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Breaking Bad in Brabant (5/5)
Hilft Legalisierung gegen Drogenkriminalität?

Verkauf und Konsum von Cannabis sind in den Niederlanden legal, nicht aber der Anbau. Doch irgendwoher müssen die Drogen ja kommen. Dass in seiner Stadt regelmäßig in Wohnhäusern versteckte Plantagen ausgehoben werden, findet der Bürgermeister von Breda bedenklich - und fordert, den Anbau zu erlauben.

Von Andrea Lueg |
    Eine Cannabis-Plantage in einem Gewächshaus in Made in den Niederlanden
    Wegen dieser riesigen illegalen Hanfplantage wurden drei Personen verhaftet. Cannabiskonsum zu erlauben, aber den Anbau in die Illegalität zu drängen, findet Paul Depla, Bürgermeister von Breda, widersinnig (picture alliance/ dpa/ EPA)
    Breda ist ein gemütliches Städtchen in Brabant. Rund um den großen Markt gibt es viele Cafés, in den Seitengassen kleine Geschäfte und mit dem Rathaus, der Liebfrauenkirche und dem Beginenhof allerhand Sehenswertes. Und natürlich gibt es hier auch Coffeeshops. Für die Besucher gehört der Besuch zum Alltag.
    "Es ist einfach ein entspannter Ort, wenn man einen stressigen Tag hatte, dann kommt man hierher, trinkt ein Tässchen Kaffee…"
    Und vermutlich wird er auch ein Pfeifchen rauchen, auch wenn es Besucher geben soll, die nur wegen der Gemütlichkeit kommen.
    "Es ist gemütlich hier, ich komm nicht zum Kiffen, mehr wegen der Leute, plaudere, spiele Dame."
    In den Niederlanden regeln die Gemeinden die Bestimmungen für die Coffeeshops. In Breda muss man einen sogenannten Wietpass haben, eine Art Mitgliedsausweis für den Coffeeshop. Maximal fünf Gramm darf man hier konsumieren. Ausländer dürfen nicht in den Coffeeshop und an Jugendliche darf nicht verkauft werden.
    Verkauf ist legal, aber Anbau nicht
    So weit - so klar. Aber wenn es darum geht, woher der Coffeeshop das Cannabis hat, fängt es an undeutlich zu werden. Denn der Anbau von weichen Drogen und der Verkauf im größeren Stil sind in den Niederlanden verboten. Und das findet Bredas Bürgermeister Paul Depla widersinnig:
    "Ich habe immer gesagt, mit der heutigen Drogenpolitik der Niederlande haben wir den rooie loper ausgerollt für die Drogenkriminalität."
    Den roten Teppich habe man ausgerollt, weil es klar sei, dass die Drogen irgendwo herkommen müssten und man damit viel Geld verdienen könne. Also habe sich sehr rasch ein illegaler Markt dafür entwickelt. Gegen die Folgen dieses illegalen Marktes kämpft Depla als Bürgermeister in Breda an:
    "Das größte Problem ist, dass in vielen Häusern illegale Cannabisplantagen sind. Das ist ganz gefährlich für die Leute in der Nähe von der Plantage, denn die brauchen ganz viel Elektrizität, und das ist Feuergefahr. Aber es ist auch sehr problematisch, dass viele Leute in unseren Städten ein Unterteil von dem Drogenprozess geworden sind."
    Viele Bürger verdienen an der Illegalität mit
    Diese Ondermijning, die Unterwanderung der Gesellschaft ist in den Niederlanden gerade großes Thema. Regelmäßig werden in ganz normalen Wohnhäusern oder in getarnten Betrieben in Deplas Gemeinde Cannabisplantagen ausgehoben. Von außen ist meist nichts zu erkennen und die Nachbarn schweigen oft lieber als einen Verdacht zu äußern. Auch wenn es seltsam anmuten muss, dass ein neuer Nachbar zum Beispiel zentnerweise Blumenerde in seine Wohnung schafft.
    "Die Leute von der Drogenindustrie, ich nenne es immer Drogenindustrie, das sind Betreiber, die verdienen Geld mit Drogen, und da brauchen sie, gleich wie ein anderer Betrieb Leute, die für sie arbeiten. Und es gibt viele Leute in unseren Städten, die brauchen mehr Geld."
