Seit bald drei Jahren hat die britische Regierung einen Brexit-Minister, der mit Brüssel eine Lösung finden soll. Seit Boris Johnson gibt es neben diesem Amt ein wohl noch wichtigeres: Einen Minister für den No-Deal-Brexit, also für die Vorbereitung eines Austrittes ohne Abkommen mit der EU. Michael Gove heißt der Mann, der sich darum kümmern soll. Und ganz offenbar zuallererst um die Deutungshoheit, wer Schuld ist an der festgefahren Situation:
"Ich bin zutiefst traurig darüber, dass sich die EU ganz offenbar verweigert, mit dem Vereinigten Königreich zu verhandeln", sagte Michael Gove erst "Sky News", dann der "BBC". Alle sollten die Botschaft hören: Brüssel blockt.
"Eines ist klar", so Gove, "der alte Deal von Theresa May ist dreimal durchgefallen im Parlament. Wir brauchen einen neuen Anlauf."
Was passiert, wenn es den nicht gibt, stellte der Minister unmissverständlich klar. Dann komme der Austritt zum 31. Oktober:
"Das ist es dann. Das ist eine feste Deadline. Das britische Volk erwartet, dass wir austreten. Wir werden bereit sein, zu gehen. Was auch immer geschehen mag."
Backstop ist weiterhin Streitpunkt
Nach wie vor geht es vor allem um den sogenannten Backstop, mit dem eine harte Grenze zwischen Nordirland und der Republik Irland verhindert werden soll. Boris Johnson möchte ihn komplett streichen, der irische Premierminister Leo Varadkar dagegen bekräftige bei einem Besuch im nordirischen Belfast, dass der Backstop nicht neuverhandelt werden könne. Auf die Frage eines Journalisten, ob in dieser verfahrenen Situation damit nicht alles auf einen No Deal hinauslaufe, gab sich der irische Premier hoffnungsvoll:
"Es gibt viele Wege, wie ein No-Deal-Brexit noch verhindert werden kann, zum Beispiel durch die Unterzeichnung des ausgehandelten Deals. Auch durch eine weitere Fristverlängerung. Oder aber, indem Großbritannien den Austritt nach Artikel 50 widerruft."
Boris Johnson und seine Regierung haben genau diese Wege kategorisch ausgeschlossen.
Der Premier geht damit nicht nur mit der EU auf Kollisionskurs, sondern auch mit dem eigenen Parlament. Das Unterhaus lehnt einen Austritt ohne Abkommen mehrheitlich ab. Immer wahrscheinlicher wird deshalb ein Misstrauensvotum gegen den frisch ernannten Premierminister und seine zuletzt auf nur noch eine Stimme geschrumpfte Mehrheit.
Parlament muss sich nun schnell entscheiden
Um den No-Deal-Brexit zu stoppen, könnte aber selbst das nicht reichen. Johnson bliebe bis zu möglichen Neuwahlen zunächst im Amt. Er könnte dann, so die Einschätzung des früheren Verfassungsrichters Lord Sumption, den Brexit wie von ihm geplant zum 31. Oktober durchziehen.
"Dem Parlament bleiben nur noch zwei Möglichkeiten, einen No-Deal-Brexit zu verhindern", erklärte Sumption der BBC. "Entweder durch einen Beschluss, der Johnson verpflichtet, den Austritt nach Artikel 50 zurückzuziehen, sollte es keine Einigung mit der EU geben. Oder aber, indem das Parlament Boris Johnson nicht nur abwählt, sondern einen neuen Interims-Regierungschefs bestimmt."
Viel Zeit für solche Planspiele bleibt den Parlamentariern nicht mehr : 85 Tage vor Johnsons "Brexit ohne Wenn und Aber".