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Bremen vor der Wahl
Immer weniger machen ein Kreuzchen

Am kommenden Sonntag wählt Bremen seine künftige Landesregierung. Eine Fortsetzung der rot-grünen Koalition ist äußert wahrscheinlich. Es bleibt also beim Alten? Der absehbare Wahlausgang ist vermutlich der Grund dafür, dass viele Bremer Wählen für überflüssig halten.

Von Franziska Rattei |
    Ein Hand steckt einen Wahlschein in eine Wahlurne.
    Mit Mitteln wie einer besonders leichten Sprache auf den Stimmzetteln möchte man in Bremen mehr Leute an die Urne locken. (picture-alliance/ dpa / Michael Kappeler)
    "'Privatschulen sollen vom Land stärker unterstützt werden.' Nein, die werden unterstützt, aber nicht stärker. 'Kernbrennstoffe sollen über Bremische Häfen umgeschlagen werden' – stimme nicht zu. 'Mehr Menschen mit Migrationshintergrund sollten bei der Polizei eingestellt werden' – stimme zu."
    Karoline Linnert, Bremens grüne Finanzsenatorin, testet den Wahl-o-mat: eine Online-Hilfe der Bundeszentrale für politische Bildung. Sie soll Zweiflern die Wahl-Entscheidung erleichtern. Soll die Weser für die Container-Schifffahrt vertieft werden? Sollen abgelehnte Asylbewerber konsequent abgeschoben werden? Sollen mit überschüssigen Steuereinnahmen vorrangig Schulden getilgt werden? Die Spitzenkandidatin der Bündnis-Grünen antwortet zügig. Am Ende stimmt sie zu knapp 98 Prozent mit den Zielen ihrer eigenen Partei überein.
    Finanziell schwache Menschen wählen häufig nicht
    Bei der letzten Bürgerschaftswahl, 2011, waren die Grünen äußerst erfolgreich. Mit 22,5 Prozent der Wählerstimmen wurden sie zweitstärkste Kraft. Die SPD stellte – wie immer seit 1946 – den Bürgermeister. So wird es voraussichtlich auch in diesem Jahr wieder sein. Diese Vorhersehbarkeit ist vielleicht ein Grund dafür, dass viele Bremer Wählen für überflüssig halten. – 2011 lag die Wahlbeteiligung bei 55,5 Prozent, in einigen Stadtteilen bei weniger als 40 Prozent. Menschen ohne Arbeit, mit wenig Geld und niedrigem Bildungsstand wählten besonders häufig nicht, sagt der Bremer Politikwissenschaftler Lothar Probst.
    "Wähler, die in diesen prekären Stadtteilen leben mit starken Armutsentwicklungen haben sich vom Wählen weitgehend abgekoppelt, sind politisch, kulturell, sozial nicht mehr integriert in die Mehrheitsgesellschaft. Und die sehen offensichtlich keinen Grund zur Wahl zu gehen, weil sie auch den Eindruck haben, dass sich keine Partei letzten Endes um ihre Probleme kümmert beziehungsweise dass ihre Situation nicht besser wird; egal, unter welcher Regierung."
    Björn Tschöpe, Fraktionsvorsitzender der SPD in der Bremer Bürgerschaft, hat deshalb im vergangenen Herbst vorgeschlagen, in Einkaufszentren wählen zu lassen und den Zeit-Korridor fürs Wählen zu verlängern. In Schweden habe man so die Wahlbeteiligung drastisch steigern können. Aber:
    "Daraus ist deshalb nichts geworden, weil unser Koalitionspartner das nicht gewollt hat. Und dann haben Sie keine parlamentarischen Mehrheiten. Ich find das schade. Ich glaube, wir hätten das ausprobieren sollen. Alle wissenschaftlichen Studien, die es dazu gibt, sagen: man muss alle Möglichkeiten ergreifen, die Wahlbeteiligung zu erhöhen. Wenn man gewollt hätte, hätte man drei-vier Piloten in Bremen fahren können. Ich bin ein bisschen traurig, dass die Grünen sich nicht haben überzeugen lassen."
    Nun muss es also der Wahl-o-mat richten. Oder die Website "abgeordnetenwatch.de" – ein Portal für direkte Kommunikation zwischen Politik und Wahlvolk. Wer eine Frage hat, zum Beispiel an Christian Weber, den sozialdemokratischen Bürgerschaftspräsidenten, kann sie dort stellen. Der hat übrigens noch mehr Ideen für eine höhere Wahlbeteiligung: Wahlpflicht etwa.
    "Es wird nicht kommen. Keine Sorge. Es wird keine Wahlpflicht kommen. Aber ich habe große Sorge, dass die Menschen – weil sie viele andere Dinge heute haben – sagen: das ist für mich nicht mehr wichtig. Dass wir damit unsere parlamentarische Demokratie beschädigen und sie in Gefahr bringen."
    Vereinfachte Wahl-Unterlagen: Kurze, klare, einfache Sätze
    Vor vier Jahren hat Bremen als erstes Bundesland das aktive Wahlrecht ab 16 Jahren eingeführt. In diesem Jahr gibt es wieder eine Neuerung: die Wahlunterlagen erscheinen erstmals mit farbigen Parteienlogos und in Leichter Sprache. Kurze, klare, einfache Sätze statt Bürokraten-Deutsch; damit auch die Menschen wählen können, die Probleme haben, Texte zu lesen und zu verstehen. In Deutschland betrifft das rund 40 Prozent der Menschen zwischen 18 und 64. Für sie sind "normale" Wahlunterlagen zu kompliziert. Ob die Leichte Sprache die Wahlbeteiligung steigern wird? Der Bremer Bürgerschaftspräsident hofft es. Für ihn zählt am 10.05. um 18 Uhr vor allem eines:
    "Mir ist nicht so wichtig, wie die Parteien abschneiden – na, ist schon wichtig. Aber: Viel wichtiger ist, dass man mal sagt: Mensch, in Bremen sind 75 Prozent zur Wahl gegangen. Da würden wir in der Republik Furore machen. Da würde man sagen: mein Gott, was ist das für ein demokratisches, durchgestyltes Land."