Fritsch-Inszenierungen bieten immer viel Ober- und deshalb auch Angriffsfläche und provozieren zu einfachen Wahrheiten. Zwei Stimmen aus dem Publikum nach der Vorstellung: "Mit Brecht hat das nichts zu tun", brummt einer, ein anderer meint lakonisch: "Wo Herbert Fritsch drauf steht, ist auch Herbert Fritsch drin".
Recht haben beide, in Teilen, denn es ist nicht so, dass der Regisseur sich nicht jedes Mal ein bisschen neu erfinden würde. Der Handel mit der Erfolgsmarke Fritsch läuft ja auch deshalb so gut, weil der Regisseur in der Lage ist, Großartiges aus einem Ensemble heraus zu holen. Im Theater, so meine Vermutung, spart man sich für Jahre jeden Psychologen oder Mediator, wenn Fritsch den Schauspielern mal humorige Höchst- und spaßlastige Teamleistungen abverlangt hat.
In Köln spielt man Brecht in einem künstlichen Showambiente aus Weiß und Gold. Traumschiff meets Phantasialand. Eine mehrfach geschwungene Treppe mit Reling im Hintergrund, die eigentlich eine Rutschbahn ist, weiße Palmen aus Pappmaché und Stoff, eine bemalte Wüstenlandschaft im Hintergrund. Auf tritt das Ensemble mit betrunkenem Gepurzel. Charly Hübner, der sich als Puntila urkomisch selbst übertrifft, philosophiert über seine "Anfälle sinnloser Nüchternheit".
Die Geschichte um den Gutsbesitzer, der nur betrunken ein guter Mensch ist, nimmt seinen Lauf, mit allen erwartbaren Fritsch-Ingredienzien: altbackene bis schrille Klamotten, künstliche Perücken, überschminkte Gesichter, fiese Grimassen, anfallartige Verrenkungen und jede Menge Slapstick entstellen das Personal zur Kenntlichkeit, das sich gerne und dauerhaft unter wildem Gestöhne, Gegrunze und Geschreie an einer Palme oder an sich selbst oder auch am Text abarbeitet.
Das Ergebnis ist so komisch wie kunstvoll, eine Brecht-Revue ganz anderer Art. Ein Pianist, John R. Carlson spielt und dirigiert die vielen chorischen Passagen, bringt im Josephine-Baker-Look mit Bananenröckchen den höheren musikalischen Unfug in Form. Im besseren Fall sieht das aus wie eine perfekte Choreografie aus Stummfilmzeiten, im schlechteren wie albernste Klamotte ohne jeden Tiefgang.
Mit Brechts scharfzüngiger Oben-Unten-Parabel hat das in der Tat nicht mehr viel zu tun; die höheren Botschaften bleiben schon wegen partieller Textunverständlichkeit bei gleichzeitiger circensischer Höchstleistung der Schauspieler auf der Strecke. Doch es gibt eindrückliche Szenen, wenn die Arbeiter auf dem Gesindemarkt mit weit aufgerissenen Augen und Mündern eine Gruppe sozial Depravierter spielen. Später hängen sie im Gestänge der Showtreppe wie Galeerensklaven auf den Rahen eines Schiffs.
Köln ist als Karnevalsstadt für sein amüsierwilliges Publikum bekannt; hier aber ist vor allem das komische Potenzial des Ensembles zu rühmen. Charly Hübners Puntila ist so geckenhaft lasziv, dialektal versiert und unfassbar beweglich in seiner betrunkenen Verbrüderungssucht wie Michael Wittenborns Knecht Matti sein Gegenbild: schnarrend-distanziert bis zur Körpersteifheit, ein lakonischer Wahrsager in roter Uniform.
Angelika Richter spielt die Gutsbesitzerstochter Eva als gar nicht naives Bonbonpüppchen; Michael Webers Ober ist eine herrlich verdruckste Micker-Gestalt, ein mephistophelischer Gollum. Maik Solbachs Attaché ein französisierter tuntiger Schmock und die Mädelstruppe (Anja Lais, Karin Kettling, Jennifer Frank und Maike Jüttendonk) aufgedreht bis zum Anschlag.
"Durchs Trinken Mensch werden" lautet das Programm bei Puntila. "Durch Komik wahr werden", könnte Herbert Fritschs Motto lauten, der ansonsten findet: Nur ein verulkter Dramatiker ist ein guter Dramatiker. So schafft Fritsch spielend, was Brecht nie gelungen wäre: die Umwertung aller Werte auf dem Theater.
