Archiv

Brettspiel und Comic: "Tsukuyumi"
Der Mond fällt uns auf den Kopf

Felix Mertikat ist Spieleentwickler und Comiczeichner. Mit dem Projekt "Tsukuyumi" hat er beides zusammengebracht: Es kommt als Brettspiel und als Comic auf den Markt. Die Idee war beim Crowdfunding sogar so erfolgreich, dass Mertikat damit drei Mal mehr Geld gesammelt hat, als erwartet.

Von Andrea Heinze |
    Umschlagzeichnung des Comics "Tsukuyumi: Full Moon Down"
    Das Cover von "Tsukuyumi" (Cross-Cult Verlag)
    Überall sirren Insekten, legen ihre zahllosen Eier auf die Kadaver toter Tiere. Kleine Maden schlüpfen aus den Eiern, aus denen noch mehr dieser Insekten wachsen, die wie zu dick geratene Mücken aussehen oder wie Wespen und Wanzen. Die Erde ist zu einem Paradies für Insekten geworden - überall liegen Kadaver herum, alles ist verwüstet - denn der Mond ist auf die Erde gefallen. So beginnt der Comic "Tsukuyumi" - der Comic erzählt die Geschichte zum gleichnamigen Brettspiel, das im Juli auf den Markt kommt. Comic und Brettspiel hat Felix Mertikat entwickelt.
    Felix Mertikat: "Das Besondere an Tsukuyumi ist, dass jeder Spieler eine Fraktion spielt, die einen komplett eigenständigen Spielstil hat. Wir haben zum Beispiel einen Insektenschwarm, der sich wirklich wie ein Schwarm auch spielt, man hat 32 verschiedene Einheiten, die sich überall auf dem Spielfeld bewegen können und da Eier ablegen können aus denen dann neue Insekten schlüpfen können. Oder wir haben eine Fraktion, die bestehen aus Landwalen, die mit vier Flossen unterwegs sind, die haben nur elf Einheiten, aber die sind so viel Wert, wie alle Insekten zusammen."
    Flugzeugträger-Nomaden und Cybersamurai
    Und dann gibt es noch unterschiedliche Gruppen von Menschen: Die Nomaden zum Beispiel, einst die starke Besatzung eines US-Flugzeugträgers, die mit Disziplin und Ordnung die eigene Moral aufrechterhalten. Oder die Cybersamurai, die ihre Post-Japanische Gesellschaft immer weiter verbessern wollen und dazu ihr Bewusstsein mit Maschinen verbinden.
    Die spielen gegeneinander und versuchen am Ende möglichst viele Siegpunkte zu bekommen. Und man kann auch immer noch Nebenziele erfüllen, zum Beispiel habe drei Einheiten auf dem Mond.
    "Tsukuyumi" ist ein Strategiespiel, bei dem es darum geht, Land zu gewinnen. Wer den Kampf gewinnt, wird durch Spielkarten bestimmt. Der Clou dabei: Der Angreifer weiß zwar beim Ausspielen der Karte, dass er gewinnen wird, der Verteidiger entscheidet durch seinen Spielzug aber, wie hoch der Preis dafür ist.
    Felix Mertikat ist in Esslingen aufgewachsen und hat als Kind am liebsten Rollenspiele gespielt. An der Filmakademie Baden-Württemberg hat er dann sein erstes eigenes Rollenspiel entwickelt - und Comics für sich entdeckt. Weil man damit ohne viel Personal und Spezialeffekte ganz eigene Welten schaffen kann. Schon während des Studiums zeichnete er den ersten Comicband zu seinem Rollenspiel "Opus Anima". "Steam Noir" heißt die Reihe, in der die Postapokalypse ins Zeitalter ölverschmierter Mechanik versetzt wird. Das Cover für "Tsukuyumi" mutet dagegen sehr japanisch an.
    Die Rache des Drachen
    Felix Mertikat: "Das fand ich spannend, gar nicht so sehr reales Japan nachzubilden in "Tsukuyumi" sondern popkulturell das umzusetzen, was wir von Japan kennen, dazu gehören die speziellen Namen, das Logo, rot und weiß, dazu gehören Drachen und das ganze Thema wollte ich popkulturell angehen, um es dann mit europäischen Stilformen umzusetzen."
    Ein Drache, der im Mond schlummert, überlebt einen Mordanschlag. Aus Rache lässt der den ganzen Mond auf die Erde plumpsen und bringt verschiedene Arten unter seine Kontrolle. Im Comic wird die Geschichte wie ein Puzzle aus den unterschiedlichen Perspektiven der Spielfraktionen erzählt. Für jede dieser Geschichten hat Mertikat eigene Autoren gesucht.
    Felix Mertikat: "Da habe ich versucht, den Zeichenstil einheitlich zu halten, damit die Erzählstile der Autoren, die sehr unterschiedlich sind, am Ende einheitlich wirken."
    Mittlerweile ist Felix Mertikat Mitte 30 und hat mit King Racoon Games einen eigenen Spiele-Verlag gegründet. Die Entwicklung des Spiels "Tsukuyumi" hat er über Crowdfunding finanziert - und damit knapp 110 000 Euro gesammelt - das war drei Mal mehr als erwartet. Für eine deutsche Spielproduktion eine Rekordsumme, vor allem für Newcomer.
    Der Comic als Hintergrunderzählung des Brettspiels
    Felix Mertikat: "Bei Brettspielen kann man leicht mit Add Ons arbeiten, man kann sagen - ich bringe diese und diese Figur mit ins Spiel, man bekommt noch fünf Karten dazu und ihr könnt Euch die Spiele-Erweiterung dazu kaufen und damit kann man mehr Geld generieren. Und im Comic ist man da sehr limitiert, man kann nicht sagen, ich zeichne einfach 20 Seiten dazu, das verändert ja die Geschichte dramatisch."
    Mit Comics kann man kein großes Geld verdienen - das gilt beim Crowdfunding genauso, wie beim Verkauf der Bücher. Trotzdem sind Comics für Felix Mertikat unverzichtbar.
    Felix Mertikat: "Die Comics erzählen die Narration zu dem Brettspiel, bei dem die Fraktionen zum Beispiel wirklich nur als Archetypen funktionieren, die man als Spieler mit Leben füllen soll. Und im Comic sollen die Figuren ja zu einem sprechen. Und so kann man das Spiel spielen und um Comic mehr zu den Figuren zu erfahren, wie die zueinanderstehen und wie die Welt wurde, was sie wurde."
    Im Spiel gewinnt, wer am Ende am meisten Land zusammen hat - ganz gleich, ob dazu Koalitionen gebildet wurden oder nicht. Im Comic dagegen macht Felix Mertikat klar, dass die Menschheit nur überleben kann, wenn alle Gruppen gemeinsam gegen den zerstörerischen Drachen kämpfen - ganz gleich, ob sie US-Nomaden sind oder japanische Cybersamurais oder afrikanische Tierbändiger.