"Hallo, guten Morgen." - "Herzlich Willkommen in unserem Second-Hand." - "Freut mich, hallo." - Wahlkampf-Besuch im Bremer Stadtteil Tenever. Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) begleitet den Spitzenkandidaten Jens Böhrnsen in ein Vorzeige-Projekt. Zwar ist Tenever ein schwieriger Stadtteil: hohe Arbeitslosen- und Armutsquote, hoher Migrantenanteil - aber: der Stadtteil hat sich entwickelt: vorbildlich, dank Bürgerbeteiligung und Fördergeldern. In Tenever zu wohnen, gilt nicht mehr als Schande. Keine einzige Wohnung im Hochhaus-Viertel steht leer. Das Engagement der Bewohner ist groß; auch im Second-Hand-Laden, den das Mütterzentrum organisiert.
"Es ist so wie meine zweite Heimat. Ich komme aus Ghana. Dem Mütterzentrum gehört mein ganzes Herz. Was ich gelernt habe ich Afrika, mein Beruf: Schneiderin. Und hier im Second-Hand-Laden mache ich Änderungen für Leute, die kommen und Hilfe brauchen. Jetzt aber nicht mehr."
Margaret Schmidt zum Beispiel arbeitet seit mehr als zehn Jahren im Second-Hand-Laden. Was sie tut, wird aus Töpfen von Bund, Land und EU bezahlt - öffentlich geförderte Beschäftigung oder "zweiter Arbeitsmarkt" heißt das dann. Aber nach vielen befristeten Verträgen ist jetzt Schluss. Seit Ende 2014 kommt sie ehrenamtlich her, weil auch der letzte Einjahresvertrag inzwischen ausgelaufen ist.
"Jetzt putze ich, mache eine Krankheitsvertretungen. Trotz meines Berufs - ich würde weiter hier arbeiten. Gerne hier weiter Menschen helfen, hier im Stadtteil."
Schwerer Einstieg in den ersten Arbeitsmarkt
"Wir wünschen uns dauerhafte Arbeitsverhältnisse, die finanziert werden mit existenzsichernden Löhnen", sagt Sarah Lott, Personal-Entwicklerin im Mütterzentrum Tenever, zu dem auch der Second-Hand-Laden gehört. Bis auf wenige Ausnahmen schaffen die Frauen, die hier arbeiten, es einfach nicht in den regulären, ersten Arbeitsmarkt. Die sogenannten "Maßnahmen" nutzen sie solange es geht; auch wenn sie damit unter der Armutsgrenze leben. Jens Böhrnsen, Spitzenkandidat der Bremer SPD, weiß das. Aber eine konkrete Verbesserung der Situation kann er trotzdem nicht versprechen.
"Wir sind in Bremen entschlossen, die soziale Arbeit und vor allem auch die regionalen Netze, die wir in den Stadtteilen haben, auch zu schützen und fortzuführen. Ich kann versprechen, dass wir das, was wir hier vor Ort sehen, dass das auch Bestand haben wird, weil ich weiß, wie wichtig das ist. Wir haben es ja bei unserem Rundgang gehört."
Mit "wir" meint Böhrnsen sich und die Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles. Die allerdings bleibt auch ziemlich nüchtern in Sachen Wahlversprechen der SPD.
"Wir haben jetzt zwei Programme, die längerfristig ausgelegt sind. Also wir versuchen jetzt wirklich an der Stelle - in so einer günstigen wirtschaftlichen Lage wie jetzt - doch auch noch mal neue Perspektiven für Leute zu schaffen, die eben in den letzten Jahren keinen Job gefunden haben. Das können wir versprechen. Was wir nicht machen können, ist, dass wir Dauerbeschäftigungsverhältnisse hier versprechen, die dann nicht finanziert sind. Weil einfach die Voraussetzungen von der Europäischen Förderung und auch vom Bundesrechnungshof begrenzt sind."
Lange Gesichter bei den Frauen im Second-Hand-Laden. Sie überlächeln ihre Enttäuschung und Unsicherheit. Vielleicht wissen sie auch, dass Jens Böhrnsen wenig versprechen kann als Regierungschef eines Haushaltsnotlage-Landes. Allerdings: Den Wahlkampf-Slogan der SPD verstehen sie schon. "Miteinander" steht da auf den Plakaten, die überall in Bremen hängen. Für sie klingt das weit weg. Wohl ein Grund, warum in Tenever ganz besonders wenige Menschen wählen gehen. Viele von ihnen haben das Gefühl, dass Politik nichts für sie tut. 2011 lag die Wahlbeteiligung im Stadtteil bei unter 40 Prozent.