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Breitbandausbau
Kupfer für immer

Bis 2018 soll das Netz so ausgebaut werden, dass jeder Haushalt mit 50 Megabit/Sekunde im Internet surfen kann. In diesem Jahr hat sich im Breitbandsektor einiges getan. Doch noch nicht alles läuft in die richtige Richtung - zum Beispiel die Förderung des Ausbaus.

Von Jan Rähm |
    Im Vordergrund ein Router für das Internet, im Hintergrund Kühe auf einer Weide, aufgenommen bei Bücheloh. Der Ausbau der Breitbandversorgung auf dem Land läuft nur schleppend. Schnelles Internet ist oft nur in Ballungsgebieten verfügbar.
    Der Ausbau der Breitbandversorgung auf dem Land läuft nur schleppend. (picture alliance / dpa / Michael Reichel)
    Manfred Kloiber: 50 Megabit/Sekunde für jeden Haushalt - das ist das regierungsamtliche Ziel bis 2018. Und auch in diesem Jahr wurden die Teilnehmer des IT-Gipfels der Bundesregierung auf diese Marke eingeschworen. Dabei sind 50 Megabit pro Sekunde im Internationalen Vergleich eher unambitioniert. Alexander Dobrindt, der Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur, verkauft das natürlich anders: Man arbeite sich vor in Richtung der Gigabit-Gesellschaft. Dennoch: In diesem Jahr hat sich viel getan, sowohl bei der Regulierung des Internets also auch bei der Planung des Breitbandausbaus. Mein Kollege Jan Rähm verfolgt das Treiben im Breitbandsektor für Computer und Kommunikation. Herr Rähm, welche Themen standen denn da dieses Jahr auf der Agenda?
    Jan Rähm: Noch ganz frisch ist das Gesetzentwurf zum Anschluss von Telekommunikationsendgeräten. Damit hat der Gesetzgeber den sogenannten Routerzwang abgeschafft. Das freut Kunden wie Endgerätehersteller. Nicht ganz so erfreut: die Kabelnetzbetreiber. Gestritten wurde in 2015 auch um das Thema Netzneutralität. Wir erinnern uns, die autonomen Autos bräuchten nicht nur auf der Straße Vorfahrt, sondern auch im Netz. Das hatte im Frühjahr EU-Digitalkommissar Günther Oettinger gesagt und damit für gewisse Erheiterung in der Automobilbranche als auch in der Netz-Community. Dann kam ein Vorschlag zu neuen Regeln für Netzneutralität, die jetzt vor wenigen Tagen verabschiedet wurden. Darin festgeschrieben: der ungehinderte und diskriminierungsfreie Zugang zum Internet. Allerdings haben die EU-Parlamentarier große Schlupflöcher gelassen. Gewisse Verärgerung machte sich in den letzten Wochen auch bei den Netzbetreibern breit, die nicht ganz so groß sind. Grund war der Regulierungsentwurf in Sachen Vectoring.
    Kloiber: Womit wir wieder beim Breitbandausbau und den Zielen bis 2015 sind. Der Vectoring-Entwurf soll ja dafür sorgen, dass die Breitbandziele auch über die Kupfer-Doppelader erreicht werden. Aber: Unter Fachleuten ist Konsens, dass das zu kurzfristig gedacht ist. Eine echte Alternative sei nur Glasfaser und eine gewisse Förderung.

    Beitrag: Wie Regulierung und Subventionen den Wettbewerb beim schnellen Internet behindern
    Es sind Orte wie Hasenmoor, Rickelrath und Rudelzhausen. Ihnen ist gemein: So schnell wie dort, surft in der Republik kaum jemand. In diesen Orten hat das Unternehmen "Deutsche Glasfaser" sein Netz bereits ausgebaut oder ist gerade dabei, die schnelle Faser unter die Erde und zu den Haushalten zu bringen. Und das bei überschaubaren Kosten, erklärt Unternehmenssprecherin Gerda Meppelink.