Und so trifft sich in Köln der höhere Ulk des Regisseurs mit der musikalischen Revue der Brecht-Zeit in einem Theater, das das Chorische in jeder Form zu seinem heimlichen roten Faden gemacht hat. Man muss für diesen groben Spaß zu haben sein. Aber er passt.
Recht haben beide, in Teilen, denn es ist nicht so, dass der Regisseur sich nicht jedes Mal ein bisschen neu erfinden würde. Der Handel mit der Erfolgsmarke Fritsch läuft ja auch deshalb so gut, weil der Regisseur in der Lage ist, Großartiges aus einem Ensemble heraus zu holen. Im Theater, so meine Vermutung, spart man sich für Jahre jeden Psychologen oder Mediator, wenn Fritsch den Schauspielern mal humorige Höchst- und spaßlastige Teamleistungen abverlangt hat.
In Köln spielt man Brecht in einem künstlichen Showambiente aus Weiß und Gold. Traumschiff meets Phantasialand. Eine mehrfach geschwungene Treppe mit Reling im Hintergrund, die eigentlich eine Rutschbahn ist, weiße Palmen aus Pappmaché und Stoff, eine bemalte Wüstenlandschaft im Hintergrund. Auf tritt das Ensemble mit betrunkenem Gepurzel. Charly Hübner, der sich als Puntila urkomisch selbst übertrifft, philosophiert über seine "Anfälle sinnloser Nüchternheit".
Die Geschichte um den Gutsbesitzer, der nur betrunken ein guter Mensch ist, nimmt seinen Lauf, mit allen erwartbaren Fritsch-Ingredienzien: altbackene bis schrille Klamotten, künstliche Perücken, überschminkte Gesichter, fiese Grimassen, anfallartige Verrenkungen und jede Menge Slapstick entstellen das Personal zur Kenntlichkeit, das sich gerne und dauerhaft unter wildem Gestöhne, Gegrunze und Geschreie an einer Palme oder an sich selbst oder auch am Text abarbeitet.
Das Ergebnis ist so komisch wie kunstvoll, eine Brecht-Revue ganz anderer Art. Ein Pianist, John R. Carlson spielt und dirigiert die vielen chorischen Passagen, bringt im Josephine-Baker-Look mit Bananenröckchen den höheren musikalischen Unfug in Form. Im besseren Fall sieht das aus wie eine perfekte Choreografie aus Stummfilmzeiten, im schlechteren wie albernste Klamotte ohne jeden Tiefgang.
Mit Brechts scharfzüngiger Oben-Unten-Parabel hat das in der Tat nicht mehr viel zu tun; die höheren Botschaften bleiben schon wegen partieller Textunverständlichkeit bei gleichzeitiger circensischer Höchstleistung der Schauspieler auf der Strecke. Doch es gibt eindrückliche Szenen, wenn die Arbeiter auf dem Gesindemarkt mit weit aufgerissenen Augen und Mündern eine Gruppe sozial Depravierter spielen. Später hängen sie im Gestänge der Showtreppe wie Galeerensklaven auf den Rahen eines Schiffs.
Köln ist als Karnevalsstadt für sein amüsierwilliges Publikum bekannt; hier aber ist vor allem das komische Potenzial des Ensembles zu rühmen. Charly Hübners Puntila ist so geckenhaft lasziv, dialektal versiert und unfassbar beweglich in seiner betrunkenen Verbrüderungssucht wie Michael Wittenborns Knecht Matti sein Gegenbild: schnarrend-distanziert bis zur Körpersteifheit, ein lakonischer Wahrsager in roter Uniform.
Angelika Richter spielt die Gutsbesitzerstochter Eva als gar nicht naives Bonbonpüppchen; Michael Webers Ober ist eine herrlich verdruckste Micker-Gestalt, ein mephistophelischer Gollum. Maik Solbachs Attaché ein französisierter tuntiger Schmock und die Mädelstruppe (Anja Lais, Karin Kettling, Jennifer Frank und Maike Jüttendonk) aufgedreht bis zum Anschlag.
"Durchs Trinken Mensch werden" lautet das Programm bei Puntila. "Durch Komik wahr werden", könnte Herbert Fritschs Motto lauten, der ansonsten findet: Nur ein verulkter Dramatiker ist ein guter Dramatiker. So schafft Fritsch spielend, was Brecht nie gelungen wäre: die Umwertung aller Werte auf dem Theater.
Und so trifft sich in Köln der höhere Ulk des Regisseurs mit der musikalischen Revue der Brecht-Zeit in einem Theater, das das Chorische in jeder Form zu seinem heimlichen roten Faden gemacht hat. Man muss für diesen groben Spaß zu haben sein. Aber er passt.