    Also lassen sie sich bezahlen dafür, dass sie auf den illegalen Plantagen die Pflanzen beschneiden oder gießen, den Cannabis dann transportieren, ihre Garage oder ein leerstehendes Gebäude vermieten.
    Bürgermeister kritisiert Gesetzgebung als unklar
    Die Tatsache, dass so viele offenbar bei dem illegalen Geschäft mitmachen oder zumindest massiv wegschauen, hat nach Deplas Überzeugung mit der unklaren Gesetzgebung im Bezug auf Hennep, also Hanf zu tun:
    "Wenn die Politiker die Erlaubnis geben, Hennep zu verkaufen, im Coffeeshop, ja – dann bin ich doch nicht kriminell, wenn ich Hennep produziere für den Coffeeshop."
    Paul Depla will deshalb, dass Cannabis für die Coffeeshops in den Niederlanden von lizenzierten Betrieben legal angebaut werden darf.
    "Wir können es nur beenden, wenn die Politik sagt, es ist nicht nur erlaubt, Cannabis zu kaufen und zu verkaufen, aber es auch erlaubt unter spezifischen Konditionen darf man produzieren, darf man verkaufen und darf man kaufen und rauchen, und sonst ist das verboten. Und dann ist es eine geschlossene Kette, wo kein Raum mehr ist für organisierte Kriminalität."
    Gute Erfahrungen mit einem solchen System gebe es ja schon: "Das System haben wir schon in den Niederlanden für die medizinische Cannabisproduktion."
    Modellversuch mit legalem Anbau gibt es schon
    Der Vorstoß ist nicht neu. Schon im Frühjahr letzten Jahres war ein entsprechender Gesetzentwurf der Partei D66 durch die zweite Kammer gegangen. Doch bevor die Erste Kammer abstimmen konnte, kamen die Parlamentswahlen und eine neue Regierung. Die hat im vergangenen Herbst beschlossen, in zehn Gemeinden einen Modellversuch mit dem legalen Anbau zu starten.
    Paul Depla, Mitglied in der Partij van de Arbeid, vergleichbar der SPD, meint dass die Regierung in Den Haag das große Drogenkriminalitätsproblem jahrelang kleingeredet habe. Und selbst in den betroffenen Gemeinden habe man das Ausmaß lange unterschätzt.
    "Das Problem ist wirklich ein riesengroßes Problem, und es ist viele Male größer, als wir gedacht haben."
    Warum? Man habe immer gedacht, man könnte kein Cannabis anbauen, das komme aus Marokko.
    "Aber die Niederländer sind so innovativ, auch in der Agrikultur, und die Kriminellen haben gesehen, wie viel Geld zu verdienen ist, dass sie es selber machen. Sie wissen ja in Deutschland, wie wir das machen mit den Tomaten und den Tulpen, und die haben sich dann gedacht, ja dann machen wir das auch mit dem Cannabis."
    Ist ein Problem nicht lösbar, muss man es organisieren
    In der Landespolitik, meint der Bürgermeister, sei das Thema immer ideologisch behandelt worden. Und das sei nicht hilfreich.
    "Es ist nicht weiter: bin ich pro-Cannabis oder bin ich Anti-Cannabis, ich hab’s nie geraucht, ich hab nichts mit Cannabis, aber ich sehe als Bürgermeister die Folgen für eine Stadt wie Breda."
    Neben der Unterwanderung durch kriminelle Strukturen und der Gefährdung der Nachbarn von Drogenplantagen gab es in Breda in den letzten Jahren auch mehr Tötungsdelikte im Drogenmilieu. Paul Depla hofft, die Kriminalität mit dem legalen Anbau zurückdrängen zu können. Dass er sie nicht stoppen kann, ist ihm vollkommen klar.
    "Als het problem te groot is..."
    Wenn ein Problem so groß sei, das man es nicht lösen könne, sage man in den Niederlanden, dann müsse man es organisieren. Also die Kriminalität fernhalten von den normalen Bürgern, Grenzen setzen, für Sicherheit sorgen. Das probiert der Bürgermeister von Breda.