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Bremen
Jungwähler vor der Bürgerschaftswahl

Seit 1946 regiert die SPD und das Einzige, was die Bremer vielleicht ändern, ist der Koalitionspartner. Die FDP geht mit Slogans zur Verkehrspolitik in die Bürgerschaftswahl am kommenden Sonntag und könnte ins Parlament einziehen, sagen Prognosen. Wenn man aber die wahlberechtigten 16- bis 18-Jährigen fragt, sieht das Ergebnis möglicherweise ganz anders aus.

Von Axel Schröder |
    Vier Frauen gegen Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD): Wahlplakate zur Bremer Bürgerschaftswahl 2015 mit den Spitzenkandidatinnen Lencke Steiner (FDP), Elisabeth Motschmann (CDU), Kristina Vogt (Linke) und Karoline Linnert (Grüne).
    Wahlplakate zur Bremer Bürgerschaftswahl 2015 (imago / Eckhard Stengel)
    In der Freien und Hansestadt Hamburg stellen die Grünen den Bürgermeister. Die Ökopartei regiert die Stadt zusammen mit ihrem Koalitionspartner, der Piratenpartei. Diese Koalition wäre längst Realität, wenn es nach dem Hamburger Gymnasiasten Julius Werth ginge.
    "Die jungen Leute, die gehen auch auf Demos! Und setzen sich für die Umwelt ein und so was alles. Das macht man einfach so, wenn man jung ist."
    Und mit rechtspopulistischen bis rechtsextremen Parteien, von der AfD bis zur NPD, können der Gymnasiast und sein Schulfreund Lars-Hendrick Schirmer so gar nichts anfangen.
    "Ich kenne niemanden, der die rechten Parteien gewählt hat. Gar nicht!"
    "Wir sehen, was so auch die Ideen diese rechten Parteien sind und denken uns einfach: „Das macht doch alles nicht so richtig Sinn...!" Wir finden das nicht gut, was die machen und deshalb wählen wir sie nicht."
    Jungwähler haben andere politische Einstellungen
    Die beiden Jugendlichen durften bei der Bürgerschaftswahl in Hamburg in diesem Jahr mit abstimmen. Aber von den insgesamt rund 1,3 Millionen Wahlberechtigten stellten die 16- und 17jährigen dabei gerade mal 27.000 Wähler. - Deren politische Einstellungen unterscheiden sich tatsächlich von denen des älteren Wahlvolks, erklärt der Hamburger Politikwissenschaftler Kai-Uwe Schnapp:
    "Man sieht schon, dass jüngere Menschen häufiger eher im linken Bereich des politischen Spektrums angesiedelt sind als im rechten Bereich des politischen Spektrums. Aber, wenn mal zum Beispiel mal auf die letzte Hamburg-Wahl guckt – da hat Infratest genau in diese Altersgruppe reingeschaut und hat festgestellt: Rot-Grün zusammen ist bei gerade den 16-, 17jährigen etwas schlechter weggekommen als beim Durchschnitt der älteren Altersgruppen. Aber grundsätzlich kann man schon sagen: je jünger, desto eher sind Personen eigentlich links. Und je älter sie werden, desto mehr sind auch konservative Positionen dabei."
    Belastbare Statistiken zum Wahlverhalten von Jugendlichen sind aber nach wie vor Mangelware. Nur in Brandenburg, Bremen, Schleswig-Holstein und Hamburg dürfen die 16- und 17jährigen an Landtags- bzw. Bürgerschaftswahlen teilnehmen. Für alle anderen gibt es seit 1999 die sogenannten Juniorwahlen. Organisiert werden diese Abstimmungen von der Berliner Initiative "Kumulus e.V.". Sechs bis acht Schulstunden lang setzen sich dabei Schülerinnen und Schüler ab Klasse 7 mit dem Thema Wahlen auseinander und dürfen dann ihr Kreuz machen. Bei den letzten Bürgerschaftswahlen in Bremen gab es eine Beteiligung an den Juniorwahlen von stolzen 80 Prozent. Und die Schülerinnen und Schüler setzten ein klares Zeichen, erzählt Juniorwahl-Projektleiter Gerald Wolff:
    "Da war es so, dass die Grünen Sieger der Bürgerschaftswahl 2011 waren. Aber wir müssen uns auch zurückerinnern: zu der Zeit war gerade der Atomunfall in Japan. Und der hatte dann natürlich auch unmittelbare Auswirkungen gehabt."
    Kleine Parteien für junge Menschen besonders attraktiv
    Trotz der nach wie vor dünnen Datenlage ist für Wahlforscher ein Trend schon klar erkennbar: vor allem kleine Parteien mit wenigen, dafür aber klar formulierten Zielen sind für junge Menschen attraktiv: die Piraten mit ihren Kernthemen Internet und Bürgerrechte, die Grünen mit dem Umweltschutz, die Linken mit dem Label der sozialen Gerechtigkeit. Genauso klar, einfach und vor allem themenreduziert sind aber auch die Programme der rechtsextremen NPD und der teils rechtsnationalen AfD, was auch bei Jungwählern gut ankommen kann. Das ermittelte das Meinungsforschungsinstitut Infratest Dimap am letzten Bremer Wahlsonntag, im Jahr 2011, erklärt Stefan Merz:
    "In Bremen war es damals tatsächlich auch so: die NPD war zwar insgesamt bedeutungslos. Aber bei den 16- bis 17jährigen doppelt so stark als insgesamt. Aber zum Beispiel in Hamburg oder auch in Brandenburg war die AfD bei den Jüngeren jetzt nicht besonders stark. Und gerade in Brandenburg hatten wir zum Beispiel das Phänomen, das gerade die 16- bis 17jährigen deutlich weniger rechts gewählt haben als dann die 18- bis 24jährigen."
    Fest steht für die Wahlforscher: CDU und SPD als große etablierte Parteien mit breitem Themenspektrum können bei den ganz jungen Wähler kaum punkten. Vielleicht ja auch, weil die Programme der beiden Volksparteien schon seit Jahren so passgenau auf die umworbene Mitte der Gesellschaft zielen, dass die Unterschiede zwischen ihnen kaum noch wahrnehmbar sind. Unterm Strich tut das Wahlrecht ab 16 unserer Demokratie aber gut, glaubt Stefan Merz von Infratest Dimap. Gerade in Zeiten sinkender Wahlbeteiligung:
    "Was ganz interessant ist und vielleicht ist das was, was für Zukunft Hoffnung macht: die Wahlbeteiligung ist deutlich höher als bei den unmittelbar folgenden Altersgruppen, also deutlich höher als bei den 18- bis 24jährigen. Und möglicherweise gibt es da ja einen langfristigen Effekt. Aber das muss man natürlich erst mal noch abwarten."
    Herausgefunden haben die Wahlforscher übrigens auch: die Eltern der jungen Neuwähler gehen eher zur Wahl als andere. Einige lassen sich vom politischen Idealismus ihrer Kinder also beeindrucken.