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Breth inszeniert Pinter in München
Den Hausmeister auf die Spitze getrieben

Pinteresk, so nennt der Kulturbetrieb die Unbestimmtheit der Figuren und der Orte in den Pinter-Stücken. Sein eigener Stil mit den unterschwellig bedrohlichen Begegnungen und den berühmten langen Pausen fasziniert. In ihrer Münchner Inszenierung hat Regisseurin Andrea Breth diesem Pinteresken noch Zucker zu geben, indem sie optisch und akustisch auf Suspense schaltet.

Von Sven Ricklefs |
    Da hängt er also, der Eimer, in den es hineintropft, weil das Dach leck ist, hängt dort gleich neben der nackten Glühbirne, am dicken Seil von der Decke. Ja, es ist natürlich bis ins Detail so, wie man sich das im psychorealistischen Theater von Andrea Breth vorstellt: da ist der Eimer, da ist die Glühbirne, da ist die völlig versiffte Bruchbude, die vollgestopft ist mit Krims und Kram, da sind die beiden Betten, die man erst einmal unter dem ganzen Müll frei räumen muss. Und da sind natürlich auch die drei Personen. Harold Pinter war der Meister der Wenigpersonenstücke, in denen eine irgendwie bedrohliche irgendwie klaustrophobische Atmosphäre entstehen soll, obwohl es eigentlich nicht um wirklich sehr viel geht. Es sind Stücke, die irgendwann beginnen und irgendwann aufhören und dazwischen spannt sich ein Etwas mit wenigen Ausschlägen, das man eigentlich nicht wirklich als Handlung bezeichnen kann.
    In Pinters 1960 uraufgeführtem Hausmeister geht es um einen alten Streuner, den einer gleichsam auf der Straße aufliest und der sich dann einnistet bei dem Brüderpaar, dass ihn zunächst unabhängig voneinander als Hausmeister engagieren will, bis sie ihn, der sich mehr und mehr herausnimmt, wieder loswerden wollen. Wenn man es denn partout in dieses bewusst sehr vage gehaltene Stück hineinlesen will, so geht es in Pinters Hausmeister wohl um die absurde Vergeblichkeit des menschlichen Daseins überhaupt, es geht um Allianzen und Verrat, um Macht und Unterwerfung, um Aggression und Konflikt:
    "- Hör auf damit ja, ich kann nicht schlafen. - Was ist los? - Du machst Geräusche. - Ich bin ein alter Mann. Soll ich aufhören zu atmen? - Du machst Geräusche."
    Pinteresk ist das Schlagwort unter dem jene Wirkung von Pinters Stücken zusammengefasst wird, die sich aus der Unbestimmtheit der Figuren und der Orte ebenso speisen soll, wie aus den unterschwellig bedrohlichen Begegnungen und den berühmten Pinterpausen. In ihrer Münchner Inszenierung hat sich Regisseurin Andrea Breth befleißigt gefühlt, diesem Pinteresken noch Zucker zu geben, indem sie optisch und akustisch auf Suspense schaltet. Da werfen die Figuren lange von unten herausgeleuchtete Schatten an die Wände, da sirren schrille hohe Töne durch den Raum, so als befände man sich im Kopf von Aston, dem jüngeren Bruder, der immer wie manisch mit dem Schraubenzieher an elektrischen Steckern herumpult und dem man einmal mit der elektrischen Zange sein Gehirn therapiert hat, damals in der Klinik.
    "Treppe rauf, Treppe runter, nur damit ich Nacht für Nacht in diesem lausigen Loch schlafen darf. Nicht mit mir, Kleiner. Nicht für Dich, Kleiner. Ich war noch nie in der Klappse."
    Hans Michael Rehberg spielt den Pinterschen Strotter, einer der großen alten Männer also der deutschsprachigen Bühnen, der gestern – und das wurde beim Schlussapplaus auf offener Bühne gefeiert – der gestern 76 Jahre alt wurde. Trotzdem muss man sagen dürfen, bei allem Respekt vor der Lebensleistung dieses Schauspielers, so in eine Art Greisenhysterie, so immer wieder in ein overacting getrieben, hätte man ihn wahrlich lieber nicht sehen wollen. Dabei ist Andrea Breth ja eigentlich bekannt für beeindruckend tiefschürfende Figurenstudien und mit Shenja Lacher und Norman Hacker sind ihr eben diese Studien auch bei diesem Hausmeister immer wieder durchaus geglückt. Wie man Shenja Lacher ansieht, wie er nach Kontakt hungert und wie er dieses Lächeln im Gesicht trägt, wenn er darauf wartet, das sein elektrogeschocktes Gehirn in der Gegenwart ankommt oder wie sich Norman Hacker in die Proletenfantasien von einer Designerküche hineinträumt, dann lassen diese Szenen phasenweise vergessen, dass man da einem Stück beiwohnen muss, dessen immenser Wirkung man theatergeschichtlich sicherlich Tribut zollen sollte, das seine Halbwertszeit allerdings nach 50 Jahren spürbar überschritten hat. Wer das nicht glaubt, kann sich jetzt im Münchner Residenztheater davon überzeugen.