    "Wir bauen im Vergleich mit anderen Akteuren sehr sehr günstig aus, weil unsere Prozesse einfach sehr dynamisch und schnell sind. Pro Haushalt investieren wir nie mehr als 1.050 Euro. Das ist inklusive des Point of Presence, der Backbone-Anbindung und der Glasfaser bis in die einzelnen Haushalte."
    Dabei ist das Unternehmen nicht nur dort aktiv, wo vermeintlich das schnelle Geld zu machen ist. Die Firma mit niederländischen Wurzeln baut vor allem im ländlichen Raum aus, der in der Branche und in der Politik als besonders kostenintensiv und schwierig gilt. Mit ihrer hohen Dichte an Haushalten und kurzen Strecken gelten Städte als deutlich attraktiver für den Breitbandausbau.
    "Dort würde der Preis wahrscheinlich sogar geringer sein, weil wir ja geringe Reichweite zu verlegen haben. In den ländlich strukturierten Regionen, wo wir jetzt sind, ist es natürlich üblicherweise so, dass zwischen den Häusern durchaus 25, manchmal 30 Meter Entfernung liegen. Das steigert die Kosten natürlich. Andererseits haben wir dort in den Regionen eine wesentlich höhere Kundennachfrage. Das bedeutet dann, dass wenn wir in unterversorgten Gebieten sind und wir starten mit diesem Netz, entwickeln sich diese 40 Prozent Kundenbeteiligung sehr schnell auch in Richtung der 60 Prozent und dann sind wir ganz gut unterwegs."
    Auf diese Art habe man in den letzten Jahren in Schleswig-Holstein, Niedersachen, Nordrhein-Westfalen und Bayern investiert, sagt Gerda Meppelink, ohne dabei auf kommunale oder staatliche Förderung zurückzugreifen. Das soll auch so bleiben. Der Staat solle lieber dort investieren, wo definitiv kein Geld zu verdienen ist: zwischen den Orten.
    "Wir würden uns wünschen, dass wir mit den Herausforderungen, mit denen wir uns jetzt beschäftigen, nämlich wirklich die Außenbereiche zu erreichen, Ortsteile, abgelegene Teile einer Ortschaft, die für den Bürgermeister, für den Landrat auch ganz entscheidend sind. Gewerbegebiete liegen meistens außen vor. Manchmal ist da eine Distanz von dreieinhalb Kilometern zu überwinden. Wir würden diese gerne an unsere Netze ankoppeln und wir glauben, dass es sinnvoll wäre, diese Fördermittel für diese interkommunalen Verbindungen zu nutzen. Dann könnten wir weit in die Fläche gehen und auch flächendeckend Glasfaser ausrollen."
    Falsche Förderung, da sind sich Branchenvertreter einig, setze falsche Akzente, die im Zweifel den Ausbau mit zukunftsfähigen Technologien verhindern. So befürchten einige Akteure, dass der bevorstehende VDSL2-Vectoring-Ausbau Fördermittel binde, die an anderer Stelle besser eingesetzt wären. Die angekündigte Breitband-Förderung durch den Bund von etwas mehr als zwei Milliarden Euro solle deshalb zielgerichteter und vorausschauender eingesetzt werden. Das meint auch Karsten Schmidt von der htp GmbH, die den Großraum Hannover mit Breitbandanschlüssen versorgt.
    "Ich glaube, die Politik muss ihr Augenmerk auf Langfristigkeit richten. Und wir sind ein Land, dass industriell unheimlich stark ist, was sich auch an vielen Stellen schnell weiterentwickeln kann, dazu brauchen wir aber die richtige Glasfaserinfrastruktur für die Bürger zuhause, für die Unternehmen. Und deswegen ist es elementar wichtig, dass alternative Anbietern die Chance gegeben wird, den Glasfaserausbau voranzutreiben und dazu darf man eben nicht der Telekom Chancen geben, Märkte für sich zu besetzen, also eine Re-Monopolisierung herbeizuführen, die niemals zu Investition führen wird."

