Jetzt geht sie wieder los: die Dance-Festivalsaison in den Niederlanden und in ganz Europa. 600 Festivals gab es allein in den Niederlanden im vergangenen Jahr mit 4,5 Millionen Besuchern. Und über 60 Prozent davon haben Drogen konsumiert. Die Lieblingspille ist immer noch Ecstasy. Für drei bis fünf Euro verspricht sie sechs Stunden Wirkung, da ist selbst das Bier auf dem Techno-Event teurer. Nicole, die seit Jahren Pillen einwirft, und gerne unerkannt bleiben will, beschreibt die Wirkung so:
"Die Musik ist viel besser, wenn man was genommen hat. Man ist in so einer Art Liebes-Welt. Man ist so happy, und alle um dich herum sind so lieb. Und man bekommt richtig viel Energie, die Beine fühlen sich so leicht an und der ganze Körper fühlt sich ein bisschen seltsam an. Man will wirklich nah bei anderen Menschen sein und sie umarmen. Kuscheln ist ja sowieso schön, aber auf Ecstasy – ja, so was erlebt man sonst nie."
Verdoppelung der Wirkstoffdosis in wenigen Jahren
Der Liebes-Effekt – das ist die eine Seite von Ecstasy. Die andere Seite ist der Energie-Effekt. Man kann stundenlang schweißgebadet durchtanzen ohne das geringste Gefühl von Müdigkeit. Körperlich abhängig macht Ecstasy nicht und auch psychisch wird man nicht süchtig. Aber: man muss trotzdem mit der Droge sehr diszipliniert umgehen, wenn man keinen Schaden nehmen will. Denn beim wichtigsten Bestandteil, MDMA, kommt es auf die Dosierung an:
"Wir haben in den vergangenen Jahren eine Verdopplung der wirksamen Stoffe in den Pillen. Und es gilt eigentlich die Regel: Wenn man das kontrolliert konsumieren will, dann ist ein Milligramm MDMA pro Kilogramm Körpergewicht ausreichend für den Love-Effekt und den Energy-Effekt. Das dauert sechs Stunden an, und wenn es vorbei ist, ist man drei Tage lang erledigt, denn die natürlichen Reserven sind aufgebraucht, der eigene Serotonin-Spiegel ist viel zu niedrig, man fühlt sich schlapp, manchmal leicht depressiv. Um den gleichen Effekt wieder zu bekommen, kann man eigentlich nur alle drei Monate so eine Pille nehmen. Also der Effekt, den man beim ersten mal hat, den kann man erst nach drei Monaten wieder haben, weil der Körper, vor allem das körpereigene Serotonin, erst dann wieder bereit dazu ist."
Charles Dorpmanns, Anfang 60, kahlgeschorener Schädel, breite Schultern, Jeans und Cowboystiefel, kennt die niederländische Drogenszene genau. Er selbst war fünfzehn Jahre heroinabhängig. Heute koordiniert er 32 Beratungsstellen im ganzen Land, wo Konsumenten anonym ihre Pillen testen lassen können.
Konsum von Drogen wird immer normaler
Denn man sieht den Ecstasy-Pillen nicht an, welche Stoffe genau darin sind und in welcher Dosierung. Langfristig können zum Beispiel Gedächtnisstörungen die Folge sein. Außerdem kommen ständig neue Pillen auf den Markt. Der Hauptbestandteil MDMA wurde dabei in den letzten Jahren immer höher dosiert.
"Das führt zu schlimmen gesundheitlichen Problemen, dadurch hatten wir im vergangenen Jahr zehn Tote, durch höher dosierte MDMA. Das sind immer gefährliche Situationen, denn eine Überdosierung kann eine Überhitzung des Körpers zur Folge haben, Körperfunktionen können ausfallen und wenn man nicht rechtzeitig abkühlt, dann stirbt man."
Charles Dorpmanns und seine Kollegen stellen besorgt fest, dass der Konsum von Drogen immer normaler wird:
"Das bedeutet nicht, dass jeder Drogen konsumiert, aber es ist auch nichts Ungewöhnliches, dass jemand das tut.
Leistungsgesellschaft: Hart arbeiten, hart Party machen
Ob sich Menschen entscheiden, Drogen zu nehmen, hängt laut Dorpmanns wesentlich von drei Faktoren ab: Ist die Droge verfügbar, ist sie zugänglich, ist sie bezahlbar? Alles drei trifft auf Ecstasy zu.
"Wenn wir dabei einen Stoff identifizieren, der eine Gefahr für die Volksgesundheit darstellt, dann lösen wir einen Alarm aus. Gerade jetzt haben wir das getan, denn vor ein paar Wochen ist Kokain entdeckt worden mit Atropinen darin. Atropin kann in zu hoher Konzentration tödlich sein. Der Alarm wird in den gesamten Niederlanden ausgelöst, bei Polizei, Krankenhäusern, Hausärzten, jeder wird informiert und so einen Alarm haben wir seit 2002 etwa zwölf Mal gehabt. Und dann stellt man fest, dass das Produkt vom Markt verschwindet. Die Menschen sind alarmiert, sie passen auf, sie sehen ein Risiko und dann sieht man das Produkt verschwinden."
Den Drogenkonsum ganz verschwinden zu lassen oder auch nur massiv einzudämmen, dafür sieht Dorpmanns kaum Chancen, auch wenn noch mehr Kooperationen zwischen verschiedenen Stellen hilfreich wären. Doch solange sich die Gesellschaft nicht verändere, würden weiter Drogen genommen, meint er.
"In meiner Wahrnehmung befinden wir uns immer noch in einer Konsumgesellschaft, in einer Leistungsgesellschaft, die dazu führt, dass Menschen sich so verhalten, wie sie sich verhalten. Wir arbeiten hart, wir studieren, wir haben drei Jobs und am Wochenende lassen wir los mit den Drogen, die sofort wirken. Und niemand denkt, och - vielleicht mach ich mal einen Tag frei, geh mal nicht aus, nein, dann bist du ein Loser, du musst mit, dieser gesellschaftliche Kontext/Druck ist enorm hoch. Der Druck, du musst das erfüllen."
Den Drogenkonsum ganz verschwinden zu lassen oder auch nur massiv einzudämmen, dafür sieht Dorpmanns kaum Chancen, auch wenn noch mehr Kooperationen zwischen verschiedenen Stellen hilfreich wären. Doch solange sich die Gesellschaft nicht verändere, würden weiter Drogen genommen, meint er.
"In meiner Wahrnehmung befinden wir uns immer noch in einer Konsumgesellschaft, in einer Leistungsgesellschaft, die dazu führt, dass Menschen sich so verhalten, wie sie sich verhalten. Wir arbeiten hart, wir studieren, wir haben drei Jobs und am Wochenende lassen wir los mit den Drogen, die sofort wirken. Und niemand denkt, och - vielleicht mach ich mal einen Tag frei, geh mal nicht aus, nein, dann bist du ein Loser, du musst mit, dieser gesellschaftliche Kontext/Druck ist enorm hoch. Der Druck, du musst das erfüllen."
"Ich fände es am besten, wenn es legalisiert würde"
Und auch Nicole will weiter feiern. Mit Pillen:
"Ich fände am besten, wenn es legalisiert würde. Denn dann wüsste man als Konsument auch, woran man ist. Und man müsste nicht zu der Illegalität beitragen, müsste das nicht mitfinanzieren."