Bundesweit leben knapp zwei Millionen Kinder in Hartz-4-Haushalten. Sicherlich ein alarmierender Befund, doch vor Ort, in einzelnen Schulen, zeigt sich das wahre Ausmaß dieser Statistik: Schulen, in denen mehr als 50 Prozent der Kinder aus armen Haushalten kommen oder, wo der Anteil von Schülern mit Migrationshintergrund rund 70 Prozent beträgt.
Brennpunktschulen, werden sie landläufig genannt. Und für viele Lehrer sei dies nicht nur eine besondere Herausforderung, sondern auch ein Frustfaktor, sagt Kornelia Haugg. Sie leitet die Abteilung für Allgemeine und berufliche Bildung im Bundesministerium für Bildung und Forschung: "Sie sind frustriert und zum Teil auch hoffnungslos. Sie fühlen sich alleingelassen."
Der Koalitionsvertrag von CDU/CSU und der SPD verspricht Abhilfe. So soll eine gemeinsame Initiative von Bund und Ländern die besonderen Herausforderungen von "Schulen in benachteiligten sozialen Lagen und mit besonderen Aufgaben der Integration", so der offizielle Titel, aufgreifen.
"Geld schießt keine Tore"
Die heutige Fachkonferenz in Berlin soll Theorie und Praxis zusammenführen - und gleich zu Beginn dämpfte Heinz Günter Holtappels, Erziehungswissenschaftler an der Uni Dortmund, die Erwartungen: Allein mit Geld sei den betroffenen Schulen nicht geholfen.
"Im Fußball heißt das: Geld schießt keine Tore. Also: Die Schulen werden mit dem Geld vernünftig umgehen, da bin ich ziemlich sicher. Aber, ob dies gleich die Schul- und Unterrichtsqualität verändert, und ob man dann damit wirksam sein wird, weil man nicht immer das Richtige tut, da sage ich Vorsicht. Aber generell ist Geld nicht schlecht - als zusätzliche Zuweisung."
Natürlich weiß auch der Erziehungswissenschaftler, dass zusätzliche Ausgaben für Sonderpädagogen oder auch für eine bessere schulische Ausstattung wichtig sind. Doch erfolgsversprechende Ansätze betonen beispielsweise auch ein wertschätzendes Arbeits- und Lernklima, eine andere Organisations- und Lernkultur.
Anne Sliwka ist deshalb in den vergangenen Jahren viel herumgereist - die Professorin für Schulpädagogik in Heidelberg hat weltweit Schulen in benachteiligten sozialen Lagen besucht. Wenn schon im Elternhaus mehrheitlich nicht die Landessprache gesprochen werde, müsse vor dem Schuleintritt reagiert werden:
"Es geht nicht um die Verschulung der Kita, aber um ein spielerisches Lernen, was durchaus darauf ausgerichtet ist, den Wortschatz ganz systematisch aufzubauen. Die Kinder müssen die Welt über Sprache wahrnehmen können. Eigentlich ist es völlig klar, wo das Problem ist."
Schule und Stadtteil gehören zusammen
Viele Praktiker geben ihr Recht: Maren Reimann beispielsweise. Sie ist Konrektorin der Grundschule Kleine Kielstraße in Dortmund. Die Schule wurde 2006 mit dem Deutschen Schulpreis ausgezeichnet. Für sie ist Schule auch Stadtteilmanagement:
"Kinder kommen mit bis zu drei Jahren Entwicklungsrückstand zu uns. Weil sie keine frühkindliche Förderung hatten. Das ist eigentlich der Punkt, auf dem wir uns ganz stark in den vergangenen Jahren fokussiert haben."
Andere Beispiele zielen in die gleiche Richtung: Cornelia Klöter vom Amt für Jugend, Familie und Bildung der Stadt Leipzig:
"Wir gucken im Moment auf das Thema Öffnung von Schulgebäuden. Das klingt erst einmal simpel. Ein Schulgebäude kann - wenn nachmittags dort kein Unterricht mehr stattfindet - auch für das Quartier, für den Sozialraum, zur Verfügung stehen. Und einfach auch ein Ort der Begegnung im Quartier werden."
Ideen, die über ein schlichtes und notwendiges "Mehr Geld" hinausgehen. Bis Ende des Jahres wollen Bund und Länder ihre Ansätze für Schulen in benachteiligten sozialen Lagen konkret formuliert haben.