Archiv


Bremse für die Konkurrenz

In den USA wird seit fast einem Jahr heftig um die Frage der Netzneutralität diskutiert. Nun schwappt die Diskussion über den Teich. Diese Woche haben sich in Bonn bei einer Konferenz des Wissenschaftlichen Instituts für Infrastruktur und Kommunikationsdienste GmbH aus Europa und den USA mit dem Thema beschäftigt.

Von Pia Grund-Ludwig |
    Netzneutralität ist ein politisch brisantes Thema. Dürfen Betreiber von Telekommunikationsnetzen bestimmte Anbieter von Inhalten bevorzugen oder müssen sie alle gleich behandeln. Das hört sich akademisch an, kann aber praktische Konsequenzen haben. Ein denkbares Modell: Internet-Telefonie oder Online-Banking werden vom Basisdienst ausgeschlossen und erst gegen Aufpreis freigegeben. Die Fronten in der Diskussion um Netzneutralität sind übersichtlich: Auf der einen Seite stehen die Netzanbieter wie die Deutsche Telekom hierzulande oder Verizon und AT&T in den USA. Die wollen die Möglichkeit haben, Dienste mit garantierter Servicequalität anzubieten. Dienste wären in diesem Fall beispielsweise Videokonferenzen oder Multimedia-Downloads. Unternehmen, die die anbieten wollen, sollen dafür mehr bezahlen. Auf der anderen Seite stehen die Anbieter von Inhalten wie Yahoo, Amazon oder Google. Die fürchten, dass mögliche neue Geschäftsmodelle behindert werden, wenn Netzbetreiber die Möglichkeit haben, bestimmte Pakete auszubremsen. Dabei geht es auch um ökonomische Fragen. Die Betreiber der Netze wollen das Geld für den Ausbau der Infrastrukturen wieder haben, die Inhalteanbieter mit neuen und alten Ideen verdienen. Für Andrew McLaughlin, der bei Google für die politischen Strategien zuständig ist, geht es auch um die Prinzipien des Internet:

    "Es geht darum, dass Individuen jeden Punkt des Internet erreichen können, dass sie alle Inhalte erreichen können, die sie wollen. Außerdem sollen Jungs und Mädels an den Universitäten auch weiter die Möglichkeit haben, zum Beispiel in einer Garage hier in Düsseldorf einen neuen Service zu entwickeln, der mit dem größten Internet-Seiten der Welt konkurriert."

    Solche Innovationen bezeichnete in Bonn auch die Vizepräsidentin der Bundesnetzagentur Iris Henseler-Unger als hohes Gut. Innovationen an den Endpunkten des Netzes dürften nicht behindert werden, sagt sie. Das bedeutet, dass Ideen für neuartige Angebote nicht ausgebremst werden dürfen. Wenn das der Fall sei, müsse der Regulierer einschreiten. Das wäre in Deutschland die Bundesnetzagentur, auf europäischer Ebene die EU-Kommission. Google-Manager McLaughlin betont, dass im Moment die Netzbetreiber kooperativ seien. Schwierig könne es werden, wenn es zu Verquickungen zwischen Netzbetrieb und Inhalten komme. Das betont auch Ingo Vogelsang, Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Universität Boston.

    "Bislang haben sich alle europäischen Netzbetreiber dahingehend geäußert, dass sie nicht zu diskriminieren gedenken. Auf der anderen Seite gibt es Praktiken, die schon praktiziert werden. Ich gebe als Beispiel den Exklusivvertrag, den die Telekom mit dem Fußballbund geschlossen hat und zu erreichen, in den Content-Bereich hineinzukommen."

    Ein solcher Einstieg von Netzbetreibern in die Verbreitung von Inhalten wird dann kritisch, wenn die Telekom oder andere Netzbetreiber dafür sorgen, dass nur die eigenen Inhalte oder die ihrer Kooperationspartner schnell zum Ziel kommen. Das funktioniert im Moment noch nicht. Alle Datenpakete werden mit einheitlichen Protokollen verschickt. Die Betreiber von Netzen können zwar auf eigenen Strecken per Netzverwaltung Vorfahrtsregeln einrichten, beispielsweise für fette Sprachpakete oder Multimediainhalte, aber nicht für den Datenverkehr eines einzelnen Inhalteanbieters wie beispielsweise des Deutschen Fußballbunds bis hin zu dessen Abnehmern am Ende der Datenstrippe. Die einheitlichen Protokolle garantieren also den Wettbewerb der Dienste. Problematisch wird es, wenn die Netzbetreiber sich nicht mehr neutral verhalten und beispielsweise Sprachdatenpakete nur noch von einem einzigen Anbieter befördern, warnt McLaughlin:

    "Wenn es die Möglichkeit gibt, mit diesen Protokollen viel Geld zu verdienen, könnte das eine Versuchung für die Carrier sein, diese nur einer einzelnen Partei zur Verfügung zu stellen. Für einen solchen Exklusivzugang könnten sie möglicherweise mehr Geld nehmen als von drei konkurrierenden Anbieter bei niedrigeren Preisen."

    Für die Endkunden würde das bedeuten, dass sie weniger Auswahl bei den Servicepartnern haben. Und die könnten dadurch die Preise diktieren. Um die Netzneutralität zu garantieren, müsse es ja nicht gleich Auflagen eines Regulierers geben, so der Google-Manager McLaughlin. Man könne auch verlangen, dass die Netzbetreiber offen legen, ob sie bestimmte Datenpakete schneller und andere langsamer befördern. Die EU-Kommission hat solche Transparenzregeln für Netzbetreiber vorgeschlagen. Iris Henseler-Unger begrüßt das. Dem Verbraucher stehe nur dann ein echtes Wahlrecht zu, wenn er über die dafür nötigen Informationen verfüge, also beispielsweise von Qualitätsreduktionen oder anderen Einschränkungen erfahre. Die Kunden haben dann die Chance, sich die Betreiber auszusuchen, die für sie wichtige Angebote nicht ausbremsen.