"Ist das jetzt so richtig, vom Mund?" - "So stehen Sie besser." - "Dann sag ich mal ein paar Worte: Sehr verehrte Frau Ministerin von der Leyen, sehr geehrter Herr Bürgermeister Böhrnsen, meine Damen, meine Herren. Als verwaltender Vorsteher der Stiftung "Haus Seefahrt" freue ich mich ganz besonders..."
Letzte Vorbereitungen in der Oberen Halle des Alten Bremer Rathauses - seit dem späten Mittelalter richtet die Stiftung "Haus Seefahrt" hier die Schaffermahlzeit aus. Um 14: 28 Uhr öffnen sich die Türen des Prunksaals - so ist es Tradition. Um 14:38 Uhr wird die erste Suppe serviert und von den Gästen gelöffelt. Auch das ist seit 1545 immer so gewesen. Eine Sache wird in diesem Jahr aber anders sein. Zum ersten Mal in der Geschichte der Schaffermahlzeit werden Frauen als - in Anführungsstrichen - "normale Gäste" mit am Tisch sitzen: Frauen mit Spitzenpositionen in Wirtschaft, Politik und Wissenschaft. Weibliche Gäste zwischen den Männern. Das hat es bislang nicht gegeben; abgesehen vom Ehrengast Angela Merkel 2007 oder einer Kapitänin 2004. Klaus Meier hält die geänderte Tradition für eine gute Sache. Er ist geschäftsführender Gesellschafter einer Bremer Windpark-Mangement-Firma und in diesem Jahr der sogenannte "zweite Schaffer" einer der Kaufmänner, die die Schaffermahlzeit ausrichten.
"Ja, man muss dann auch der Zeit Rechnung tragen. Frauen sind eben heute, richtigerweise, in den Positionen, Unternehmen zu führen, Aufsichtsräte zu führen – in der Politik ja schon viel länger. Und entsprechend muss das eine solche Veranstaltung auch nachzeichnen."
Zeit der Skeptiker zuende
Die meisten Mitglieder der Stiftung "Haus Seefahrt" sehen es so, sagt Meier. Trotzdem hat es Jahrhunderte lang gedauert, bis es soweit war; weil es eben auch ein paar Skeptiker gab. Einige waren einfach trotzig, sagt der Geschäftsmann. Sie wehrten sich dagegen, bedrängt zu werden – zum Beispiel von Abgeordneten der Bremer Bürgerschaft, aber auch von großen Wirtschaftsunternehmen.
"Na, ja, und es gibt auch Männer, die finden: Es ist schöner, in einem Raum nur mit Männern zu sein, weil das ja schon immer so war..."
Alles andere ist auch in diesem Jahr so, wie es immer war; weil man stolz ist auf die Tradition der Schaffermahlzeit. Sie ist ein Aushänge-Schild für die Hansestadt, sagt Elisabeth Motschmann, CDU-Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende der Bremer Frauen-Union. Und gerade weil die Schaffermahlzeit so berühmt ist, hätte sie sich längst der Gegenwart anpassen müssen, findet die Politikerin.
"Das halte ich im 21. Jahrhundert für notwendig, und alles andere ist völlig abwegig."
Seit rund einem Jahrzehnt kämpft Motschmann dafür, dass auch Frauen aus Spitzenpositionen zugelassen werden, und in diesem Jahr wird – immerhin – eine Handvoll von ihnen da sein; neben dem Ehrengast Ursula von der Leyen, Bundesverteidigungsministerin, kommen Annegret Kramp-Karrenbauer, Ministerpräsidentin des Saarlands, Isolde Mathilde Liebherr und Nicola Leibinger-Kammüller.
"Traditionen auch erhalten"
Die sitzt noch in der Lobby eines noblen Bremer Hotels. Aber der Platz bei der Bremer Schaffermahlzeit ist ihr sicher. Die Schwäbin, übrigens auch CDU-Mitglied, führt das weltweit agierende Hochtechnologie-Unternehmen "Trumpf". Die Einladung hat sie sofort angenommen, aber ihretwegen hätte auch alles so bleiben können, wie es immer war.
"Ich finde einfach, dass man Traditionen auch erhalten soll. Es werden so viele Traditionen aufgegeben, jetzt, in unserer Zeit. Und man wirft so vieles über Bord. Da dachte ich, muss ich sagen, Vergangenheit: Es ist eigentlich gut, wenn man das den Männern lässt. Und es ist doch schön, so was zu bewahren. Andererseits muss man auch sagen: Es ist jetzt auch gut so."
Nicola Leibinger Kammüller gilt als Vorzeige-Unternehmerin; sie ist eine der Frauen in Spitzenpositionen, die - jetzt, im Jahr 2015 ganz offiziell und gleichberechtigt eingeladen wurden. Die Mittfünfzigerin freut sich auf die Schaffermahlzeit; aber nicht, weil sie erwartet, dort Geschäfte zu machen.
"Nö. Also deswegen kommt man nicht zur Schaffermahlzeit, weil man denkt, man kann irgendwelche geschäftlichen Verbindungen finden oder erhärten oder wichtige Leute treffen. Ich komme, weil ich das Anliegen unterstützen will; nämlich, dass man für Notleidende Geld sammelt."
Wie viel Geld da so gesammelt wird, ist übrigens streng geheim. Noch so eine Tradition.