    Kloiber: Die alternativen Breitbandanbieter setzen also voll auf einen zügigen Ausbau der Glasfaser-Infrastruktur und sind von den Regulierungs-Entscheidungen zu Brückentechnologien wie aktuell dem VDSL2-Bectorig nicht begeistert. Re-Monopolisierung ist das Stichwort. Was befürchten die Netzanbieter?
    Rähm: Davor, dass den Branchenriesen der Vorzug gegeben wird. Sie hatten es ja in der letzten Sendung, der Entscheidungsentwurf zum Vectoring würde der Telekom mit großer Sicherheit den direkten Zugang zu Millionen von Haushalten schaffen. Ein lukrativer Markt, der für die restlichen Anbieter nahezu verloren wäre. Das passt zur Strategie, die Günther Oettingers Vorgängerin Neelie Kroes formuliert hatte. Sie wollte große nationale Player fördern und so eine Zersplitterung des Kommunikationsmarktes verhindern. Gerade die kleinen agilen Spieler seinen aber die, die den Netzausbau vorantreiben, sagen die Branchenverbände. Sie fordern, es müsse – zumindest bei den Branchenriesen – eine Trennung von Netz und Diensten geben.
    In Deutschland wird unsichtbar verkabelt
    Kloiber: Durchaus eine umstrittene Forderung. Zu den Zankäpfeln in der Branche gehören ja auch die unterschiedlichen Technologien. Warum eigentlich werden die kupferleitungsbasierten Technologien immer weiter vorangetrieben?
    Rähm: Kurz gesagt: Weil das Kupfer da ist. Deutschland ist im weltweiten Vergleich das Land mit dem besten Ausbau an kupferleitungsbasierten Kommunikationsnetzen. Das ist historisch mit dem flächendeckenden Ausbau von ISDN gewachsen. Dazu kommt, in Deutschland wird unsichtbar verkabelt. Daher: Wo in anderen Ländern die Leitungen an den Mast gehangen und einfach an die Hauswand genagelt werden, wird in Deutschland Tiefbau betrieben. Und der ist vergleichsweise teuer. Allerdings: Würde nicht so viel gestritten, sondern ausgebaut, könnten die Glasfasernetze heute schon profitabel sein. Das zeigen erfolgreiche Beispiele wie der alternative Netzausbau in Köln, München und in und um Norderstedt.
    Kloiber: Aber: Ohne Vectoring auf dem Kupferstrang sind doch die Breitbandziele der Bundesregierung unerreichbar. Wir brauchen diese Technologie und deren Nachfolger wie Super Vectoring und G.Fast, oder etwa nicht?
    Rähm: Das ist durchaus umstritten. Klar, kurzfristig gedacht klappt der Breitbandausbau bis 2018 mit Glasfaser flächendeckend nicht mehr. Es müsste langsam in mehr als einer Legislaturperiode gedacht und gefördert werden. Zudem ist einigen Akteuren unklar, warum Kupfer-Technologien wie Vectoring politisch und auch finanziell gefördert werden. Sie sagen, Kunden gehen dahin, wo es den eigenen Ansprüchen ausreicht und günstig ist. Und solange Kupfer alle Ansprüche befriedigt, kommt keine Glasfaser. Aber dann werden wieder Kupfer-Rettungstechnologien weiter vorangetrieben, um irgendwelche gesetzten Bandbreiten zu erreichen. Durchaus also ein Art Teufelskreis, den es zu durchbrechen gilt.
    Breitbandausbau läuft noch nicht rund
    Kloiber: Womit wir wieder bei der Förderung sind. 2,1 Milliarden Bundesmittel sind doch ein Schritt in die richtige Richtung. Oder etwa nicht?
    Rähm: Verglichen mit anderen Investitionen sind diese 2,1 Milliarden nicht all zu viel. Vor allem, wenn man betrachtet, was noch alles zu tun ist. Ebenso schwer verständlich ist, wie konkret gefördert wird. So wird aktuell höher gefördert, wer billiger anschließt. Dabei außer acht gelassen wird jedoch, wie zukunftsfähig ist der Ausbau. Daher, die Richtung ist grob richtig, aber ganz auf Kurs ist der Breitbandausbau noch nicht.