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Brexit
Boris Johnson unter Zeitdruck

Der britische Regierungschef Boris Johnson will seinen Brexit-Deal bis Ende Oktober umsetzen. Dafür muss er nun rasch ein Gesetzgebungsverfahren durchs Parlament peitschen. Das Zünglein an der Waage: die nordirische DUP. Die wird aber auch von der Labour-Partei umworben.

Von Christine Heuer |
Die die britischen Palamentsgebäude und der Big Ben in London an der Themse.
Die Zeit, um den Brexit-Deal durch das britische Unterhaus zu bekommen wird für Premierminister Boris Johnson knapp (imago images / Danita Delimont / Paul Thompson)
Es könnte Boris Johnsons ganz großer Tag werden – wieder einmal. Aber wieder einmal wird wohl nichts draus werden. Wenn der Premierminister seinen Brexit-Deal heute ins Unterhaus einbringt, wird ihm diesmal wohl John Bercow einen Strich durch die Rechnung machen. Der Sprecher hatte weiland Theresa May verboten, ein und denselben Gesetzentwurf zur Abstimmung zu stellen. Warum sollte er mit Johnson, der seinen Antrag am Samstag vergeblich vorgelegt hatte, anders verfahren?
Peter Altmaier (CDU), Bundesminister für Wirtschaft und Energie, spricht im Bundestag währen der Haushaltsdebatte.
Brexit / Peter Altmaier (CDU): "Brauchen rasch Klarheit"
Derzeit wisse man nicht mehr, wer eigentlich für die Briten spreche, sagte Wirtschaftsminister Peter Altmaier im Dlf. Parteipolitische Taktik dürfe aber nicht dazu führen, dass europäische Interessen beschädigt werden.
Der Premier muss also einen anderen Weg einschlagen: Er wird versuchen, das Gesetzgebungsverfahren zu seinem Deal durchs Parlament zu peitschen. Mit einem engen Zeitplan: Mit Nacht- und Wochenendsitzungen fürs Unter- und fürs Oberhaus. Johnsons Ziel: Nächsten Montag, in nur acht Tagen, soll das Gesamtpaket stehen. Dann müssen die Abgeordneten darüber abstimmen. In Downing Street geht man von einer Mehrheit aus.
Laobour verfolgt eigene Pläne
Aber wer weiß schon, wie lange die hält? Die Tories bleiben deshalb dran an der nordirischen DUP. Sie soll doch noch Ja sagen. Steve Baker vom Hardline-Brexit-Flügel der konservativen Partei:
"Wir sind zum Kompromiss bereit, im nationalen Interesse. Wir schlucken vieles, um pünktlich die EU zu verlassen. Und im nationalen Interesse bitte ich die DUP, genau wie wir einen Kompromiss einzugehen."
Leider liegt für dieses Bild keine Bildbeschreibung vor
Auch Labour wirbt um die zehn Stimmen der DUP-Abgeordneten im Unterhaus. Die Opposition wird in den nächsten Tagen vor allem eines versuchen: Zu opponieren gegen alles und jedes, was die Regierung im Parlament versucht.
Wie sie das macht? Sie wird es Amendments regnen lassen, Gesetzesvorschläge, die alle das Ziel haben, den Boris-Deal zu verändern, ihn gleichsam von innen auszuhöhlen. Und über die alle abgestimmt werden muss. Zum Beispiel möchte Labour durchsetzen, dass ganz Britannien in der Zoll-Union bleibt – ein alter Wunsch der Partei, der Johnsons Deal ad absurdum führen würde. Labour wollte auch die DUP dafür gewinnen, die hat aber bereits abgewunken. Labour möchte auch ein zweites Referendum durchs Parlament bringen. Der Abgeordnete Hillary Benn sagt:
"Ich würde nicht für diesen Deal stimmen, es sei denn, wir lassen das Volk darüber abstimmen, ob es das ist, was es will. Ich verstehe die, die sagen, wir wollen es jetzt entscheiden. Aber der beste Weg ist, die Bürger zu fragen, denn sie haben im Juni 2016 diesen Prozess gestartet."
"Der Premierminister ist auf der richtigen Seite des Gesetzes"
Beobachter rechnen eher mit einer Mehrheit für die Zoll-Union als mit einer für eine neue Volksbefragung. So oder so: Für Boris Johnson wird das alles sehr ungemütlich. Und die Regierung ihrerseits verspricht den Parlamentariern für diese Woche "die Hölle auf Erden". – Immerhin an einer Front sieht es für den Premierminister offenbar gar nicht so schlecht aus. Nämlich an der juristischen. Heute wird der Schottische Supreme Court sich mit Johnsons drei Briefen an die EU befassen. Hat er damit gegen das Gesetz verstoßen? Der Anwalt Lord Pannick gehört zu denen, die Johnson in dieser Hinsicht immer sehr streng unter die Lupe nehmen. Und er gibt Entwarnung und sagt:
"Der Premierminister ist auf der richtigen Seite des Gesetzes. Er war verpflichtet, einen Brief mit der Bitte um Verlängerung an die EU zu schreiben. Und das hat er getan. Er war nicht verpflichtet, seine politische Überzeugungen zu verleugnen, dass wir am 31. Oktober austreten sollen."