Stück für Stück nimmt der Abrissbagger die ehemalige katholische Basilika St. Lambertus im Erkelenzer Stadtteil Immerath in die Zange, zerstört Ornamente über den oben abgerundeten, inzwischen glaslosen Fenstern. Aus dem Greifarm spritzt Wasser auf das bröckelnde Gestein, damit sich der Staub setzt. Schaulustige schießen Fotos. Polizisten sichern die Bauzäune an der Kirche, damit nicht erneut Aktivisten hinein gelangen.
Umweltschützer von Greenpeace hatten das mächtige Gebäude am Vormittag besetzt und den Abriss über Stunden verzögert. Höhenretter der Polizei holten sie herab, außerdem lösten die Beamten drei Aktivisten, die sich an einem Abrissbagger festgekettet hatten. "Durch eine deeskalierende Strategie ist es gelungen, die Situation friedlich zu beenden", sagte ein Polizeisprecher vor Ort.
Trauer und Entsetzen bei ehemaligen Einwohnern
Greenpeace hatte zuvor noch gefordert, die Abrissarbeiten müssten aufhören, bis eine neue Bundesregierung über die zukünftige Energiepolitik und damit über ein mögliches Ende der Kohlenutzung entschieden habe. "RWE schafft in Immerath Fakten, während in Berlin zur gleichen Zeit über ein mögliches Ende der Kohlenutzung beraten wird", erklärte die Organisation mit Blick auf die Sondierungsgespräche für eine neue große Koalition.
Doch am Abriss des "Immerather Doms" hängt längst nicht nur eine klimapolitische Auseinandersetzung. "Das ist meine Heimat gewesen, ich bin vor vier Jahren umgesiedelt. Und wenn ich jetzt die Kirche sehe, wo ich getauft, geheiratet habe und die wird jetzt abgebrochen – das ist schon sehr, sehr hart", sagte der 75-jährige gebürtige Immerather Heinz Aretz vor dem Abriss.
BUND: Uraltes Bergrecht bricht Grundrecht
Mit Tränen in den Augen ergänzt er: "Das kann man mit Worten nicht beschreiben, das tut einem in der Seele weh. Ein Dorf, wo meine Familie vor 250 Jahren nachweislich hingekommen ist, weg. Ich bin der Letzte. Weg." 2013 hatte der letzte Gottesdienst in der neoromanischen Kirche stattgefunden. Danach fanden immerhin einige Glocken einen neuen Platz im acht Kilometer entfernten Kirchenneubau.
Die Zerstörung der Dörfer und die Umsiedlung tausender Menschen für den Tagebau Garzweiler II sei verfassungswidrig, sagt Dirk Jansen vom BUND und fordert eine Gesetzesreform: Es könne nicht sein, dass ein Bergrecht, das ursprünglich auf die Kaiserzeit zurückgehe, das Grundrecht breche.
RWE: Braunkohle wird noch viele Jahre gebraucht
Die Regierung des Landes Nordrhein-Westfalen und RWE sehen das anders: Die amtierende NRW-Regierung habe eine Leitentscheidung ihrer rot-grünen Vorgänger bestätigt, wonach die Braunkohle noch viele Jahre für die Energieversorgung erforderlich sei, sagt Konzern-Sprecher Guido Steffen. Die Braunkohle trage ein Viertel zur deutschen Stromversorgung bei.
So ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis die Schaufelradbagger auch den früheren Standort des "Immerather Doms" erreichen. Doch ein neues Symbol für den Streit zwischen Braunkohle-Gegnern und Befürwortern ist schon in Sicht: Es steht nur einige Kilometer entfernt in Keyenberg - die älteste Kirche im Erkelenzer Land. Auch dieser Stadtteil wird umgesiedelt, als einer der letzten. Spätestens 2025 soll er weggebaggert werden.
(tj/tgs)